Strategie & Management

Perspektiven der globalen Energieversorgung

Mehr Menschen, mehr Wohlstand, mehr Energie

25.11.2010 -

Es ist keine zehn Jahre her, da kostete das Barrel Rohöl 10 US-$. Das englische Wirtschaftsmagazin „The Economist" titelte in jenen Tagen „Drowning in Oil" - „Wir ertrinken im Öl". Aktuell erreicht der Ölpreis neue Rekordstände. Dies zeigt einmal mehr, dass sich die Rahmenbedingungen der globalen Energieversorgung innerhalb weniger Jahre tief greifend und nachhaltig verändert haben. Gleichzeitig rückt das Thema Klimaschutz immer weiter in den Vordergrund. Bei Shell sprechen wir in diesem Zusammenhang von „energy challenge" - der großen Herausforderung, dem Klimaschutz Rechnung zu tragen und gleichzeitig die Energieversorgung zu sichern.

Die Zukunft der weltweiten Energieversorgung wird von großen Herausforderungen geprägt. Shell sieht hier insbesondere „drei harte Wahrheiten":
Erstens, die globale Nachfrage nach Energie beschleunigt sich. Sie wächst nicht nur, sondern sie beschleunigt sich auch. Der Hauptgrund liegt darin, dass Länder wie China und Indien in die intensive Phase ihres Energiewachstums eintreten.

Zweitens, eine Sicherstellung der Versorgung mit ausreichenden Mengen an konventionellem Öl und Gas wird schwieriger und wird nicht nur sehr hohe Investitionen und Anwendungen neuer Technologien benötigen, sondern wird auch zunehmend zu einem politischen Faktor.
Und drittens, die Vorherrschaft von fossilen Brennstoffen in der Primärenergieversorgung kann zu höheren, für die Gesellschaft nicht akzeptablen, CO2-Emissionen führen, wenn nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Energiebedarf steigt

Bei einer näheren Betrachtung der ersten „Wahrheit", sieht man, dass der Verbrauch von Energie im Jahre 2050 mindestens zweimal so groß sein könnte wie heute. Hauptursachen sind einerseits das Bevölkerungswachstum und andererseits die wirtschaftliche Entwicklung und wachsender Wohlstand.
Vor allem China und Indien kommen in eine Phase des stark ansteigenden Energieverbrauchs. Von 1990 bis heute hat sich die chinesische Wirtschaftsleistung verdoppelt, das Energiewachstum lag allerdings nur bei 15%. Dieses Verhältnis kehrt sich nun um. Wenn Menschen ihr erstes Fernsehgerät, Motorrad oder Auto kaufen, benötigen sie auch ein Vielfaches an Energie.

Was hier in Zukunft zu erwarten ist, zeigt ein Vergleich: In den letzten 60 Jahren Wohlstand in Deutschland wuchs der Auto-Bestand auf ungefähr 46 Mio. Autos (ca. 560Pkw/1000Einwohner). In China sind heute erst 40 Mio. Kraftfahrzeuge auf der Straße, das sind 30 pro 1000 Personen. Allerdings wird bis 2020 eine Zahl von 150 Mio. Autos (ca. 120 Pkw/1000 Einwohner) erwartet. Eine Verdreifachung der deutschen Auto-Anzahl innerhalb weniger Jahre. Der Trend ist klar: mehr Menschen, mehr Wohlstand, mehr Energiebedarf.

Versorgungssicherheit gewährleisten

Die zweite „harte Wahrheit" betrifft die Herausforderung, eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Zunächst ist festzuhalten, dass grundsätzlich für die kommenden Jahrzehnte ausreichende Energieressourcen vorhanden sind. Die sog. „proven reserves" liegen bei 42 Jahre für Erdöl, 64 Jahre für Erdgas und 155 Jahre für Kohle. Die weitere Erschließung erfordert aber große technologische Anstrengungen und hohe Investitionen, um mit dem wachsenden Verbrauch Schritt zu halten. Viele der neuen Energievorkommen sind schwierig zu erschließen und schwer zugänglich, z.B. in der Tiefsee. Große Vorräte sind zwar in Ölsanden und anderen unkonventionellen Lagerstätten vorhanden, doch sind auch diese schwierig zu produzieren und eine Erschließung weist sehr hohe Kosten auf.

Ein potentiell größeres Risiko der Versorgungssicherheit bildet aber die geopolitische Entwicklungen, z.B. in Venezuela, Russland, Algerien oder Kasachstan. Und dieses Risiko ist höher als die bloße geologische Verfügbarkeit von Ressourcen. Der weit überwiegende Teil der Energieressourcen liegt in politisch instabilen Regionen und in staatlich kontrollierten Händen. Shell gehört zwar zu den größten Energieunternehmen der Welt, der Anteil von Shell an der weltweiten Versorgung mit Öl und Gas beträgt aber weniger als 3%.

Vom Standpunkt der Versorgungssicherheit aus gesehen ist es daher erforderlich, den globalen Energiemix so schnell als möglich zu erweitern, einschließlich unkonventionellem Öl und Gas, erneuerbaren Energieformen und alternativen Kraftstoffen.

CO2-Emissionen einschränken

Die dritte harte Wahrheit betrifft die steigenden Emissionen von Treibhausgasen. Der Grund für das schnellere Wachstum der CO2-Emissionen ist ein steigender Gebrauch von kohlenstoffhaltigen Brennstoffen wie Kohle. Alleine im letzten Jahr wurden in China etwa 30 neue Kohlekraftwerke in Betrieb genommen, d.h. etwa jede zweite Woche kommt ein neues Kraftwerk hinzu. Das ist eine jährliche Zunahme von 50 GW, im Ausmaß etwa der Gesamtverbrauch von Großbritannien.

Die Weiterentwicklung der Technologie der Kohlevergasung sowie Trennung und Speicherung von Kohlenstoff sind daher von großer Bedeutung im globalen Kampf gegen Treibhausgase. Diese Technologie der geologischen Speicherung von CO2, also das Abspalten von Kohlendioxid und dessen unterirdische Lagerung, ist bereits technisch möglich und wird praktiziert. Shell ist an dem ersten europäischen onshore-Forschungsprojekt dieser CCS-Technologie beteiligt.

Nach Ansicht von Experten kann CCS unter bestimmten Voraussetzungen eine wichtige Brückenfunktion bei der Lösung der globalen Klimaproblematik leisten. Auch die Bundesregierung hat das Potential erkannt und will zügig den rechtlichen Rahmen für CCS in Deutschland schaffen.
Solche stabilen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen sind entscheidend für unternehmerische Investitionen in die Reduktion von CO2.

Erneuerbare Energien ausbauen

Der Anteil von erneuerbaren Energieformen am globalen Primärenergiebedarf beträgt derzeit 1-2%. Ein Ausbau auf ungefähr 30% der Primärenergie bis zum Jahr 2050 ist jedoch möglich.

Zukunftsweisende Innovationen bestehen vor allem auf vier Feldern: Bei der Wind- und Sonnenenergie, bei der Wasserstoff-Technologie und bei den Biokraftstoffen der zweiten Generation. Ziel von Shell ist es, mindestens eine dieser Technologien langfristig zu einem substantiellen Geschäft auszubauen.

Shell befasst sich seit Jahren mit der Windenergie und ist einer der größten Betreiber von Windparks weltweit. Allein der im Oktober 2006 in Betrieb genommene Offshore-Windpark Egmond Aan Zee in Holland liefert sauberen Strom für mehr als 100.000 Haushalte und spart jährlich ca. 140.000t an CO2-Emissionen. Ein weiteres Projekt ist der Windpark London Array, an dem Shell zu 50% beteiligt ist. Hier wird der weltgrößte Windpark entstehen, mit allein 1000 MW.
Bei der Wasserstoff-Technologie ist das Ziel, Wasserstoff aus dem industriellen Umfeld heraus an die Tankstellen zu bringen. Shell betreibt bereits Wasserstoff-Tankstellen in Europa, USA und Japan und weitere Projekte sind in Vorbereitung.

Solarenergie ist derzeit noch sehr kostenintensiv und nur aufgrund hoher Förderungen realisierbar. Eine Hoffnung bei der Photovoltaik bilden die neuen Dünnschichttechnologien. Diese CIS genannte Technologie benötigt 100 Mal weniger Rohmaterial als die heutigen Siliziumkristall-Module. Avancis, ein Joint Venture von Shell und St. Gobain, errichtet derzeit eine erste Produktionsstätte für Solarpaneele mit dieser neuen Technologie in Sachsen.

Der vierte Bereich sind die Biokraftstoffe. Shell ist weltweit größter Vermarkter von Biokraftstoffen der ersten Generation. Allerdings werden viele dieser Kraftstoffe derzeit noch aus Pflanzen wie Mais, Zuckerrohr oder Raps hergestellt und damit aus Nahrungsmittelpflanzen. Sehr viel mehr kann durch den Einsatz von Biokraftstoffen der zweiten Generation erreicht werden. Diese werden aus Pflanzenresten gewonnen, somit besteht keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und sie erreichen einen entschieden höheren Hektarertrag.

Shell war eines der ersten Energieunternehmen, das in Biokraftstoffe der zweiten Generation investiert hat, die eine CO2-Reduktion von bis zu 90% aufweisen.
Seit 2002 ist Shell an Iogen beteiligt, einem Unternehmen, das mit einem neuartigen enzymatischen Verfahren aus Stroh Ethanol herstellen kann. Zudem ist Shell an Choren beteiligt. Hier wird gerade in Deutschland die erste kommerzielle Demonstrationsanlage errichtet, zur Herstellung von BTL-Kraftstoff aus Holzabfällen.

Herausforderung technologieoffen annehmen

Die Herausforderungen an die Industrie, Politik und die Gesellschaft sind eindeutig. Jedoch gibt es keine magische Lösung, keine „silver bullet" wie man im Englischen sagt. Für Shell ist der Lösungsansatz ein Dreiklang aus Effizienzsteigerung, dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Weiterentwicklung der fossilen Energieträger.

Die genannten harten Wahrheiten weisen auf eine Periode tief greifender Veränderungen bis 2050 hin, in der viele neue Ideen und Lösungsansätze erforscht und getestet wer-den müssen, wobei eine Kosten-/Nutzen-Analyse zwingend als Entscheidungskriterium herangezogen werden sollte. Die Regierungen müssen zudem geeignete und vor allem technologieoffene Regelungen schaffen, die das Erreichen der Reduktionsziele unterstützen.

Die Größe der Herausforderung für unsere Gesellschaft heißt auch, im Einklang zu handeln um erfolgreich zu sein. Und angesichts des langen Zeithorizonts im Energiegeschäft, muss heute gehandelt werden, um die richtigen Maßnahmen für den Klimaschutz zu treffen und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

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