Chemie & Life Sciences

Sensible Daten schützen

Treuhänder unterstützen bei der Erfüllung der Meldepflicht für gefährliche Gemische

07.02.2020 -

Die Einführung einer einheitlichen europäischen Produktmeldung für gefährliche Gemische war ein lang angekündigter Schritt zur weiteren Harmonisierung des Chemikalienrechts. Künftig kann eine zentrale Meldung die Einzelmeldungen an die EU-Mitgliedsländer ersetzen. Weitere Erleichterungen bieten Daten-Treuhänder wie z.B. der TÜV Süd Industrie Service.

Gefährliche Gemische begegnen uns nicht nur in Form von gewerblichen oder industriellen Produkten wie Kühlflüssigkeiten, sondern auch in alltäglichen Konsumprodukten wie Reinigungsmitteln. Immer wieder kommt es zu Vergiftungen, weil diese falsch angewendet wurden. Giftnotrufzentralen helfen im Notfall mit Informationen zu den Inhaltsstoffen und ggf. erforderlichen Sofortmaßnahmen weiter. Inverkehrbringer von gefährlichen Gemischen können Details über deren Zusammensetzung auf freiwilliger Basis an das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) senden. Das BfR leitet diese an alle Giftnotrufzentralen in Deutschland weiter. Fallweise besteht aber auch eine Meldepflicht

Einheitlich: Mitteilungsformat und Code

Ein Gemisch muss gemeldet werden, wenn es gemäß den Kriterien der CLP-Verordnung aufgrund von gesundheitlichen oder physikalischen Eigenschaften als gefährlich eingestuft wird. Die EU-Chemikalienverordnung regelt u.a. die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung (Classification, Labeling, Packaging) von Stoffen und Gemischen. Ausnahmen sind nur Gemische für Forschung und Entwicklung sowie Gase unter Druck und explosive Gemische. Die Meldung muss an jede Giftnotrufzentrale eines EU-Landes erfolgen, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wird oder direkt an die Europäische Chemikalienagentur ECHA.

Die Inverkehrbringer müssen diese Meldung – Poison Center Notification (PCN) – in einem einheitlichen elektronischen Format übermitteln. Mit dem 16-stelligen alphanumerischen Unique Formula Identifier (UFI) soll künftig jedes gefährliche Gemisch in der EU identifizierbar sein. Dieser Code könnte bspw. „UFI: H563-L90S-R783-J823“ lauten und wäre dann auf den Etiketten der Produkte anzubringen. Den Giftnotrufzentralen erleichtert der Code in Verbindung mit weiteren Informationen die Arbeit im Fall eines Notrufs. Anrufer können bspw. den UFI zusammen mit dem Handelsnamen direkt vom Etikett ablesen. So lässt sich das enthaltene Gemisch bei einem Vorfall zweifelsfrei identifizieren.

Sprachen und Produktkategorien

In der Meldung sind Angaben über toxikologische Eigenschaften zwingend. Diese sind deckungsgleich mit dem Abschnitt 11 im Sicherheitsdatenblatt. Nur wenige Länder akzeptieren die Übermittlung der Angaben in englischer Sprache. Stattdessen müssen die Informationen in der jeweiligen Landesprache abgefasst sein. Im Zuge der neuen Mitteilungspflichten wurde zudem ein Europäisches Produktkategorisierungssystem (EuPCS) aufgebaut. Jedes Gemisch wird in diesem Zuge einer bestimmten Kategorie zugeordnet. Diese gliedert sich nach der beabsichtigten Verwendung, bspw. als Klebstoff, Farbe oder Spülmittel.

Treuhänder und Datenzugang

Zwar wissen die Giftnotrufzentralen, welche Zusammensetzung das Gemisch mit dem angegebenen UFI hat. Doch wie gelangt ein Inverkehrbringer an die Zusammensetzung seines Produkts, wenn er nicht der Hersteller ist? Gerade Lieferanten außerhalb der EU zögern, die Zusammensetzung an den Kunden in der EU weiterzugeben. Eine gesetzliche Verpflichtung dazu besteht schließlich nicht. Oft erhält der Importeur keine Antwort, weil sein Lieferant genau diese Daten als Geschäftsgeheimnis einstuft. Hier hilft ein Treuhänder weiter und die Geschäftsbeziehung bleibt bestehen.

Der Lieferant außerhalb der EU gibt die Daten über die Zusammensetzung ausschließlich an den Treuhänder. Dieser erstellt eine freiwillige PCN mit einem eigenen UFI und übermittelt die Daten an die Giftnotrufzentralen bzw. die ECHA. Der Importeur erhält somit nicht die vertrauliche Information, kann sich aber trotzdem darauf verlassen, dass die Meldung korrekt erfolgt. An Daten-Treuhänder bestehen allerdings hohe Anforderungen. Diese…

  • …dürfen keine eigenwirtschaftlichen Interessen an den Daten haben,
  • …müssen sachkundige Experten sein im Umgang mit Chemikalien, im Chemikalienrecht und der zugehörigen EDV,
  • …müssen die Daten vertrauenswürdig und sicher verwalten sowie
  • …alle Aufgaben sorgfältig, ordnungsgemäß und gewissenhaft ausführen.

Vormischungen managen

Zugekaufte Gemische, Mixtures in Mixtures (MiM), fordern die sog. Formulierer besonders heraus, die eine PCN erstellen. Früher mussten sie bei Produktmeldungen zu jeder Formulierung alle Inhaltsstoffe kennen und übermitteln. Nun genügt es, wenn sie zu jedem Ausgangsstoff eine UFI besitzen und diesen Identifikator anstelle der Zusammensetzung in der PCN verwenden. Es wird allerdings noch einige Jahre dauern, bis in allen Bereichen durchgängig ein UFI verfügbar ist. Für nichtgefährliche Ausgangsstoffe ist eine Meldung und somit ein UFI nicht verpflichtend. Hier dürfte der Markt die Verfügbarkeit von UFI regeln.

Mögliche Codeverwendungen

Solange die Zusammensetzung eines Gemischs gleichbleibt, gilt das auch für den UFI – selbst wenn sich das Produkt anderweitig ändert, wie aufgrund einer neuen Verpackung oder eines neuen Handelsnamens. Der Inverkehrbringer muss nur dann einen neuen UFI erstellen und auf das Etikett drucken oder darauf anbringen, wenn z.B. ein Bestandteil hinzugefügt, entfernt oder ersetzt wird. Gleiches gilt, wenn sich die Konzentration von Bestandteilen so ändert, dass sie die Toleranzgrenze der zulässigen Abweichungen übersteigt.

Auch kann auf Produktetiketten in allen Ländern des europäischen Wirtschaftsraums derselbe UFI verwendet werden, wenn das gleiche Gemisch enthalten ist. Das gilt auch innerhalb eines Landes, wenn ein Produkt mit unterschiedlichen Handelsnamen vermarktet wird. Umgekehrt können einem Gemisch auch unterschiedliche UFI zugewiesen werden, wenn dieses in verschiedenen Produkten enthalten ist, die dann je einen eigenen Code hätten. Das kann aus wirtschaftlichen oder verwaltungstechnischen Gründen sinnvoll sein.

Hier hat der Treuhänder eine wichtige Zusatzfunktion, weil er diese Informationen von Lieferanten außerhalb der EU erhält. Damit wird die Zusammensetzung des Gemischs überwacht. Gegebenenfalls wird ein neuer UFI erstellt, die Giftnotrufzentralen werden informiert und die Etiketten der Produkte geändert.

Noch vor Einreichfrist aktiv werden

Auch wenn die ursprünglich geplante Einreichfrist von 1. Januar 2020 um ein Jahr verschoben wurde, funktioniert das Meldesystem bereits und wird auch schon genutzt. Viele Unternehmen suchen bereits Treuhänder, um den gesetzlichen Verpflichtungen frühzeitig nachzukommen und zugleich ihre Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Als gefährlich eingestufte Gemische müssen voraussichtlich zeitlich nach Verwendungsbereichen gestaffelt gemeldet werden:

  • bei einer Verwendung durch den Verbraucher ab 01.01.2021 (Dabei gelten für Gemische, die vorher nach nationalen Gesetzen gemeldet wurden, Übergangsfristen.)
  • bei gewerblicher Verwendung ab 01.01.2021
  • bei industrieller Verwendung ab 01.01.2024

Wenn Inverkehrbringer den Giftnotrufzentralen die Produktinformationen mitteilen, bedeutet das, dass sie aus logistischen Gründen in der Regel schon vor Ablauf der jeweiligen Frist UFI auf den Etiketten anbringen. In der Praxis sind deren Erstellung und Druck also sorgfältig zu planen und frühzeitig in die Unternehmensabläufe zu integrieren.

Ausblick

Für die Produktmeldung sollten keine Kosten für die Übermittlung anfallen. Jedoch haben die vier Mitgliedsländer Italien, Ungarn, Kroatien und Spanien angekündigt, Gebühren für eine PCN zu erheben. Ob die übermittelten Daten tatsächlich nur für die Auskunft in Notfällen verwendet oder auch für eine Umgestaltung der Chemikalienpolitik ausgewertet werden, bleibt zu beobachten. Positiv ist, dass erstmals ein Überblick über die auf dem Markt befindlichen Stoffe möglich wird. Leider sind die Informationen für die PCN wie Handelsnamen, Hersteller, Kennzeichnung und UFI noch immer nicht elektronisch aus den Sicherheitsdatenblättern auslesbar – obwohl das technisch machbar ist.

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