Strategie & Management

Rohrreaktoren für die Pharmaproduktion

Kontinuierliche Reaktionsprozesse bei pharmazeutischen Herstellungsverfahren nutzen auch Patienten

18.05.2015 -

Der Kostendruck auf Chemie- und Pharmaindustrie in Europa nimmt stetig zu. Vielfach führen die hohen Kosten in Europa zur Schließung von Produktionsanlagen oder zur Verlagerung der Produktion nach Asien. In der chemischen Industrie können durch Prozessoptimierung Kosten gesenkt und so die Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten werden. Aufgrund der Zertifizierung der Prozesse können die Prozesse in der Pharmaindustrie aber nicht ohne weiteres verändert werden. Was folgt, ist die bekannte „Make or Buy"-Entscheidung: Wenn die eigene Herstellung zu teuer ist, ist der günstigere Zukauf das Mittel der Wahl. Es geht aber auch anders! Kontinuierliche Verfahren stellen eine Alternative dar.

Um die einfache Chargenverfolgung während der Produktion zu gewährleisten, ist besonders im Pharmabereich die absatzweise Herstellung Standard. Üblicherweise bestehen Anlagen aus Vorlage- und Trennbehältern mit Kondensatoren, einem Reaktionsteil mit Reaktor und weiteren Vorlagebehältern, ebenfalls mit Kondensatoren und der Aufreinigung mit Destillation, Kristallisation, Filtration und Zentrifugation. Dabei bietet sich die Möglichkeit, Vorprodukte außerhalb der bestehenden Anlage kostengünstig kontinuierlich herzustellen. Dadurch werden Anlagenkapazitäten freigesetzt und bei einigen Vorprodukten ist die Herstellung deutlich günstiger. Aufgrund der kompakten Bauform von kontinuierlichen Rohrreaktoranlagen sind der zusätzliche Platzbedarf und die Investitionskosten gering.

Schneller und sicherer

In kontinuierlichen Anlagen werden nur geringe Volumina gehandhabt, da nur kleine Reaktionsvolumina miteinander reagieren. Ausblaseeinrichtungen und Berstscheiben können demnach klein gehalten werden. Meist ist es sogar möglich, den kompletten Inhalt in ausreichend dimensionierten Behältern zu entspannen und aufzufangen. Dadurch können die Gefahr von Umweltbelastungen und die Risiken für das Bedienpersonal deutlich reduziert bzw. minimiert werden. Diese Vorteile gelten natürlich auch und besonders für die Gruppe der „gefährlichen" Stoffe.

Ein weiterer Vorteil ist, dass bei steigender Nachfrage eine einfache und schnelle Anpassung der Anlagenkapazität (Scale-up) durchgeführt werden kann. Die US-Behörde FDA fördert bereits den Einsatz kontinuierlicher Verfahren bei pharmazeutischen Produktionsverfahren, da die Kostenvorteile letztlich den Patienten zugute kommen. Auch die Europäischen Behörden sind offen für neue innovative Verfahren, solange Produkt- und Prozessparameter definiert und detailliert beschreiben sind.

Bei den „langsamen" Prozessen sind besonders Gas-Flüssig-Systeme interessant, da hier meist der Stoffübergang durch die Grenzflächen die Reaktionsgeschwindigkeit bestimmt. Rohrreaktoren bieten hier die Möglichkeit, bei wesentlich höheren Drücken betrieben werden zu können. Hierdurch löst sich meist wesentlich mehr Gas in der Flüssigphase, die Konzentration steigt und damit die Reaktionsgeschwindigkeit. Da bezogen auf die relativ geringen Volumina großzügig Wandfläche zur Verfügung steht, ist die Wärmeabfuhr auch bei stark exothermen Reaktionen im Allgemeinen kein Problem.

Die Technik im Detail

Die Rohrreaktoranlage besteht aus einem Vorlagebereich, dem Rohrreaktor und einem Entspannungs- und Sammlerteil. Vorher und nachher kann weiter absatzweise gearbeitet werden. Damit kann die Rohrreaktoranlage gut in bestehende Anlagen eingepasst werden.

Im Vorlageteil werden aus Vorratsbehältern flüssige Komponenten in den Rohrreaktor vorgelegt. Wird eine komplette Vorlage verarbeitet, stellt der Inhalt der Vorlagebehälters eine Charge dar. Entweder wird danach auf einen zweiten Behälter umgeschaltet oder es müssen Markierungen zur Chargenidentifizierung verwendet werden. Der gewünschte Druck wird durch eine Blende oder Drossel am Ende des Rohrreaktors gehalten. Gasförmige Komponenten können an einer oder an mehreren Stellen direkt am Rohrreaktor aufgegeben werden. Katalysatoren können auf Trägern, statischen Mischern oder Füllkörpern eingesetzt werden.

Der Rohrreaktor besteht aus mehreren Elementen gleicher Baulänge und kann so auch an veränderte Reaktionsbedingungen leicht angepasst werden. Es können über die Länge optimierte Temperatur und Konzentrationsprofile eingestellt werden. Dadurch ergeben sich viele Möglichkeiten in Bezug auf Selektivität und Umsetzung. Im Entspannungs- und Sammlerbereich wird das Reaktionsvolumen nun wieder entspannt und aufgefangen. Das kann mit einer Quenche, einem Wäscher oder einer Phasentrennung verknüpft werden. Im einfachsten Fall wird das Produkt aufgefangen und steht zur Weiterverarbeitung zur Verfügung.

Fazit

Insgesamt sprechen die Fakten aus der Praxis der kontinuierlichen Prozessführung für sich. Die Vorteile von kleinen Reaktionsvolumina und effizienteren Prozesse bei höheren Temperaturen und Drücken in Rohrreaktoranlagen sind:

  • Geringere Investitionen
  • Erhöhte Sicherheit
  • Weniger Nebenprodukte
  • Reduzierte Abfälle
  • Erhöhte Flexibilität bei Prozessumstellung
  • Einfaches Scale-up

Bei allen Pluspunkten des beschriebenen Verfahrens soll nicht verschwiegen werden, dass die Prozesse natürlich trotzdem zertifiziert werden müssen, was zusätzlichen Aufwand bedeutet. Deswegen sollten bei einer ersten Machbarkeitsstudie „langsame" Prozesse und/oder „gefährliche" Stoffe zuerst betrachtet werden.

Auch wenn eine kontinuierliche Rohrreaktoranlage bei kleinstem Platzbedarf flexibel und vielseitig eingesetzt werden kann, kommt es aber darauf an, dass sie passgenau auf das jeweilige Reaktionssystem zugeschnitten ist. Das heißt, ausgehend vom Stoffsystem und der Fragestellung wird die geeignete Rohrreaktoranlage gemessen. Mit diesen Daten kann eine kontinuierliche Anlage am optimalen Betriebspunkt dimensioniert werden.

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