Forschung & Innovation

Elektrische Bioprozess-Chips

Prozessbegleitende Expressionsanalyse von bioprozessrelevanten Markergenen

08.02.2010 -

Die Genomforschung erlaubt die Identifizierung so genannter Markergene, die als Indikatoren für den physiologischen Zustand von Produktionszellen in einem Bioprozess genutzt werden können. Elektrische Biochip-Verfahren ermöglichen nun die prozessbegleitende Expressionsanalyse dieser Markergene und schaffen somit die Grundlage für eine umfassendere Überwachung von Fermentationsprozessen.

Die industrielle Produktion von technischen Enzymen oder Pharmaproteinen mithilfe von mikrobiellen Expressionswirten stellt einen zentralen Aspekt der modernen „Weißen Biotechnologie" dar. Der erfolgreiche Ausgang dieser Bioprozesse hängt maßgeblich von der Produktivität und somit von der Physiologie des Produktionswirtes ab. Deshalb ist es erforderlich, den Fermentationsprozess zu überwachen und so zu steuern, dass optimale Produktionsbedingungen eingestellt und aufrechterhalten werden können. Dies erfolgt heutzutage vor allem auf der Grundlage von physikalischen und chemischen Parametern (bspw. pH-Wert, Temperatur, Sauerstoffpartialdruck, Abgaszusammensetzung oder Mediumkomponenten) die kontinuierlich gemessen und entsprechend den Anforderungen reguliert werden. Anhand dieser Prozessgrößen können allerdings nur indirekte Rückschlüsse auf den physiologischen Status des Produktionswirtes gezogen werden. Eine direkte und schnelle Analyse der Wirtsphysiologie würde daher eine verbesserte Überwachung und Steuerung von industriellen Fermentationsprozessen gewährleisten.

Bioprozessrelevante Markergene

Die etablierten Methoden der Transkriptom- und Proteomanalysen erlauben einen nahezu umfassenden Einblick in die Physiologie des Expressionswirtes unter Produktionsbedingungen. Durch die Kombination dieser Techniken kann die Gesamtheit der Gene betrachtet werden, die durch unterschiedliche Umweltsignale reguliert werden und ermöglicht somit die Identifizierung von bioprozessrelevanten Markergenen. Darunter versteht man Gene, die spezifisch auf bestimmte prozesskritische Situationen reagieren, wie Nährstofflimitationen oder physikalische Stresssituationen (bspw. oxidativer Stress, Temperaturstress, pH- oder osmotischer Stress) [1]. Das Expressionsniveau dieser Markergene kann daher als Indikator für den physiologischen Zustand des Wirtes sowie für die Produktivität des Bioprozesses dienen. Eine direkte Kontrolle von Fermentationsprozessen auf Basis von Transkriptom- und Proteomanalysen ist allerdings nicht möglich, da diese Techniken sehr arbeits- und zeitaufwändig sind. Deshalb besteht ein großes Interesse an Methoden, die eine schnelle und prozessbegleitende Expressionsanalyse solcher Markergene ermöglichen, da hierdurch prozesskritische Situationen rechtzeitig erkannt werden können.

Elektrische Biochips

Elektrochemische Detektionsverfahren eröffnen neue Perspektiven für einen schnellen und markierungsfreien Nachweis von Biomolekülen [2]. So wurden auf der Basis von elektrischen Biochips (AJ eBiochip; www.ebiochip.com) Bead-basierte und Array-basierte Formate entwickelt (Abb. 1), welche die Detektion von Nukleinsäuren oder Proteinen innerhalb eines kurzen Zeitraums ermöglichen [3]. Diese Biochips werden in Siliziumtechnologie hergestellt und verfügen über feinste Goldelektroden im Sub-Mikrometerbereich. Die alternierende Anordnung von ineinander greifenden Anoden- und Kathodenfingern ermöglicht die Detektion von Redox-reversiblen Substanzen. Der Nachweis der zu untersuchenden Zielmoleküle basiert auf einer Sandwich-Hybridisierung und der anschließenden elektrochemischen Detektion der Hybride [4].

Der Bead-basierte mRNA-Nachweis (Abb. 1A) nutzt paramagnetische Partikel (Beads) als feste Phase für die Immobilisierung von Gen-spezifischen Fängersonden. Die modifizierten Beads werden mit der Probe in Gegenwart von markierten Detektionssonden hybridisiert. Dadurch wird die nachzuweisende mRNA auf den Beads gebunden und kann anschließend über die Detektionssonde mit einem Enzym markiert und nachgewiesen werden. Dieses Enzym (z. B. alkalische Phosphatase) setzt aus einem geeigneten Substrat das Elektroden-aktive Produkt para-Aminophenol (pAP) frei. Der Bead-freie Reaktionsüberstand wird anschließend über den elektrischen Biochip gepumpt. Hierbei wird pAP an den Elektroden des Biochips über die zyklische Oxidation und Reduktion (Redox-Recycling) amperometrisch detektiert. Der resultierende elektrische Strom, gemessen in Nano-Ampere (nA), dient als direktes Maß für die mRNA-Menge in der Probe [4].

Die Array-basierte mRNA-Detektion (Abb. 1B) nutzt elektrische Biochips mit 16 individuell auslesbaren Elektrodenpositionen (AJ eBiochip GmbH). Die Gen-spezifischen Fängersonden werden direkt auf der Elektrodenoberfläche immobilisiert. Durch die Hybridisierung mit der Probe wird die nachzuweisende mRNA auf den jeweiligen Elektrodenpositionen gebunden. Der Nachweis erfolgt entsprechend der Bead-basierten Methode über ein an die Detektionssonde gekoppeltes Enzym, das das Elektroden-aktive Produkt generiert [3]. Die Array-basierte Detektion ermöglicht die parallele Messung von bis zu 16 verschiedenen Zielmolekülen inklusive Positiv- und Negativkontrollen.

Anwendungsbeispiele

Mithilfe der vorgestellten elektrischen Biochip-Formate konnte eine direkte und prozessbegleitende Analyse von bioprozessrelevanten Markergenen realisiert werden. So wurde die Bead-basierte mRNA-Detektion beispielsweise für die Expressionsanalyse von bioprozessrelevanten Markergenen einer industrienahen Bacillus subtilis Fermentation eingesetzt [5]. Durch die Optimierung und deutliche Verkürzung des Protokolls ist nun ein prozessnaher spezifischer mRNA-Nachweis, ausgehend von isolierten Gesamt-RNA-Proben einer Bakterienkultur, möglich [6]. Abb. 2 zeigt am Beispiel einer Phosphat-limitierten Bacillus licheniformis-Fermentationskultur den Nachweis eines entsprechenden Markergens. Mithilfe eines Bead-basierten Pipettierroboters (z. B. „MagRo 8-M robotic workstation", Bio-Nobile Oy; kann eine automatische, elektrochemische Detektion von bis zu acht mRNA-Molekülen einer RNA-Probe innerhalb von einer Stunde durchgeführt werden [7]. Dadurch wurde die Grundlage für eine kontinuierliche Analyse der Expression prozesskritischer Gene während einer Fermentation geschaffen. Ein solches Verfahren könnte in naher Zukunft als ein kontinuierliches Alarm- und Regulationssystem in der Bioprozesskontrolle eingesetzt werden, um prozessnah steuernd in den laufenden Prozess eingreifen zu können (Abb. 3).

Auch die Array-basierte Technik ermöglicht eine mRNA-Detektion innerhalb von etwa einer Stunde [7]. Allerdings ist vor der automatischen Messung der Array-Chips derzeit noch eine kurze manuelle Probenvorbereitung notwendig. Daher eignet sich dieser Ansatz beispielsweise für die Überprüfung von Einzelproben während einer Fermentation oder für die Kontrolle von Vorkulturen. Das Ziel ist, durch weiterführende Optimierungen und die Automation der Probenvorbereitung eine weitere Verkürzung der mRNA-Detektionszeit zu erreichen (Abb. 3).

Mithilfe von geeigneten Fänger- und Detektionsmolekülen können sowohl mit der Bead- als auch mit der Array-basierten Methode neben Nukleinsäuren auch Proteine, Antikörper, Haptene oder ganze Zellen nachgewiesen werden. Daher ist die elektrische Biochip-Technologie nicht nur für die prozessbegleitende Kontrolle der Physiologie von Produktionszellen, sondern auch für die Überwachung der Produktbildung und für die Qualitätskontrolle geeignet. Weitere potentielle Einsatzgebiete sind die Lebensmittelindustrie oder die medizinische Diagnostik.

Referenzen
[1] Schweder T. und Hecker M.: Adv. Biochem. Eng. Biotechnol. 89, 47-71 (2004)
[2] Pioch D. et al.: Appl. Microb. Biotechnol. 80, 953-963 (2008)
[3] Albers J. et al.: Anal. Bioanal. Chem. 377, 521-527 (2003)
[4] Gabig-Ciminska M. et al.: Biosens. Bioelectron. 19, 537-546 (2004)
[5] Jürgen B. et al.: Biotechnol. Bioeng. 92, 299-307 (2005)
[6] Pioch D. et al.: Appl. Microb. Biotechnol. 78, 719-728 (2008)
[7] Pioch D.: Dissertation (2008)

 

Kontakt

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