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Bruno Stefan zieht Reach-Resümee

26.10.2012 -

Bruno Stefan zieht Reach-Resümee

Dr. Bruno Stephan, bis Dezember 2006 Geschäftsführer des Verband Chemiehandel, vertritt seit über 30 Jahren die Interessen der Branche in nationalen und internationalen Gremien. Am 26. Januar 2007 verabschiedet sich der 65-jährige Jurist aus seiner Verbandstätigkeit. Vorab zog er eine Bilanz zur Geschichte der Reach-Verordnung.

Beginnend mit der Veröffentlichung des Weißbuchs zur künftigen europäischen Chemikalienpolitik im Februar 2001 bis zur endgültigen Verabschiedung der Reach-Verordnung im Dezember 2006 hat die Wirtschaft sowohl seitens ihrer klassischen Stufen – Produktion, Groß- und Außenhandel, Einzelhandel – wie auch mit fast all ihren Branchen Lobbyarbeit geleistet wie wohl nie zuvor. Vieles ist erreicht worden, vor allem schon vor der Ausarbeitung des Kommissionsentwurfs vom Oktober 2003 – was freilich fast nur noch die beteiligten Lobbyisten würdigen. Nur sehr wenige dieser Erfolge betrafen die Abwehr von Reach-Pflichten; fast alle dienten der Durchführbarkeit im Interesse aller Beteiligten, insbesondere auch der künftigen Agentur und der nationalen Vollzugsbehörden. Die kostspielige, erneute Erarbeitung von Datenfriedhöfen sollte vermieden werden.

Zu den von der EG-Kommission aufgegriffenen Forderungen der Wirtschaft gehörten z.B. die Vorregistrierung, die Möglichkeit zur Konsortialbildung, die Konzentration auf eine einzige Registrierung für ein- und dieselbe Substanz verschiedener Hersteller und Importeure, Datenanforderungen gemäß Risikobezug anstatt bloßen Mengenbezugs, Verwendungsund Expositionskategorien anstatt individueller Expositionszenarien und vieles andere mehr.

Der von der Kommission vorgelegte Entwurf ist dann in den Grundzügen und wesentlichen Elementen nicht mehr verändert worden! Weder die erste Lesung im Parlament noch der Gemeinsame Standpunkt des Ministerrats vom Dezember 2005 haben strukturelle oder grundlegende Veränderungen gebracht. Und das gilt auch für die soeben abgeschlossene zweite Runde des EG-Gesetzgebungsverfahrens. Doch ist festzustellen, dass in beiden Runden viele Details modifiziert worden sind mit dem Ziel größerer Praktikabilität und dem Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit der eigentlichen Normadressaten.

Einige schwerwiegende Geburtsfehler sind jedoch nicht beseitigt worden: So haben die Verfasser des Verordnungsentwurfs wahrlich mit Scheuklappen gearbeitet – sie haben nicht gewusst und wollten auch gar nicht wissen, worauf die künftige Verordnung hätte aufbauen können und müssen. Nicht einmal die sog. Agenzienrichtlinie 98/24 haben sie anfänglich gesehen und später auch nicht hinreichend berücksichtigt, geschweige denn EG-Richtlinien zum Umweltschutz, zur Produktund Umwelthaftung und zur Produktverantwortung. Folglich enthält die Verordnung deutlich Über- und Doppelregulierungen. Bewährte rechtliche Instrumente wie Grenzund Richtwerte bleiben unberücksichtigt. Stattdessen müssen sich die Rechtsunterworfenen u.a. mit DNELs (Derived No-Effect Levels) und PNECs (Predicted No-Effect Concentrations) aufwändig vertraut machen.

Gravierend ist weiter der Geburtsfehler der undifferenzierten Gleichsetzung von EU-Herstellern und EU-Importeuren. Während es z.B. sinnvoll ist, den innereuropäischen Hersteller von Polymeren nur zur Registrierung der Ausgangsmonomere zu verpflichten, ist die gleiche Pflicht für den EU-Importeur eine Absurdität. Er soll nun beim Import eines Polymers das zugrunde liegende Monomer registrieren – einen Stoff, den er nicht kennt und auch nicht importiert, der sehr wohl aber ein in der Regel viel schwerwiegenderes Gefahrenprofil aufweist als das Polymer. Die Registrierung des tatsächlich importierten Polymers ist nicht zugelassen! Vergleichbar unbefriedigend ist die Regelung für Zubereitungen: Deren Komponenten sind zu registrieren, selbst wenn für die Zubereitung alle Daten vorhanden sind. Solche Unzulänglichkeiten – es gibt viele mehr – haben insbesondere Importeure und die wichtigsten EU-Handelspartner zur Prüfung rechtlicher Schritte auf der Ebene sowohl des EuGH wie auch der WTO veranlasst. Bei gutem Willen wäre das vermeidbar gewesen.

Viel Arbeit ist nun auf Kommissionsebene noch zu leisten für Erläuterungen und Ausführungsregeln zur Verordnung, also für sog. Reach Implementation Projects (RIPs). Die Wirtschaft arbeitet mit unzureichender Manpower mit. Dabei muss sie vor allem darauf achten, bei der Erfüllung der Reach-Anforderungen ihr eigenes Verständnis durchzusetzen und sich nicht nur vorgeben zu lassen, was so manche Behörde sich vorstellt und wünscht. Dabei nun viel Erfolg!