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Die Politik darf den Mittelstand nicht in die Knie zwingen

: Ingo Nawrath fordert wettbewerbsfähigere Rahmenbedingungen für Mittelständler in Deutschland

22.01.2014 -

Mit Acetylen und Sauerstoff fing 1923 alles an und prägte den Namen „Basi" als Abkürzung für Badische Acetylen- und Sauerstoff-Industrie. Später erweiterte das mittelständische Unternehmen mit Sitz in Rastatt sein Portfolio um Technische und Medizinische Gase sowie den Anlagenbau und Produkte für die Schwimmbadhygiene. Spezialgase für Hightech-Anwendungen, die Lebensmittelindustrie und Gasegemische komplettieren das Angebot des Unternehmens, das heute Basi Schöberl heißt. Ingo Nawrath, einer von zwei Geschäftsführern des Mittelständlers, ist zugleich Geschäftsführer der IGU-Industrie-Gase-Union ist, einem Zusammenschluss von sechs mittelständischen Gaseunternehmen. Michael Reubold sprach mit ihm über die Rahmenbedingungen, unter denen Mittelständler heute in Deutschland wirtschaften.

CHEManager: Herr Nawrath, Sie wechselten Anfang der 1990er Jahre aus einem Großunternehmen in den Mittelstand. War dieser Schritt damals nicht noch ungewöhnlicher als heute?

I. Nawrath: Ja, als ich vor 20 Jahren in die mittelständische Gaseindustrie ging, stellte mir jemand die Frage, warum ich eine sichere Position bei einem Global Player aufgebe, um zu einem mittelständischen Unternehmen zu gehen. „Der Mittelstand, der keine Zukunft hat" - das war zu dieser Zeit die Ansicht. 20 Jahre später steht der Mittelstand besser da als damals. Wir Mittelständler haben nicht nur unsere Nischen gefunden, sondern wir können alles, was die Großen können, nur schneller. Und wir sind flexibler und näher am Kunden.

Was speziell in Ihrem Geschäft besonders wichtig ist.

I. Nawrath: Richtig. Es ist charakteristisch für den Gasesektor, dass die Produkte aller Anbieter - den wenigen Großen und den vielen Kleinen - vollkommen identisch sind. Wenn die Produkte aber bei allen Anbietern gleich sind, werden Service und Kundennähe zu den wichtigsten Differenzierungsmerkmalen. Da sehen wir Mittelständler unsere Stärken. Und unsere Kunden wünschen Liefernähe, selbst die großen internationalen Unternehmen wollen die Gase nicht nur aus einer Hand. In vielen Konzernen ist es die Philosophie, dass der regionale Anbieter zum Zuge kommt. So beliefern wir z.B. die Werke von Daimler Benz um Rastatt herum.

Heißt das, dass sich ein mittelständisches Unternehmen in einem solchen Umfeld nicht vor den großen überregionalen Wettbewerbern verstecken muss?

I. Nawrath: Ja, weil es genügend Nischen und Differenzierungsmerkmale gibt, die man nutzen kann; so z.B. im Service, in der Kundennähe und auch in der Beständigkeit der Mitarbeiter, die als verlässliche und dauerhafte Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Wir sind ein Familienbetrieb, in dem jetzt die vierte Generation dran kommt. Da ist der persönliche Bezug zu den Mitarbeitern da.

Und da wo die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit den Großunternehmen zu gering ist, schließt man sich mit anderen KMUs zusammen?

I. Nawrath: Ja, so wie wir es z.B. in der Industrie-Gase-Union getan haben, in der sich vor 25 Jahren sechs mittelständische Gaseunternehmen zusammengeschlossen haben. Der Ursprung der IGU bestand im Bau einer Luftzerlegungsanlage in der Mitte Deutschlands, aus der sich alle Partner bedienen können. Damals war das Ziel, gemeinschaftlich stärker, unabhängiger und wettbewerbsfähiger zu werden. Heute ist jedes der sechs Mitgliedsunternehmen für sich stark genug, um im Wettbewerb zu bestehen. Die Zusammenarbeit beschränkt sich deshalb heute längst nicht mehr auf die Verfügbarkeit und den Austausch von Produkten, sondern umfasst auch Themen wie Sicherheit und Mitarbeiter sowie den Erfahrungsaustausch, vor allem in den Bereichen, die in den Einzelunternehmen nicht mit vielen Mitarbeitern bestückt sind.

An welche Bereiche und Themen denken Sie dabei?

I. Nawrath: Nennen wir es einmal diplomatisch „das Meistern der bürokratischen Hürden" durch Gesetze oder Verordnungen - REACh eingeschlossen. Das ist ein Punkt, wo wir innerhalb der IGU zusammenarbeiten, denn hier merkt man, dass kleinere Betriebe mit ihren One-Man-Shows an ihre Grenzen stoßen. Aber in der IGU haben wir zusammen sechs Leute, die sehr konstruktiv kooperieren und diese Welle, die uns förmlich überschwappt, mit der zusätzlichen Beratung durch externe Personen meistern können. Da in den Unternehmen und den Produktionsstätten bis hin zu den Produkten vieles identisch ist, können alle von einer gemeinschaftlichen Beratung profitieren.

Gerade für KMUs stellt die zunehmende Bürokratie ein Problem dar.

I. Nawrath: Ja, aber wenn wir das als Mittelständler meistern, dann sind wir absolut wettbewerbsfähig, auch international. Wenn nicht, wird die Bürokratie eine immense Zahl an Arbeitsplätzen kosten. Andererseits: Es mag ironisch klingen, aber Bürokratie generiert auch Umsätze. Für jedes neue Gesetz und jede neue Verordnung, die die Länder, der Staat und die EU erlassen, muss die Industrie neue Umsätze schaffen, um die Bürokratie zu finanzieren und selbst wirtschaftlich zu bleiben. Denken Sie an langwierigere Genehmigungsverfahren, zusätzliche Betriebsinspektionen oder kompliziertere Produktzulassungen. Letzteres ist ein wichtiger Punkt im Medizinbereich. Die Anforderungen in Bezug auf Zulassungen medizinischer Gase werden immer höher. Innerhalb der IGU arbeiten wir auch hier sehr eng zusammen.

Wie beurteilen Sie die anderen für Ihr Unternehmen relevanten Rahmenbedingungen?

I. Nawrath: Man muss zwei Aspekte unterscheiden: den wirtschaftlichen und den bürokratischen. Wir betreiben drei Produktionsstandorte - ein Acetylenwerk sowie ein Füllwerk für technische Gase in Rastatt und einen Luftzerleger in Straßburg - und Elektrizität zum Betrieb der Anlagen ist für uns ein wesentlicher Produktionsfaktor. Wenn ich die Standortbedingungen in dieser Hinsicht vergleiche, würde ich sagen: Der Bezug von Strom ist in Frankreich unbürokratischer, während er in Deutschland - auch infolge des EEG - in höchstem Maße durch Bürokratie geprägt ist. Und dazu kommt dann noch der wirtschaftliche Aspekt: Da wir ein stromintensives Unternehmen sind, ist eine Investition in eine neue Luftzerlegungsanlage aufgrund der Tatsache, dass die Strompreisentwicklung der nächsten zehn Jahre nicht absehbar ist, für uns in der Bundesrepublik nicht mehr realisierbar. Solche Investitionen, die sich erst nach 15 Jahren amortisieren, kann man in Deutschland nicht mehr tätigen. Wir sind abhängig von einem wettbewerbsfähigen Strompreis, aber durch die Energiewende entstehen im internationalen Vergleich massivste Wettbewerbsnachteile. Da macht es mehr Sinn, in den grenznahen Gebieten der Nachbarstaaten zu investieren. Die stromintensive Industrie hat nach meinem derzeitigen Erachten in Deutschland zurzeit keine Daseinsberechtigung mehr.

Kritisieren Sie die Energiewende an sich oder die Fehler bei der Umsetzung?

I. Nawrath: Ich bekenne ich mich absolut dazu, kritisiere aber, dass die Politik auch nach mehr als zwei Jahren immer noch keine verlässlichen Rahmenbedingungen geschaffen hat. Ich halte es auch für richtig, dass die großen Stromabnehmer von der EEG-Umlage befreit werden und bleiben. Der Mittelstand und kleinere Unternehmen können es eher verkraften, weil deren Stromanteil nicht so hoch ist. Das verbuchen wir unter ärgerlich, aber deswegen werden wir sicher nicht abwandern. Als Volkswirt sehe ich eher die große Gefahr, dass wir wesentliche Industriezweige in Deutschland verlieren. Deshalb müssen wir zusehen, dass die Großunternehmen bei uns bleiben, denn der Mittelstand lebt ja insbesondere als Zulieferer der Großindustrie.

Und der Wohlstand unseres Landes und der Bürger hängt auch davon ab. Insofern sind wir auch bereit, etwas mehr für den Strom zu zahlen. Aber die Politik darf nicht versuchen, Bürger und Industrie oder KMUs und Großkonzerne auseinander zu dividieren.

Ein anderes Beispiel: Wir haben ein Joint Venture mit drei anderen mittelständischen Gaseherstellern zum Bau und Betrieb einer CO2-Produktionsanlage im Industriepark Höchst geründet. Der Industriepark erzeugt den Strom dezentral und ist autark, dennoch müssen wir Stromsteuer, Netzentgelte und EEG-Umlage bezahlen, so als wäre unsere Anlage an das öffentliche Stromnetz angeschlossen.

Ein weiterer Standort- und Wettbewerbsfaktor ist die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal. Stichwort: Fachkräftemangel. Wie beurteilen Sie die Situation aus Sicht Ihres Unternehmens?

I. Nawrath: Die Herausforderung, Stellen zu besetzen, spüren wir wie jedes Unternehmen - auch bereits in der einfachsten Sparte: Wir suchen qualifizierte Lkw-Fahrer, die Gefahrgut transportieren können. Dann im Bereich der Ausbildung: Der Kampf um Auszubildende beginnt. Wir merken das heute schon. Dazu muss man sagen, dass wir nur hochqualifizierte Mitarbeiter suchen. Die Anforderungen an den Bildungs- und Qualifizierungsgrad steigen. Aber ich denke dennoch, dass wir es als Mittelständler noch immer schaffen, Fachkräfte zu bekommen - auch weil viele junge Leute eine gewisse Bodenständigkeit besitzen und nicht in die Anonymität eines Konzerns gehen wollen. Das Bewusstsein, dass es auch im Mittelstand gute, qualifizierte und sichere Arbeitsplätze gibt, wächst. Und es gibt auch einige erfahrene Mitarbeiter, die aus Großunternehmen zu uns gekommen sind. Bei Ingenieuren und Technikern hatten wir in der Vergangenheit keine Probleme und auch aktuell nicht. Aber die Attraktivität des Arbeitgebers ist ein Punkt. Der Mittelstand ist traditionell ein bisschen in sich gekehrt und sollte mehr in Werbung investieren - in Produktwerbung natürlich, aber eben auch in Werbung für zukünftige Mitarbeiter, damit man als Arbeitgeber mit positivem Image wahrgenommen wird.

Muss der Mittelstand gegenüber der Politik nicht noch mehr Werbung in eigener Sache machen?

I. Nawrath: Sie haben Recht! Ein Mittelständler ist bodenständig, ist in der Region verwurzelt, schafft in der Region Arbeitsplätze, zahlt in der Region Steuern und hat nicht wie internationale Konzerne Möglichkeiten, Gewinne steuerfrei ins Ausland zu verlagern. Und deswegen sollte die Politik erst recht dafür Sorge tragen, dass die Bürokratie den Mittelstand nicht in die Knie zwingt. Das kann nicht oft genug betont werden.

 

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