Chemie & Life Sciences

Vom Produkt zum Service

Evonik bietet Pharmakunden das Beste aus zwei Welten

08.02.2010 -

Das im Evonik-Geschäftsbereich Health & Nutrition angesiedelte Geschäftsgebiet Exklusivsynthese & Aminosäuren beliefert die Pharmaindustrie und andere Industriezweige mit hochwertigen Feinchemieprodukten. Zum Jahreswechsel 2010 erwarb Evonik einen Produktionsstandort von Eli Lilly in den USA, der das bereits breite Technologieportfolio nochmals erweitert und nun in das Produktionsnetzwerk integriert wird. Mit dem Konzept der horizontalen Integration erhalten die Kunden eine optimale Kostenstruktur für Vor- und Zwischenprodukte aus den Produktionszentren Asiens sowie für Zwischenprodukte und Wirkstoffe höherer Komplexität aus den Werken in Europa und den USA. Dr. Michael Reubold sprach mit Dr. Hans-Josef Ritzert, dem Leiter des Geschäftsgebietes Exklusivsynthese & Aminosäuren, über aktuelle Trends im Pharmamarkt, Anforderungen der Kunden sowie die künftige Strategie des Geschäftsgebiets.

CHEManager: Herr Dr. Ritzert, der Leiter des Geschäftsbereichs Health & Nutrition, Dr. Reiner Beste, sprach noch Mitte des vergangenen Jahres von einem auch in der Krise robusten Geschäft. Gilt das auch für Ihr Geschäftsgebiet?

Dr. H.-J. Ritzert: Im Geschäftsgebiet Exklusivsynthese & Aminosäuren sehen wir nach wie vor, dass unser Hauptabsatzmarkt - die Pharmaindustrie - stabil ist, wobei in den letzten Monaten spürbar war, dass auch die Pharmaindustrie mittlerweile versucht, ihr Nettobetriebskapital zu optimieren, sodass es hier auch zu Auftragsverschiebungen kommen kann. Mittel- und langfristig jedoch profitieren wir vom Outsourcing-Trend in der Pharmaindustrie und sehen hier bereits deutliche Wachstumszeichen. In der Elektronikindustrie bemerken wir den Konjunkturzyklus deutlich stärker und hatten bereits im ersten Halbjahr 2009 ein rückläufiges Geschäft zu verzeichnen. Inzwischen ist der Auftragseingang für 2010 jedoch wieder erfreulich angestiegen.

Wie beurteilen Sie denn die Innovationsfreudigkeit Ihres Hauptabsatzmarktes, der Pharmaindustrie?

Dr. H.-J. Ritzert: Zum einen gehört die Pharmaindustrie traditionell zu den innovationsfreudigsten Industrien, weil Innovation für die großen Pharmakonzerne - die Originators - einfach alternativlos ist. Zum anderen sehen wir, dass immer mehr Unternehmen in der Pharmaindustrie ihre Wirkstoff- und Zwischenproduktproduktion auslagern, um sich auf die Kernkompetenzen Forschung, klinische Entwicklung, sowie Marketing & Sales zu konzentrieren.

Erkennen Sie bestimmte Trends, die sich z.B. bei der Projektvergabe in gestiegenen Anforderungen Ihrer Pharmakunden ausdrücken?

Dr. H.-J. Ritzert: Outsourcing ist für viele Pharmaunternehmen zu einem strategischen Prozess geworden, der dazu führt, dass man deutlich enger mit den Partnerunternehmen zusammenarbeitet. An diese so genannten „Preferred Suppliers" werden deutlich höhere Anforderungen hinsichtlich Qualität, Performance, Flexibilität und Liefersicherheit gestellt. Dies ist genau unser Ansatz. Wir sind bereits früh in der Wertschöpfungskette mit den Pharmaunternehmen im Gespräch. Wir entwickeln z.B. gemeinsam geeignete, im technischen Maßstab realisierbare Syntheseverfahren für das im Forschungslabor vom Pharmakunden entwickelte Wirkstoffmolekül. Und dies nicht nur im Sinne einer Lohnproduktion, sondern auch einer weitergehenden Prozessoptimierung während der Entwicklungsphase und selbst nach der Markteinführung. Wir begleiten das Produkt über den gesamten Lebenszyklus.

Früh in der Wertschöpfungsphase dabei zu sein, heißt auch, ein gewisses Risiko mitzutragen?

Dr. H.-J. Ritzert: Ja, aber diese Balance müssen wir gemeinsam mit dem Kunden finden, indem wir im richtigen Moment einsteigen. Das ist oft die Phase II oder die frühe Phase III der klinischen Prüfung, das heißt aber nicht, dass wir nicht auch nach der Markteinführung - oder sogar bei off-patent-Anwendungen - erfolgreich sein können. Und natürlich begleiten wir dann auch den Lebenszyklus der Produkte mit, indem wir in der Folge durchaus weitere Lösungen zur Kostenoptimierungen - z.B. über eine Optimierung der Verfahren oder auch der Produktionsstätten - erarbeiten und diese Effizienzsteigerung an den Kunden weitergeben. Hier fühlen wir uns durch die Breite unseres Technologiespektrums und unserer Produktionsstandorte sehr gut aufgestellt.

Sie haben Ende letzten Jahres einen neuen Produktionsstandort in den USA erworben. Wie fügt er sich in Ihr Produktionsnetzwerk ein?

Dr. H.-J. Ritzert: Im Gebiet Exklusivsynthese & Aminosäuren haben wir zwei Standorte in Deutschland. Zum einen hier in Hanau-Wolfgang, wo wir sowohl produzieren als auch unser Forschungszentrum betreiben. Zum anderen in Dossenheim, die Technochemie, wo wir vergangenen Juni eine neue Wirkstoffproduktionsanlage in Betrieb genommen haben. Zusätzlich haben wir in Europa noch einen Standort für Pharmaaminosäuren in Ham nördlich von Paris, wo wir bei der Rexim im Wesentlichen die Aufreinigung von Aminosäuren zu Pharmaaminosäuren vornehmen aber auch Aminosäurederivate herstellen. In China betreiben wir zwei Produktionsstandorte: Evonik Lynchem in Dalian in Nordchina und Evonik Rexim (Nanning) Pharmaceutical in Wuming in Südchina. Am letztgenannten Standort schaffen wir gerade mit einer Investition in die Exklusivsynthese ein zweites Standbein. Das ist somit in Zukunft kein reiner Aminosäurestandort mehr, sondern wir haben dort zusammen mit einem Kunden eine neue Anlage zur Herstellung eines Wirkstoffes aufgebaut, die wir Anfang dieses Jahres anfahren werden. Und dann haben wir natürlich den neuen US-Standort Tippecanoe Laboratories in der Nähe von Indianapolis in Indiana.

Was war denn ausschlaggebend für die Akquisitionen des Eli Lilly-Standorts?

Dr. H.-J. Ritzert: Entscheidend dafür waren verschiedene Gründe: Zum einen unser Fokus auf die Herstellung und Vermarktung von Advanced Intermediates und APIs. Der Standort Tippecanoe hat eine exzellente Technologiebasis, das Qualitätsmanagement und die Assets haben Pharmastandard, und das bei einem Reaktorvolumen von mehr als 600 m3 API-Kapazität. Ein wichtiger Teilaspekt war, dass der Standort über langjährige Erfahrung und die entsprechenden Assets zur Herstellung von High-Potency-Wirkstoffen verfügt. Wir haben damit unsere Technologiebasis nochmals deutlich erweitern können.
Zum anderen haben wir mit Eli Lilly, einem der führenden globalen Pharmaunternehmen, eine neunjährige Liefervereinbarung abgeschlossen. Eli Lilly hatte großes Interesse, nicht einfach nur den Standort zu verkaufen, sondern auch einen langfristigen Liefervertrag einzugehen, um weiterhin Schlüsselwirkstoffe an dem Standort produzieren zu können. Das kam uns entgegen, da uns dies erlaubt, mit Geschäft für andere Pharmaunternehmen in diese Kapazitäten „hineinwachsen" zu können. Es ist nämlich für ein Pharmaunternehmen sehr wichtig, dass der Outsourcing-Partner eine kritische Größe hat und möglichst flexibel mit der Verfügbarkeit von Produktionskapazitäten ist. Wir haben nun ein Netzwerk an Produktionsstandorten, das in seiner Breite sehr wettbewerbsfähig ist, auch indem wir damit die verschiedenen Prozesse je nach Kundenbedürfnissen und je nach Technologie abbilden können. Die Standorte ergänzen sich optimal. Dieses Konzept nennen wir horizontale Integration.

Können Sie das Konzept und die Umsetzung in der Realität näher erläutern?

Dr. H.-J. Ritzert: Die Synthese eines Pharmawirkstoffs kann man in drei Wertschöpfungsstufen unterteilen. Das ist zunächst die Herstellung von Standard Intermediates, die dann zu sogenannten Advanced Intermediates umgesetzt werden, aus denen schließlich der finale Wirkstoff - API genannt - synthetisiert wird. In den letzten Jahren haben wir uns strategisch auf Advanced Intermediates und APIs fokussiert, weil die Wettbewerbsintensität bei Standard Intermediates zugenommen hat. Konsequenterweise haben wir uns im vergangenen Jahr von dem englischen Standort Seal Sands getrennt, der einen Schwerpunkt bei Standard Intermediates hat. Wir haben uns dafür im Bereich der APIs verstärkt, zum einen mit der Akquisition von Tippecanoe, zum anderen mit den neuen Anlagen in Dossenheim und in Wuming. Horizontale Integration heißt in dem Zusammenhang, dass wir Vorstufen wie einfachere Advanced Intermediates, bei denen wir im härteren Wettbewerbsumfeld stehen, in China herstellen, wo wir andere Kostenstrukturen als in Europa oder in Nordamerika haben - selbstverständlich unter Einhaltung unserer weltweiten ESH-Standards und der nationalen Vorschriften. Komplexere Endstufen, die nah am API sind, - oder das API selbst - produzieren wir an den westlichen Standorten.

Wo sehen Sie denn Ihre technologischen Kernkompetenzen?

Dr. H.-J. Ritzert: Unsere größte „Kernkompetenz" ist die breite Aufstellung unserer Technologien. Wir bieten letztendlich die komplette Palette an Synthesetechnologien an. Gerade in den letzten Monaten haben wir uns hier weiter verstärkt, indem wir hier in Hanau-Wolfgang ein Fluor-Labor aufgebaut haben. Es gibt immer mehr Wirkstoffe in Pharmaprodukten, aber auch bei Agrochemikalien, die fluorierte Bausteine enthalten, und dafür sind wir sowohl was die Forschung als auch was unsere Assets angeht sehr gut aufgestellt.
Im Moment erweitern wir auch unsere Kompetenz beim Thema Kristallisation, denn wir sehen eine wachsende Bedeutung der Kristallmorphologie für Pharmawirkstoffe, gerade beim Übergang vom Labor zur Produktion. Kristallisation wurde zu einer Wissenschaft, die von zentraler Bedeutung für die Produktion von APIs im großen Maßstab ist. Diese Technologie entwickeln wir projektbezogen sehr intensiv mit der Pharmaindustrie weiter.

Wie sind Sie bei chiralen Technologien, biotechnologischen Methoden, kontinuierlichen Verfahren oder der Mikroreaktionstechnik aufgestellt?

Dr. H.-J. Ritzert: Bei diesen Trends begleiten wir die Entwicklungen unserer Kunden in der Pharmaindustrie. Bei den Synthesen chiraler Bausteine z.B. gibt es Synergien mit anderen Bereichen im Evonik-Konzern. Wir haben in den letzten Jahren auch in Zusammenarbeit mit unserem Bereich Catalysts homogene Katalysatoren weiterentwickelt, die wir zur Prozessoptimierung z.B. bei der asymmetrischen Synthese einsetzen können - zum einen für den externen Bedarf, aber natürlich auch für interne Synthesen. Evonik Degussa hat eine große Tradition bei der Entwicklung biotechnologischer Verfahren im Produktionsmaßstab. Inzwischen stehen einige enzymatische Plattformtechnologien zur Verfügung, die es uns erlauben, chirale Zwischenprodukte biotechnologisch zu produzieren. Und auch bei den Mikroreaktoren haben wir Entwicklungen betrieben. Auch kontinuierliche Produktionsverfahren können künftig eine größere Rolle spielen, wir erwarten jedoch, dass die Batch-Verfahren auch in der Zukunft eine wichtige Bedeutung behalten werden.

Wie beurteilen Sie die langfristigen Aussichten für Ihr Geschäft?

Dr. H.-J. Ritzert: Evonik setzt in der Zukunft einen Wachstumsschwerpunkt im Bereich Pharma und Healthcare, was sich in der Strategie des Geschäftsgebietes Exklusivsynthese & Aminosäuren entsprechend abbildet. Wir wollen noch mehr zum bevorzugten Partner unserer Pharmakunden werden und Gelegenheitsprojekte zu strategischen Partnerschaften entwickeln. Dies stellt letztendlich auch eine logische Weiterentwicklung der Strategie dar, die wir in den letzten Jahren erfolgreich verfolgt haben.

 

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