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Markenführung: Macht der Marken

Unternehmen schaffen Wertschöpfung durch Investitionen in Produktmarken und Arbeitgebermarke

07.06.2011 -

Ein farbenfrohes Logo, ein flotter Slogan und eine millionenschwere Werbekampagne: Wer glaubt, so ließe sich heute noch Markengeschichte schreiben, irrt. Damit Produkte und Dienstleistungen so einzigartig werden wie ein Fingerabdruck, müssen Vorstände die Markenführung zur Chefsache erklären.

Um ihr Image zu verteidigen, die Einzigartigkeit ihrer Produkte und Dienstleistungen zu sichern und ihre Preispolitik am Markt durchzusetzen, müssen Unternehmen sich mitunter regelrecht neu erfinden. So wie der Versicherungskonzern Ergo beispielsweise, der nach fast 40 Jahren Bildschirmpräsenz „Herrn Kaiser" in Rente schickte, um seine Policen künftig unter dem ambitionierten Claim zu verkaufen: „Versichern heißt verstehen." Ohne Risiko ist ein solcher Kurswechsel in den seltensten Fällen. Geben Manager ihren Marken ein neues Gesicht, „erschüttern sie das Unternehmen bis ins Mark", sagt Alexander Deichsel, Begründer der modernen Markensoziologie in Deutschland und Direktoriumsmitglied am Institut für Markentechnik in Genf. „Die Arbeitshaltungen, die inneren Verpflichtungsimpulse, der Leistungsstolz der Mitarbeiter, unter dem alten Namen gearbeitet zu haben, all diese internen Kraftzentren werden zunächst einmal gekappt."

Namen- und Logowechsel so populär wie selten zuvor

Das scheint die Verantwortlichen allerdings nicht zu schrecken. Namen- und Logowechsel sind so populär wie selten zuvor. McDonald's feilt an seinem Umweltimage und präsentiert sein gelbes M nun lieber auf grünem statt wie bisher auf rotem Grund. Der Pharma- und Chemiekonzern Bayer will unter seinem neuen Vorstandschef Marijn Dekkers den 150 Jahre alten Namen Schering aus seinem Schriftzug streichen. Und selbst der Traditionshersteller Miele verkauft seine Einbauküchen neuerdings unter einem anderen Titel - der Marke Warendorf. Doch was bringt das eigentlich? Steigen Umsatz und Ertrag, nur weil Premiere jetzt unter dem Namen Sky firmiert und Benckiser seine Spülmaschinen-Tabs unter der Bezeichnung Finish statt Calgonit verkauft? Warum erreichen manche Marken Kultstatus, andere aber nie? Was zeichnet den Kern einer Marke überhaupt aus? Und wie lässt sich ihr Wert exakt beziffern?

Wert einer Marke

Neuroökonomen an der Universität Münster gelang es bereits vor Jahren, mit Experimenten im Kernspintomografen nachzuweisen, dass starke Marken so tief im Gehirn verankert sind, dass sie die Kaufentscheidungen der Kunden positiv beeinflussen. Ungleich schwerer fiel es den Betriebswirtschaftlern lange Zeit, wenn sie den Wert einer Marke auch bilanziell bestimmen wollten. Bis heute konkurrieren am Markt unterschiedliche Bewertungsmodelle, was in der Praxis dazu führt, dass ein und dieselbe Marke anders taxiert wird. Die Experten der Agentur Interbrand etwa beziffern den Markenwert von Google auf aktuell 43,6 Mrd. US-$, ihre Kollegen von Millward Brown dagegen auf 114,3 Mrd. US-$. Ja, was stimmt denn nun? „Nichts von beiden", sagt Jutta Menninger, Partnerin bei PricewaterhouseCoopers in München und spezialisiert auf immaterielle Vermögenswerte. „Diese Rankings mögen für Werbezwecke dieser Unternehmen dienlich sein, aber eine seriöse Bewertung im Sinne nationaler und internationaler Standards steckt nicht dahinter." Um den monetären Wert einer Marke zu ermitteln, müssten unternehmensinterne Daten analysiert werden - etwa prognostizierte Marktvolumina, Gewinnspannen, Vertriebskanäle und rechtliche Einflussgrößen wie die Unterscheidungskraft und der Umfang zur Nutzung einer Marke.

Daten, wie sie etwa der Wirtschaftsprüferstandard IDW S5 erfasst oder die International Standard Organziation in der neuen ISO-Norm 10668. In einem weltweiten Abstimmungsprozess gerade erst verabschiedet, verfolgt der ISO-Standard einen interdisziplinären Ansatz von finanzwirtschaftlichen, rechtlichen und verhaltenswissenschaftlichen Einflussgrößen. „Damit lassen sich Markenwerte präzise und für jeden nachvollziehbar berechnen", sagt Jutta Menninger. Denn neben Validität, Objektivierbarkeit und Transparenz gehört eben auch das zu einer seriösen Bewertungspraxis: Reliabilität - ein gleiches Ergebnis bei wiederholter Messung und nicht, wie im Fall Interbrand versus Millward Brown, ein paar Milliarden Dollar Differenz für ein und dasselbe Unternehmen. Den größten Vorteil des neuen ISO-Standards sehen Experten darin, dass sich damit künftig bessere Finanzierungswege eröffnen können. „Wer die Stärke seiner Marken gegenüber Banken und Kapitalmarkt auch monetär dokumentieren kann, wird sich mit der Refinanzierung leichter tun", sagt Dominik Klepper, Leiter Wirtschaftspolitik, Umwelt und Nachhaltigkeit beim Markenverband in Berlin.

"Greenwashing"

Doch Marken und ihre Versprechen sind alles andere als stabile Werte. „Was in 20 Jahren aufgebaut wurde, kann in 20 Sekunden verloren gehen", warnt Jutta Menninger. Bestes Beispiel: der Mineralölkonzern BP, der im Golf von Mexiko weit mehr versenkte als nur die Ölplattform Deepwater Horizon. Unter ging damit der Ruf eines Unternehmens, das seine Markenidentität zuvor mit viel Geld und guten Worten auf den sauberen Teil seines Geschäfts aufgebaut hatte. Die Abkürzung BP stand nicht mehr für British Petroleum, sondern für „Beyond Petroleum", was sich nach der größten Umweltkatastrophe in der US-Geschichte wie ein schlechter Scherz anhört - auch weil Alternativenergien im Unternehmensportfolio von BP bis heute nur eine Randgröße darstellen. „Greenwashing" nennen Marketingexperten diese Art der Schönfärberei und warnen Unternehmenslenker davor, sich ein Image zu verpassen, das mit der Realität wenig bis nichts zu tun hat. Falsche Versprechen und Verhaltensweisen bestraft die öffentliche Meinung heute schneller als jemals zuvor. Vor allem dann, wenn ein Vorstandschef wie der mittlerweile geschasste BP-Chef Tony Hayword auf dem Höhepunkt der Ölkatastrophe nichts Besseres zu tun hat, als mit seiner Luxusyacht in See zu stechen.

Markenführung ist Chefsache

„Schlimmer kann man es nicht machen", sagt Professor Franz-Rudolf Esch, Head of Marketing und Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung an der European Business School. „Das Beispiel BP zeigt überdeutlich, wie stark das Unternehmensimage vom Verhalten der Mitarbeiter abhängt." Da helfe kein hübsches Logo, kein Nachhaltigkeitsbericht auf Umweltpapier und auch keine noch so aufwändige TV-Kampagne. Markenführung, sagt Professor Franz-Rudolf Esch, sei eine Frage der Unternehmenskultur und damit Chefsache. „Der Vorstand ist der erste Botschafter der Marke. Das wird Ihnen zwar jeder unterschreiben, aber richtig gelebt wird das nur selten." Mindestens ebenso wichtig wie die Kommunikation nach außen ist deshalb die Vermittlung der Markenwerte gegenüber der eigenen Mannschaft. „Weil jeder Einzelne großen Einfluss auf das Bild der Marke hat, ist es unabdingbar, sie in den Köpfen und Herzen der Mitarbeiter fest zu verankern", sagt Professor Franz-Rudolf Esch. Unternehmen müssten in diesen Fragen mit derselben Strenge vorgehen wie in Finanzierungs-, Produktions- oder Standortentscheidungen. „Mit dem Bekenntnis zur Markenführung, ausgehend von der Chefetage, ist ein langfristiges Change-Management über alle Ebenen des Unternehmens hinweg verbunden."

Mitarbeiter müssen mitziehen

Das erleben gerade die Mitarbeiter der Versicherungsgruppe Ergo, einer der ganz großen Player in Europa. Das Markenportfolio wurde konsequent gestrafft, die beiden Traditionsmarken Victoria und Hamburg-Mannheimer samt Herrn Kaiser aufs Altenteil geschickt. „Mittelfristig bedeutet die Konzentration auf nur eine Marke weniger Ausgaben für Werbung und Marketing", sagt Vorstandschef Torsten Oletzky. „Das ist ein echter Wettbewerbsvorteil, der sich unter dem Strich für alle bezahlt machen wird." Vorausgesetzt, die Mitarbeiter ziehen mit. Denn mit der Konzentration auf eine Dachmarke verbinden die Ergo-Manager auch einen Kurswechsel in ihrer Beziehung zum Kunden. „Versichern" heißt in Düsseldorf ab sofort „Verstehen." Ein Versprechen, das es notwendig macht, den neuen Markenauftritt „in ein positives Leitbild nach innen" zu übersetzen. In „eine Art Verpflichtungserklärung für jeden unserer Mitarbeiter, den offenen Dialog mit den Kunden zu suchen", sagt Dagmar Brück, Leiterin des Change-Managements im Unternehmen.

Das ist eine Herausforderung, nicht nur für Ergo, sondern für die Personalentwicklung eines jeden Unternehmen. „Es kommt eben nicht nur darauf an, die High Potentials für sich zu gewinnen, sondern die Right Potentials", sagt Marketingexperte Professor Franz-Rudolf Esch. „Mitarbeiter, die stolz sind, für ein bestimmtes Unternehmen zu arbeiten." Genau daran hapert es in der Praxis oft noch. Untersuchungen des Marktforschungsinstituts Gallup etwa belegen, dass heute nur noch jeder zehnte Arbeitnehmer eine enge emotionale Bindung an das eigene Unternehmen besitzt. Vor zehn Jahren waren es immerhin noch 16 %. Der gesamtwirtschaftliche Schaden durch Fehltage, Fluktuation und mangelnde Produktivität: rund 100 Mrd. € pro Jahr. Markenkonformes Verhalten ist von solchen Arbeitnehmern kaum zu erwarten. Auch deshalb investieren Unternehmen wie McDonald's ihr Geld mittlerweile in TV-Kampagnen, die jenseits der altbekannten Produktwerbung etwas ganz anderes in den Fokus stellen: die eigenen Mitarbeiter. „Markenführung", sagt Personalvorstand Wolfgang Goebel, „ist bei uns immer auch ein Schnittstellenprojekt von Corporate Affairs und Human Resources." Denn nur zufriedene Mitarbeiter führten auch zu zufriedenen Kunden.

Investition in die Arbeitgebermarke

Unternehmen, die wie McDonald‘s in ihre Arbeitgebermarke investieren, betreiben eine „echte Wertschöpfungsmaßnahme", sagt Holger Koch, Geschäftsführer von Trendence, Europas führendem Forschungsinstitut für Personalmarketing und Recruiting. Gerade in Zeiten von Fach- und Führungskräftemangel werde dieses Employer Branding immer wichtiger. „Je heller die Arbeitgebermarke strahlt, desto leichter fällt es auch, die „Die richtigen Mitarbeiter zu rekrutieren." Doch wie wird ein Unternehmen für die Right Potentials attraktiv? Und was unterscheidet die Arbeitgebermarke eigentlich von der Produktmarke? „Relativ wenig", sagt Holger Koch. „Unternehmen, die unsere Rankings als Toparbeitgeber anführen, zählen häufig auch mit ihren Produktmarken zu den erfolgreichsten im Markt." Die kürzeste Geschichte des Employer Brandings sei für ihn deshalb die Erfolgsgeschichte des 911er. „Für Porsche will doch fast jeder gerne arbeiten."

Allerdings kann auch mit weit abstrakteren Angeboten der Sprung unter die Top Ten der beliebtesten Arbeitgeber gelingen. Beim aktuellen Trendence-Ranking für Wirtschaftswissenschaftler landen mit Audi (1), BMW (2), Lufthansa (3) und Porsche (4) zwar sehr konkrete Produkte auf den ersten Plätzen, aber mit PwC (8) und KPMG (9) auch zwei Prüfungs- und Beratungsgesellschaften. Das zeigt: Talentierten Nachwuchskräften kommt es auf mehr an als nur auf ein emotionales Produkt. Auf die Unternehmenskultur, die Internationalität und nicht zuletzt auf die Karrieremöglichkeiten, die ihnen ein Arbeitgeber bietet. „Die Unternehmen können gar nicht klar genug definieren, wen sie suchen", sagt Holger Koch. „Erteilt man Hunderten von Bewerbern eine Absage, hat man möglicherweise auch Hunderte von potenziellen Kunden vergrault."

So greift für eine erfolgreiche Markenführung ein Instrument ins andere - von der Forschung und Entwicklung über die Produktion, die Personalführung, den Vertrieb bis hin zu Werbung und Marketing. Erst das alles zusammen macht eine Marke einzigartig. „Wenn es gelingt, ein unverwechselbares und vertrauenswürdiges Bild vor dem geistigen Auge der Menschen zu erzeugen", sagt PwC-Expertin Jutta Menninger, „wirkt eine Marke in vielen Märkten. Neben dem Absatzmarkt im Kapital- und Arbeitsmarkt, ebenso bei Regierungsbehörden und in der öffentlichen Wahrnehmung sozialer Verantwortung."

Glaubwürdigkeit von Unternehmensvorständen

Unternehmen sind eben nicht nur Arbeitgeber, Waren- oder Dienstleistungslieferant, sondern Teil der Gesellschaft. Sie agieren in einem sozialen Kontext, weshalb Maßnahmen im Bereich Corporate Citizenship immer stärker darüber entscheiden, wie ein Konzern wahrgenommen wird. „Wer seine gesellschaftliche Akzeptanz verliert, dem droht am langen Ende der Verlust seiner Geschäftsgrundlage", sagt Alwin Fitting, Personalvorstand und verantwortlich für Corporate Responsibility und Umweltschutz beim Energiekonzern RWE. Es erfüllt deshalb weit mehr als nur eine Alibifunktion, wenn etwa die Telekom in doppelseitigen Zeitungsanzeigen zum Jahreswechsel ihre „guten Vorsätze für 2011" so zusammenfasst: „Verantwortung übernehmen. Für unsere Umwelt, unsere Gesellschaft, unseren Planeten." Solche vertrauensbildenden Maßnahmen sind wichtig - heute sogar wichtiger denn je. Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise hat das Ansehen der Unternehmenslenker mächtig gelitten, vor allem in Deutschland. Die Ergebnisse des Edelman Trust Barometers, einer Umfrage unter knapp 5.000 Meinungsführern in 22 Ländern, dokumentieren einen dramatischen Vertrauensverlust. Nur 22 % der Deutschen halten die Unternehmensvorstände noch für glaubwürdig - der niedrigste Wert, der in allen untersuchten Ländern gemessen wurde. Damit steht nicht nur die Reputation der Manager infrage, sondern auch die der Marken, die sie repräsentieren.

Ohne Resonanz bleibt die Skepsis in den Chefetagen deutscher Konzerne nicht, im Gegenteil: „Unternehmen und Manager - gerade in der Finanzbranche - sind auf Vertrauen angewiesen", sagt etwa Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann. Gemeinsam mit anderen Spitzenmanagern stellte er im November eine Initiative vor, die Unternehmen darauf verpflichten soll, Gewinne ohne Korruption, Ausbeutung und Umweltschäden zu erwirtschaften. Das Who‘s who der deutschen Wirtschaft trägt die Initiative mit. „Wenn die Menschen uns nicht mehr als Vorbilder wahrnehmen", sagt Initiator und Ehrenvorsitzender der BASF, Jürgen Strube, „leidet das Vertrauen in unser Wirtschaftssystem und letztlich in die Demokratie." Große Worte, aber um nicht weniger geht es.

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