Forschung & Innovation

Forschen für einen Cholera-Impfstoff

Ein neuer Ansatz auf der Basis von Aussenmembranvesikeln

08.02.2010 -

Aktuelle Ausbrüche der Cholera, rücken diese akute, weltweit verbreitete Infektionskrankheit des menschlichen Darmes wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Durch die Entwicklung einer Rehydrierungstherapie konnte die Todesrate in den letzten 20 Jahren erheblich gesenkt werden. Doch der Therapie sind gerade in Gebieten mit schlechter Infrastruktur und bei unerwarteten, sich explosionsartig verbreitenden Ausbrüchen Grenzen gesetzt. Studien an Aussenmembranvesikeln (AMVs) als Basis für einen Impfstoff geben Hoffnung auf ein preiswertes, stabiles und effektives Vakzin.

Cholera - ein kurzer Einblick


Verursacht wird Cholera durch das motile, komma-förmige, Gram-negative Bakterium Vibrio cholerae (Abb. 1). Zu den charakteristischen Symptomen zählt neben anfänglicher Übelkeit und Erbrechen vor allem eine akute sekretorische Diarrhö. Als fakultativ human-pathogenes Bakterium kann V. cholerae in zwei sehr unterschiedlichen Umgebungen überleben: als Krankheitserreger im menschlichen Darm und als Bewohner des aquatischen Ökosystems.
Die Infektion erfolgt oral über kontaminiertes Wasser oder Lebensmittel. Die Bakterien, welche die Magenpassage überleben, besiedeln das mukosale Dünndarmepithel und vermehren sich dort explosionsartig. Das Choleratoxin löst in den Darmzellen ein Öffnen der Ionenkanäle aus, woraufhin Elektrolyte und Wasser ins Darmlumen fließen und über den Stuhl ausgeschieden werden. Der massive Flüssigkeitsverlust von bis zu 20 l pro Tag führt sehr schnell zu Dehydrierung, Muskelkrämpfen, Schock und Organversagen. Unbehandelt kann die Letalitätsrate bei bis zu 50 % liegen. Mit der beginnenden Diarrhö verlassen auch zahlreiche Cholerabakterien in einem hochinfektiösen Zustand den Wirt. Infolgedessen kann es schnell zu neuen Infektionen und Epidemien kommen, wenn keine ausreichenden hygienischen Maßnahmen ergriffen werden.

Cholera - heute noch ein Problem?

Ursprünglich im Gebiet um das Ganges-Delta beheimatet, verbreitete sich die Cholera zu Beginn des 19. Jhrdts ausgehend von Indien in die ganze Welt. Durch Verbesserung der hygienischen Bedingungen und der medizinischen Versorgung konnte Cholera aus den Industrieländern weitgehend verdrängt werden. Neben den typischen saisonalen Ausbrüchen im südost-asiatischen Raum, sind heute vor allem Länder der Dritten Welt betroffen, da es dort nur mangelhaft ausgebaute oder keine getrennten Trink- und Abwassersysteme gibt. Besonders anfällig sind Flüchtlings-Lager nach Naturkatastrophen oder während kriegerischer Interventionen, wie die aktuelle Lage in Simbabwe veranschaulicht.

Die WHO berichtet offiziell von etwa 150.000 Cholera Fällen jährlich. Viele Länder melden jedoch keine Cholerafälle, meist aus Angst vor ökonomischen Konsequenzen. Die wahre Anzahl der Fälle wird daher auf 3-5 Millionen pro Jahr geschätzt. Die Behandlung der Cholerapatienten findet meist durch orale oder intravenöse Verabreichung von Rehydrierungslösungen statt, manchmal wird die Therapie durch Antibiotika unterstützt. Bei raschem Therapiebeginn kann die Letalitätsrate auf unter 1 % gesenkt werden. Die Verfügbarkeit der Rehydrierungslösung und der Einsatz von medizinisch geschultem Personal sind indes bei unerwarteten Ausbrüchen oder sich schnell ausbreitenden Epidemien häufig nicht gegeben. Daher gilt: Prävention ist besser als Therapie! Von den bislang entwickelten Impfstoffen ist derzeit nur Dukoral international zugelassen. Das Vakzin scheint über einen kurzen Zeitraum hervorragenden Schutz zu bieten und zeigt sogar Kreuzprotektion gegen ETEC. Von Nachteil ist allerdings, dass 2 bis 3 Impfdosen nötig sind und für langfristigen Schutz alle 2 Jahre eine Auffrischung erforderlich ist. Die Notwendigkeit einer kühlen Lagerung und der relativ hohe Preis von bis zu 5 € pro Dosis stellen immense wirtschaftliche und logistische Probleme für den Einsatz in Entwicklungsländern dar. Aus diesem Grund wird dieser Impfstoff gegenwärtig nur als Reiseschutzimpfung für Touristen verwendet. Derzeit ist kein Impfstoff für Kinder unter 2 Jahren zugelassen, obwohl gerade diese zur Risikogruppe gehören. Ein preiswerter Impfstoff, welcher in den betroffenen Ländern flächendeckend eingesetzt werden kann und sich auch für Kleinkinder eignet, ist dringend erforderlich.

Ein neuer Cholera-Impfstoff auf der Basis von AMVs


Die Nutzung von AMVs könnte neue Möglichkeiten in der Entwicklung von Impfstoffen eröffnen. AMVs sind Vesikel, die sich von der Außenmembran (AM) vieler Gram-negativer Bakterien abschnüren und hauptsächlich aus Komponenten der AM wie Phospholipiden, Proteinen und Lipopolysacchariden (LPS) bestehen, aber auch Bestandteile des Periplasmas enthalten können (Abb. 2). AMVs scheinen wichtige biologische Aufgaben zu erfüllen. Bislang konnte eine Funktion beim Transport von Pathogenitätsfaktoren, Signalmolekülen oder DNA, sowie beim Schutz gegenüber antimikrobiellen Substanzen nachgewiesen werden. Weiterhin können AMVs ein wesentlicher Bestandteil der Biofilm-Matrix sein. Im Fall von V. cholerae ist bislang nur deren Existenz, aber keinerlei Funktion bekannt.

Aber was macht AMVs als Basis für einen Impfstoff interessant? Da AMVs vor allem aus Komponenten der AM bestehen, enthalten sie Antigene, die bei einer Infektion vom Immunsystem früh erkannt werden. Die Bestandteile der Bakterienoberfläche wie Fimbrien, Flagellen, Pili, Porine oder LPS sind hoch immunogen und können zudem als Adjuvanz wirken. Gegen Meningokokken-Infektionen wurden bereits zwei Impfstoffe auf der Basis vom AMVs entwickelt und erfolgreich zur Bekämpfung von Epidemien eingesetzt.

Ermutigt durch die positiven Ergebnisse bei Meningokokken untersuchten wir, ob ein AMV-Impfstoff auch gegen Cholera einsetzbar wäre. Ein relativ einfaches und kostengünstiges Verfahren basierend auf Filtration und Zentrifugation wurde zur Aufreingung von AMVs aus V. cholerae Kulturüberständen entwickelt. Langzeitexperimente belegen, dass für die Aufbewahrung der gereinigten AMVs in einfacher Pufferlösung keine Kühlung notwendig ist. Um die immunogene Wirksamkeit der AMVs von V. cholerae nachzuweisen, wurden weibliche Mäuse mit gereinigten AMVs intranasal und oral immunisiert. Der ersten Immunisierung folgten zwei Auffrischungen in 14-tägigem Abstand. Bereits während dieser Periode konnte ein deutlicher Anstieg der Antikörper-Titer gegen AMVs festgestellt werden (Abb. 3). Insgesamt gesehen war die Immunantwort äußerst stabil. Bis zum Ende des Experiments, etwa 3 Monate nach der letzten Impfung, wurde kein signifikanter Abfall in der erzeugten Gesamtimmunantwort beobachtet.

Ein hoher IgA-Titer in den Fekalpellets der immuniserten Mäuse weist auf die enormen Mengen an sekretiertem IgA im Darm hin, dem eigentlichen Kolonisierungsort von V. cholerae. Eine aktuelle Studie in Bangladesh verdeutlicht, dass gerade der IgA-Titer als Marker für eine Protektion gegen Cholera geeignet ist.

Da sich adulte Mäuse kaum mit V. cholerae kolonisieren lassen, werden für in vivo Studien neugeborene Mäusen herangezogen. Um herauszufinden, inwieweit die Immunisierung vor einer Kolonisierung mit V. cholerae schützt, wurden die immunisierten weiblichen Mäuse gepaart und die Nachkommen mit einer hohen Bakteriendosis infiziert. Im Gegensatz zur nicht immunisierten Kontrollgruppe waren die Nachkommen der oral oder intranasal immunisierten Mäuse wirkungsvoll geschützt (Abb. 4). Die Antikörper werden dabei hauptsächlich nach der Geburt über die Muttermilch an die neugeborenen Mäuse weitergegeben. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass bereits 0,025 µg AMVs pro Impfdosis ausreichen, um vollständigen Schutz vor Kolonisierung mit V. cholerae zu erreichen. Dies ist bemerkenswert, da die Konzentration von AMVs im Kulturüberstand bereits 0,002 µg/µl beträgt und die AMVs somit nur unwesentlich aufkonzentriert werden müssen.

Ferner eröffnen AMVs völlig neue Möglichkeiten in der Präsentation heterologer Antigene. Beispielsweise ist es möglich, speziesfremde Proteine in V. cholerae so zu exprimieren, dass diese in die AMVs gelangen. In einem initialen Experiment konnte durch Expression eines Proteins aus Escherichia coli in V. cholerae, der Transport in die AMVs und eine immunogene Wirkung des heterologen Proteins bereits gezeigt werden.

Grundsätzlich haben AMVs das Potential zu einem Impfstoff der Zukunft, möglicherweise nicht nur gegen Cholera. Mit AMVs als Träger von verschiedensten Antigenen könnte es möglich sein auf einfache und damit preiswerte Art und Weise einen Impfstoff mit breitem Wirkungsspektrum herzustellen, der vor mehreren Krankheiten schützt. Dieser Impstoff scheint sowohl in der Lagerung, als auch in der Verabreichung unkompliziert zu sein und könnte somit auch in Entwicklungsländern flächendeckend angewendet werden. Mit der Patentierung des AMV-Impfstoffes gegen Cholera ist ein erster Schritt auf dem noch langem Weg erfolgt. Nun sind wir auf der Suche nach Kooperationspartnern die uns in einer ersten klinischen Studie unterstützen können.

Danksagung:

Ein Großteil der experimentellen Arbeiten wurde im Rahmen eines Postdoc-Aufenthaltes von S. Schild im Labor von A. Camilli an der Tufts Medical School, Boston durchgeführt. A. Camilli ist Mitglied des Howard Hughes Institutes. Das Patent wurde unter der Nummer PCT/US08/879,292 am 8. Oktober 2008 eingereicht und wird in Kürze online verfügbar sein.

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