Standorte & Services

Der Industriepark Kalle-Albert zeigt, dass in der Energiebeschaffung ein erhebliches Einsparpotenzial besteht

28.02.2017 -

Es ist eine Binsenweisheit, dass Industrieparks den Standortunternehmen zahlreiche Vorteile durch die gemeinsame Nutzung umfangreicher Infrastrukturen und technischer Dienstleistungen bieten. Durch den regelmäßigen Kontakt mit örtlichen Ämtern und Genehmigungsbehörden können Synergien auch bei komplizierten Genehmigungsverfahren chemischer Produktionsanlagen genutzt werden. Große Potenziale  sind i.d.R.  auch dort evident, wo die fixen Kosten eines Standortes z.B. für den Brandschutz und die Sicherheit hoch sind. Nicht so eindeutig ist dagegen die Situation bei den variablen Kosten, z.B. beim Einkauf von Rostoffen, Energien, Maschinen und Apparaten.

Dies gilt auch für den Energieeinkauf. In der Energiebeschaffung soll am Beispiel des Industrieparks Kalle-Albert verdeutlicht werden, dass ein erhebliches Einsparpotenzial für alle Standortunternehmen besteht. Die produzierenden Unternehmen hatten von Beginn an die Skaleneffekte gemeinsamer Energiebeschaffung erkannt und so eine gebündelte Beschaffung durch die InfraServ Wiesbaden realisiert. Nach dem sog. „Unbundling“ zwischen Erzeugung und Verteilnetzen vor einigen Jahren bewerteten einzelne Unternehmen ihre Entscheidungshoheit jedoch höher als die möglichen Einsparpotenziale durch einen zentralen Energieeinkauf. Deshalb behielten sich die Unternehmen vor, jede einzelne Entscheidung über den Kauf von Gas und Strom zuvor in einem Standortbeirat zu genehmigen, eine Vorgehensweise im Sechs-Wochen-Turnus, die der Dynamik an den Energiebörsen heute nicht mehr gerecht werden kann.

Durch Wind- und Solarstrom ist der Spotmarkt für Strom so volatil geworden, dass die Verzögerung  durch den Entscheidungsvorbehalt der Standortunternehmen manchmal viel Geld gekostet hat. Verpasste Gelegenheiten zur Einsparung beträchtlicher Energiekosten erhöhten so den Druck auf eine Flexibilisierung der Handlungsvollmacht der Betreibergesellschaft. Deshalb wurden in einem Energiehandbuch Richtlinien definiert und Stopp-Loss-Linien bestimmt, bei deren Unterschreitung der Energiemanager des Standortes befugt ist, ohne vorherige Abstimmung und Genehmigung zu handeln. In diesem Zusammenhang wurde auch der jährliche Energiebedarf in Tranchen für feste Rahmenkontingente und einen Anteil zur Beschaffung am Spotmarkt festgelegt. Hier beginnt die Erfolgsstory des Energiemanagers. Ein bemerkenswerter Schritt, denn nun handelt ein Mitarbeiter mittelbar auf Rechnung Dritter.

So soll der Energieeinkauf von der gemeinschaftlichen Beschaffung zu einem kundenindividuellen Portfoliomanagement weiterentwickelt werden. Dann müssen sich die vielen Teilnehmer der zentralen Energiebeschaffung im Industriepark künftig nicht mehr auf eine gemeinsame Aufteilung des Termin- und Spotmarktes einigen. Individuelles Portfoliomanagement ermöglicht die Berücksichtigung der unterschiedlichen Risikopräferenzen der einzelnen Standortunternehmen. Dadurch wird das Energiemanagement dem sicherheitsaffinen Kunden durch frühzeitigen Einkauf von festen Bändern genauso gerecht, wie dem Anspruch des risikobereiten Kunden, der lieber mit einem größeren Anteil am Spotmarkt spekuliert.

Die Vorteile im Einzelnen

Die beträchtlichen Einsparungen der letzten Jahre sind nur zu einem Teil durch den flexiblen Einkauf des Energiemanagers erzielt worden. Der generelle Preisverfall an den Börsen für Gas und Strom ist mehrheitlich für die Kostenreduktion bei der Energiebeschaffung verantwortlich. Der Vergleich mit dem jeweiligen Vorjahr ist deshalb zwar schmeichelhaft, aber allein nicht geeignet, den Wert der Arbeit des Energiemanagers angemessen zu bewerten.

Folgende Vorteile sind eindeutig Resultat der zentralen und agilen Energiebeschaffung:

  1. Einsparung zahlreicher dezentraler Energiemanager.
  2. Skaleneffekte durch die Bündelung der individuellen Bedarfe.
  3. Durch erweiterte Befugnis höhere Flexibilität in der Energiebeschaffung.
  4. Kompetenzvorhaltung zur Beratung der Unternehmen in Energiemanagementfragen.
  5. Nutzbarmachung der Großkundenprivilegien für alle Standortteilnehmer, denn nicht jeder Kunde ist allein in der Lage, direkt an den Energiebörsen zu Tageskursen einzukaufen.
  6. Trotzdem ist zukünftig ein kundenindividuelles Portfoliomanagement möglich.

Für den Industriepark Kalle-Albert konnten in den vergangenen fünf Jahren jährlich schätzungsweise etwa 3% der Energiekosten durch die zentrale Energiebeschaffung eingespart werden. Bezogen auf die beschafften Mengen und die Durchschnittspreise entspricht dies etwa 1 Mio. EUR pro Jahr für den gesamten Standort.

Welche Rolle spielt der Energiemanager im Industriepark Kalle-Albert?

Der Energiemanager behält vorrangig die generelle Marktsituation und die aktuellen Energiepreise an den Börsen für alle Standortunternehmen im Blick. Dies ist die Grundlage des kostenoptimierten Einkaufs. Der Aufwand für ein lückenloses Monitoring ist jedoch groß. Wie im Investmentbanking sind Skaleneffekte deshalb eine wichtige Voraussetzung für effektives Energiekostenmanagement.

Ebenso wichtig, wie die Preisbeobachtung an den Energiebörsen ist die Sicherstellung umfassender Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen in der Energiewirtschaft. Die Energiewende hat in den letzten Jahren zu häufigen Korrekturen bei den Gesetzen zu den erneuerbaren Energien und den Netzentgelten geführt und es nicht ganz einfach, bei den oft recht kurzlebigen Änderungen auf Stand zu bleiben. Umso wichtiger also auch hier, dass sich jemand hauptamtlich darum kümmert.

Schlussendlich muss der Energiemanager die individuell unterschiedliche Situation der Mitglieder des Gemeinschaftsprojekts im Auge behalten. Ändern sich die Bedarfe, sind vorhersehbare Lastspitzen oder Abstellungen geplant? Welche Strategie verfolgt der Endkunde des Energiemanagers? Bei einer Vielzahl an Beteiligten eine durchaus herausfordernde Aufgabe, die nur durch Standortkenntnis und Netzwerkkompetenz erfüllt werden kann.

Wohin geht die Reise?

Die Zeiten niedriger Energiepreise für Gas und Strom sind möglicherweise bald vorbei. Der Energiemanager muss daher jetzt kluge Strategien für steigende Energiepreise vorbereiten. Dazu gehört neben der frühzeitigen Abstimmung etwaiger Änderungen in der Beschaffungsstrategie auch die Entwicklung alternativer Versorgungskonzepte, will man den Industriepark auch künftig optimal mit Energie versorgen. Gerade für langfristige Investitionen gilt es, den Zusammenhalt der Beteiligten zu stärken. Bei steigenden Energiepreisen wird der Kostendruck neue Geschäftsmodelle absehbar katalysieren. War der Nutzen technischer Energieeffizienzmaßnahmen bei niedrigen Preisen oft nicht berechenbar, so werden diese bei steigenden Energiepreisen immer attraktiver. Der Energiemanager kann bei derartigen Fragestellungen Alternativen aufzeigen. Die bereits hochkomplexe Gesetzeslage könnte sich zudem zuspitzen. Dem Energiemanager kommt hier die Aufgabe zu mögliche Konsequenzen für die Beschaffung rechtzeitig vorzubereiten.

Gerade für die energieintensiven, im globalen Wettbewerb stehenden Betriebe der Chemie-Industrie wird eine strategisch ausgerichtete, sich eng an den dynamischen Markterfordernissen orientierende Energieversorgung immer wichtiger. Der Schwerpunkt verlagert sich dabei von rein technischen und betriebswirtschaftlichen Themen hin zu komplexen rechtlichen Fragestellungen. Insofern ist es ratsam, sich auch juristische Grundkenntnisse zu erarbeiten. (op)

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