Chemie & Life Sciences

In puncto Innovation verfehlt REACh das Ziel

Chemieunternehmen sehen keine Verbesserung der Innovationskraft durch REACh

10.12.2014 -

Einer der Gründe für die Implementierung der REACh-Verordnung ist die „Verbesserung von Wettbewerbsfähigkeit und Innovation" in der europäischen Union. Um die Frage zu untersuchen, inwiefern dieses Ziel in der chemischen Industrie erreicht wird, führte die Hochschule Fresenius in Idstein eine nicht-repräsentative Umfrage unter 21 Unternehmen der chemischen Industrie durch. Befragt wurden dabei vor allem die Unternehmensleitung sowie Mitarbeiter in den Bereichen „Regulatory Affairs" und „Forschung & Entwicklung". Thematisch wurde die Rolle von REACh in unterschiedlichen Phasen des Innovationsprozesses analysiert (s. Abb.).

Als Initiator für Innovationen spielt REACh keine wesentliche Rolle. Auf einer Skala von 1-5 (von 1 = sehr wichtig bis 5 = unwichtig) wurden u.a. Kunden (1,4), die eigene F&E-Abteilung (1,7) oder der Wettbewerb (2,6) als relevante Quellen für Innovationen genannt. Mögliche Quellen aus dem Bereich REACh, wie Seminare, Konferenzen, Konsortien oder SIEFs, wurden deutlich schlechter bewertet (> 3,9). Als Beschleuniger von Innovationen ist hingegen die Aufnahme eines Stoffes auf die Kandidatenliste oder den Anhang XIV der REACh-Verordnung zu nennen. Hier reagieren die meisten befragten Unternehmen mit der Entwicklung einer neuen Rezeptur - mit vorhandenen Stoffen, die nicht zulassungspflichtig sind - oder der Entwicklung eines neuen Stoffes. „Die Aufnahme eines Stoffes in die Kandidatenliste oder den Anhang XIV beschleunigt bei den meisten Unternehmen die Suche nach passenden Substituten - sie stellt aber keinen Auslöser für die Suche selbst dar", fasst Miriam Weber, die im Rahmen ihrer Abschlussarbeit im Studiengang Wirtschaftschemie die Studie verfasste, die Rolle von REACh in diesem Kontext zusammen.

Einschränkung statt Entwicklung

Bei der Entwicklung selber sehen die meisten Unternehmen REACh aufgrund des erhöhten bürokratischen Aufwands als Beschränkung an. Hier wird seitens der Unternehmen u.a. argumentiert, dass es zu einer Einschränkung der Rohstoffauswahl kommen kann, wenn Rohstoffe z.B. nicht registriert sind oder werden. Dies kann sich in der Produktperformance oder einer Verlängerung des Entwicklungsprozesses niederschlagen.

Auch die im Rahmen der Verordnung installierten Instrumente zur Markteinführung verfehlen ihre erhoffte Wirkung. So ist beispielsweise PPORD (Product and Process Oriented Research & Development), ein Instrument, welches neuen Produkten im Bereich F&E eine Ausnahmeregelung von der Registrierungspflicht einräumt, nur gut der Hälfte der befragten Unternehmen (55%) überhaupt bekannt und wird von noch weniger Unternehmen genutzt (25%). Insgesamt sind laut ECHA die Zahlen für PPORD-Anmeldungen seit Jahren auf einem geringen Niveau und zudem rückläufig. Immerhin sehen die Unternehmen, die PPORD nutzen, darin eine zeit- und kostensparende Variante, Innovationen hervorzubringen. Diese Überzeugung wird von den übrigen Unternehmen allerdings nicht geteilt.

Die Unternehmen bestätigten weiterhin überwiegend, dass der Stellenwert von Innovationen seit dem Inkrafttreten von REACh nicht signifikant zugenommen hat. „Die chemische Industrie ist seit jeher ein wichtiger Innovationstreiber für ganz unterschiedliche Anwenderindustrien. Die REACh-Verordnung hat hier keinen katalytischen Einfluss auf die Bedeutung dieser Innovationen gebracht", so Prof. Thorsten Daubenfeld, Studiendekan Wirtschaftschemie an der Hochschule Fresenius und Betreuer der Studie.

Abwanderung der Wertschöpfung

Gefährlich könnte nach Ansicht von Weber und Daubenfeld vor allem eine mögliche Abwanderung von Wertschöpfung aus der EU sein. Als mögliches Beispiel führen sie die Herstellung von Folie für selbstklebende Fahrbahnmarkierungen (z.B. für Baustellenbereiche) mit dem Pigment Bleisulfochromatgelb auf. Dieser Stoff steht im Anhang XIV der REACh-Verordnung und wird ab dem 21. Mai 2015 zulassungspflichtig. Um die Folie mit diesem Pigment auch nach diesem Ablaufdatum innerhalb der EU herstellen und in Verkehr bringen zu dürfen, muss eine zeit- und kostenintensive Zulassung für die Verwendung beantragt werden. Die Folie selber hingegen unterliegt als Erzeugnis nicht der Registrierungs- und Zulassungspflicht unter REACh, da es bei deren Verwendung zu keiner absichtlichen Freisetzung von Bleisulfochromatgelb kommt. Würde der Herstellungsprozess der Folie aus der EU ausgelagert und die Folie als Erzeugnis in die EU exportiert, ließe sich damit das Zulassungsverfahren umgehen.

Zusammenfassung

„Die befragten Unternehmen stellten in den Gesprächen überwiegend die negativen Auswirkungen von REACh auf zukünftige Innovationen in der chemischen Industrie in den Vordergrund", fasst Daubenfeld seine Eindrücke zusammen. Das Zusammenspiel von EU-Behörden und chemischer Industrie sollte daher marktnah und pragmatisch intensiviert und der bürokratische Aufwand für KMU verringert werden. Dadurch würde zumindest die Belastung, die REACh derzeit im Rahmen von Innovationsprozessen darstellt, verringert werden. Ihrem selbstgesteckten Ziel, der Verbesserung der Innovationskraft, wird die Verordnung dadurch zwar immer noch nicht gerecht, immerhin würde sie diesem aber nicht mehr im Wege stehen.

Kontakt

Hochschule Fresenius gem. GmbH