Chemie & Life Sciences

Verborgene Chiralität

Das Stickstoff-15-Isotop als Auslöser für die autokatalytische Synthese einer chiralen Verbindung

19.10.2016 -

Die Synthese von chiralen Zwischenstufen für die Herstellung von hochspezifischen Arzneistoffen ist eine der wichtigsten Aufgaben der synthetischen organischen Chemie. Japanische Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass die winzige Massendifferenz der Stickstoffisotope Stickstoff-15 und Stickstoff-14 als Asymmetrie ausreicht, um autokatalytisch ein chirales Produkt entstehen zu lassen. Die Studie ist in der Zeitschrift Angewandte Chemie erschienen.

Stickstoff-15 ist eines der beiden natürlichen Stickstoffisotope – wenn es auch gegenüber dem mit 99.63% auftretenden Stickstoff-14-Isotop nur zu einem Anteil von 0,37% vorkommt. Trotz dieser geringen Häufigkeit wird Stickstoff-15 gerne als Markerisotop in der Biologie und Medizin verwendet, und es ist die Basis für das Radioisotop Kohlenstoff-15, das in der nuklearmedizinischen Bildgebung wichtig ist. Wissenschaftler um Kenso Soai von der Tokyo University of Science haben nun eine weitere Verwendung für Stickstoff-15 gefunden: als Auslöser für eine autokatalytische asymmetrische Reaktion zur Herstellung von chiralen organischen Verbindungen, das heißt Verbindungen, die zueinander eine Händigkeit oder Spiegelbildlichkeit aufweisen.

Autokatalytische Reaktionen sind für die Synthese deshalb besonders interessant, weil hier die Reaktion durch das eigene Produkt selbstständig katalysiert wird und man deshalb auf externe Katalysatoren verzichten kann. Besonders interessant ist dies für die asymmetrische Katalyse mit ihren oft teuren und kompliziert aufgebauten Katalysatoren. In der asymmetrischen Autokatalyse löst eine chirale Substanz die Reaktion aus, was Soai und seine Gruppe auf ein stickstoffhaltiges Molekül brachte, das mit der kleinstmöglichen chiralen Induktion versehen ist: Die Differenz zwischen den Atommassen von Stickstoff-15 und Stickstoff-14 beträgt nur 7%.

Dieser Unterschied war so klein, dass ihn die Wissenschaftler durch konventionelle chirale Analytik nicht ausmachen konnten. Der Effekt aber war gegeben, denn dieses Molekül induzierte die asymmetrische Reaktion einer als Baustein in vielen biologischen Substanzen vorkommenden Pyrimidineinheit mit einem Reagens, das an das Molekül weitere Kohlenwasserstoffgruppen anhängen kann. Der somit hergestellte Alkohol war chiral mit klarer Dominanz eines der beiden spiegelbildlichen Produkte. "Es ist das erste Beispiel einer enantioselektiven Induktion durch Chiralität, die lediglich durch die Differenz der Stickstoffisotope 14N/15N ausgelöst wird", berichten die Wissenschaftler. Und es ist ein Beispiel dafür, dass sich verborgene Chiralität in der organischen Synthesechemie deutlich bemerkbar machen kann.