Strategie & Management

Biotreibstoffe entwickeln sich zum globalen Markt

29.09.2011 -

Biotreibstoffe entwickeln sich zum globalen Markt

Steigende Öl- und Gaspreise, die Belebung ländlicher Räume, der Wunsch nach Energiesicherung – all dies sind Ursachen für den rasanten Aufstieg der Biotreibstoffe. Viel bestimmender für die Entwicklung der Bioethanol- und Biodieselmärkte sind derzeit allerdings die staatlichen Fördermaßnahmen und Zielvorgaben: Regierungen rund um den Erdball haben sich den Einsatz von Biotreibstoffen auf die Agenda geschrieben und treiben sie unterschiedlich voran. Wie sich das politische Feld entwickelt, welche Rolle Globalisierung spielt und wer das Zeug zum Branchenführer hat, untersucht eine aktuelle Studie von Accenture.

Staatliche Bemühungen um Biotreibstoffe haben vor allem zwei Effekte: Zweifelsfrei treiben sie die Marktentwicklung an. So sieht beispielsweise die EU vor, dass bis zum Jahr 2010 der Kraftstoffverbrauch zu 5,75 % durch Biotreibstoffe gedeckt werden soll. In Deutschland beträgt die Quote zur Beimischung von Biodiesel zu normalem Diesel 5 %. Benzin muss 2 % biogenen Treibstoff enthalten. Ab 2010 soll dieser Anteil auf 3 % erhöht werden. Die deutsche Biodieselindustrie ist mit 5 Mio. t Produktionskapazitäten und verkauften 2,8 Mio. t Biodiesel 2006 die größte weltweit. Brasilien ist Marktführer bei Bioethanol.

Gleichzeitig führen die nationalen Interessen in der Energiesicherung, der Senkung des CO2-Ausstoßes oder der Förderung der Landwirtschaft jedoch zu sehr unterschiedlichen Bedingungen. Importzölle, Subventionen, Besteuerung und Zielvorgaben werden individuell gestaltet. Die Märkte für Biodiesel und Bioethanol sind daher – noch – stark regional geprägt.

Internationalisierung bis 2012

Innerhalb der nächsten fünf Jahre wird jedoch ein globaler Markt für Biotreibstoffe entstehen. Zu diesem Schluss kommt Accenture in einer Analyse der Bioethanol- und Biodieselmärkte in 20 Ländern, in die zahlreiche Interviews mit Verantwortlichen von Regierungen, Ölindustrie, Agrarwirtschaft sowie Forschungsinstituten eingeflossen sind.

Schon heute ist demnach die Internationalisierung der Märkte zu beobachten, wenngleich sie regional verschieden und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit fortschreitet (s. Grafik 1). So importiert z. B. Deutschland Biodiesel oder Biodieselrohstoffe aus Österreich, Argentinien, Tschechien, der Slowakei, Polen und Kanada. Der Bioethanolmarkt ist bereits stark international geprägt. Brasilien exportiert signifikante Mengen Bioethanol in die USA, nach Japan und in die EU. Frankreich exportiert Bioethanol nach Japan. Thailand, Spanien, Polen, die Ukraine, Nigeria und Argentinien planen ebenfalls die Produktion von Bioethanol für den Export.

Wer werden die Marktführer der Zukunft?

Es zeichnet sich ab, dass der zukünftige, globale Biotreibstoffmarkt von wenigen Großkonzernen bestimmt wird. Noch ist nicht abzusehen, aus welchen Bereichen diese Konzerne kommen. Gut positioniert sind unter anderem Unternehmen aus der Agrarindustrie wie z. B. Archer Daniels Midland Comp. (ADM). ADM ist der größte Hersteller von Bioethanol in den USA sowie führender Produzent von Biodiesel in Europa.

Nationale Ölkonzerne liegen ebenfalls gut im Rennen, darunter die brasilianische Petrobas, die 70 % des heimischen Bioethanol-Marktes kontrolliert. Auch internationale Ölkonzerne haben mit ihren Tankstellennetzwerken sowie starker Marketing- und Distributionskanäle gute Voraussetzungen, zu den Marktführern zu gehören. Weitere Kandidaten kommen aus der Gruppe unabhängiger Anbieter, der Independents, die sich 100 %-ig auf Biotreibstoffe fokussieren und bei privaten Investoren als sehr attraktive Kapitalanlagen gelten. Prominente Vertreter sind Biopetrol Industries, AS Alliance Biofuels und Tereos.

Konsolidierung als Folge der gegenwärtigen Biodiesel-Krise

Die derzeitige Krise der deutschen Biodieselindustrie zeigt anschaulich und möglicherweise exemplarisch, wie die nationale Gesetzgebung die regionalen Märkte beeinflusst und die Entstehung des globalen Marktes flankiert. Das im August vergangenen Jahres verabschiedete Energiesteuergesetz sieht den schrittweisen Abbau der Steuervorteile für Biodiesel bis zum Jahr 2012 vor. Biodiesel war bis dato komplett steuerfrei. Nun müssen die Hersteller pro verkauften Liter Biodiesel neun Cent an den Staat abführen. Ab 2008 geht es in jährlichen Sechs- Cent-Schritten weiter bis auf 45 Cent und damit auf das Niveau der Mineralölsteuer.

Das verringert den bisherigen Kostenvorteil für Biodiesel drastisch, was die Nachfrage nach Biodiesel beeinträchtigen könnte. Aufgrund von Überkapazitäten würde dann eine entsprechende Branchenkonsolidierung einsetzen – es sei denn, die Branche kann sich durch verstärkte Exportaktivitäten stabilisieren. Laut Branchenverbänden sind 43 von 48 Unternehmen stark von den geplanten Steuererhöhungen betroffen. Nur die fünf größten Produzenten gelten als nicht gefährdet.

Größter Unsicherheitsfaktor: Welche Technologie, welcher Rohstoff?

Noch ist die Technologie größter Unsicherheitsfaktor der sich entwickelnden globalen Biokraftstoff-Industrie. Denn bislang ist nicht klar, auf welchen Rohstoff sie am meisten setzen soll. Bei der Herstellung von Bioethanol schneidet Zuckerrohr bezüglich der Rohstoff- und Produktionskosten, Energiebilanz, und des Ertrages am besten ab. Die Produktion von Ethanol auf Zuckerrohrbasis wird daher auch in Zukunft konkurrenzfähig bleiben. Schätzungen zufolge könnte die Produktion von Zuckerrohr weltweit so ausgedehnt werden, dass 10 % des weltweiten Benzinverbrauches durch aus Zuckerrohr gewonnenem Ethanol ersetzt werden könnte.

Bei Biodiesel gehen die Meinungen dagegen auseinander. Der Gebrauch von konventionellen Rohstoffen wie Rapsöl oder Sojaöl wird kontrovers diskutiert, da es sich um Nahrungsmittelpflanzen handelt. Gegen die Nutzung von Palmöl spricht die für Ölplantagen notwendige Abholzung von Regenwäldern.

Immer stärker rückt Jatropha, eine hierzulande relativ unbekannte Pflanze, in den Mittelpunkt des Interesses. Jatropha gedeiht auf nahezu sämtlichen Bodenarten und hat einen sehr geringen Wasserbedarf. Entsprechend sind viele aride Zonen am Anbau interessiert, allen voran fördert Indien den Jatropha- Anbau. BP und D1 Oils haben kürzlich ein Joint Venture zum Anbau von Jatropha zur Produktion von Biodiesel für den europäischen Markt beschlossen. Innerhalb der kommenden fünf Jahre sollen 160 Mio. US-$ in verschiedene Anbauprojekte in Indien, Südostasien und dem südlichen Afrika investiert werden. In verschiedenen afrikanischen Staaten wie Kamerun, Malawi, Südafrika oder Madagaskar wird der Anbau von Jatropha zur Biodieselherstellung ebenfalls getestet oder sogar bereits kommerziell betrieben.

In der Entwicklung befinden sich biogene Treibstoffe der zweiten Generation wie Lignozellulose- Ethanol. Sie könnten an Bedeutung gewinnen, zumal die Biotreibstoffe der ersten Generation in der aktuellen Diskussion an Ansehen verlieren: Aktuelle Studien zweifeln ihren Beitrag zur Schutz vor dem Treibhauseffekt an. Ferner gerät die exzessive Nutzung von Nahrungsmittelpflanzen als Kraftstoff zunehmend in die Kritik.

Ausblick

Biotreibstoffe werden einen festen Platz im Treibstoffmix einnehmen. Für den Straßenverkehr liegt der Anteil von Biotreibstoffen bei 1 % weltweit. Nach Angaben der International Energy Agency wird er langfristig um die 8 % betragen, in hoch industrialisierten Regionen wie den USA und der EU zwischen 10 und 15 %.

Es besteht also noch starkes Wachstumspotential. Der Boom, den der Markt für Biotreibstoffe derzeit erfährt, wird sich langfristig jedoch nicht fortsetzen. Dazu unterliegt diese noch relativ junge Branche zu vielen Einflussfaktoren und Unwägbarkeiten, was man am Beispiel der deutschen Biodieselindustrie gerade verfolgen kann.

Es bedarf ganzheitlicher Konzepte, um sich innerhalb des risikobehafteten Biotreibstoffmarktes behaupten zu können. Diese müssen ein Finanzierungskonzept, ein diversifiziertes Technologieportfolio, Kooperationspartnerschaften zur Minderung von Markt- und Finanzierungsrisiken sowie ein durch Terminhandel gestütztes Risikomanagement umfassen. Außerdem gilt es, die Lieferketten für die Rohstoffe zu optimieren und ein geeignetes Distributionssystem für die Biotreibstoff zu errichten. Kundenportfolios sollten über mittel- oder langfristige bilaterale Verträge abgesichert werden. Die Berücksichtigung diese Kriterien wird dazu beitragen, als starker Anbieter im globalen Markt für Biotreibstoffe hervorzugehen.