Standorte & Services

Hans-Jürgen Mittelstaedt, VCI, und die Chemische Industrie in NRW

Gemeinsam stark

15.11.2010 -

Schaut man auf die chemische Industrie von NRW, so eröffnet sich einem der mit Abstand größte Chemiestandort Deutschlands. Seit Jahren bildet die Chemie in NRW mit einem Anteil von einem Drittel, gemessen am Umsatz der bundesdeutschen Chemie, nicht nur das Fundament der deutschen Chemie sondern auch ein erheblicher Teil der chemischen Industrie in ganz Europa.

Wichtiger als die aktuelle Bedeutung der NRW-Chemie ist jedoch die Frage, wie diese Chemieregion im Herzen Europas ihre Position halten und weiterentwickeln kann. Um dieses Ziel erreichen zu können, wird es nicht nur darum gehen, bestehende Standortnachteile zu beseitigen, sondern auch darum, vorhandene Standortvorteile zu nutzten. Ein solcher Standortvorteil NRWs ist die Nähe zu Abnehmerindustrien und Märkten. NRW ist nicht nur ein bedeutender Chemiestandort, sondern auch das industrielle Herz Deutschlands und zusammen mit den Benelux-Staaten das industrielle Herz Europas. Die Region bietet dadurch eine einmalige Ballung von Abnehmerindustrien und Märkten, was gerade für eine Querschnittsindustrie wie die chemische Industrie von besonderer Bedeutung ist. Der industrielle Ballungsraum NRWs bietet die Möglichkeit eines engen Austauschs mit Zulieferern, Kunden und Abnehmerbranchen und dadurch eines besseren Wissen um Kundenbedürfnisse sowie stoffliche und technologische Möglichkeiten in einer Wertschöpfungskette. Die Vernetzung entlang von Wertschöpfungsketten schafft damit gute Voraussetzung für die Entwicklung neuer, am Markt erfolgreicher Produkte oder anders ausgedrückt für Innovationen. Diese Art der Vernetzung hat unter dem Begriff Cluster in den letzen Jahren eine Renaissance erlebt, auch in NRW.

Cluster in diesem Sinne sind thematische Netzwerke zwischen Produzenten, Zulieferern, Forschungseinrichtungen (z.B. Hochschulen), Dienstleistern und verbundenen Institutionen (z.B. Verbänden), die in ihrem Kern eine gewisse räumliche Nähe aufweisen und entlang einer Wertschöpfungskette miteinander kooperieren. Die Landesregierung von NRW hat vor kurzem eine Clusterstrategie beschlossen, mit der in Leitbranchen und -technologien NRWs die Bildung solcher thematischer Cluster finanziell gefördert werden soll. Diese staatliche Förderung ist als Anschubfinanzierung notwendig, da viele Unternehmen den möglichen Nutzwert von Clustern zwar erkennen, zunächst aber ein gewisses Maß an Unsicherheit verbleibt, ob sich der Nutzwert auch einstellen wird, da es noch keine Blaupausen für funktionierende Cluster gibt. Außerdem besteht insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen ein erhebliches Unbehagen, da auch Konkurrenten am Markt mit am Tisch sitzen.

Als Wirtschaftsverband sehen wir unsere Aufgabe darin, die Entwicklung von Clustern in den Bereichen der chemischen Industrie zu fördern, in denen wir in NRW besondere Stärken haben und die für Cluster notwendige kritische Masse an Unternehmen aufweisen. Konkret sind dies derzeit in NRW die Bereiche Kunststoff, industrielle Biotechnologie und Oberflächen.

Für den Bereich der Kunststoffe ist die vom VCI-Fachverband Plastics Deutschland ins Leben gerufene Brancheninitiative „Kunststoffland NRW" Treiber der Clusterentwicklung. In Kunststoffland NRW haben sich Akteure aus der gesamten Kunststoffbranche in NRW, also große Kunststofferzeuger, kleine und mittlere Verarbeitungsbetriebe, der Maschinenbau, Forschung und Wissenschaft, Aus- und Weiterbildung, branchennahe Zulieferer und Finanzdienstleister zusammengeschlossen, mit dem Ziel, die Wertschöpfungskette Kunststoff, von der Kunststofferzeugung über die Verarbeiter bis hin zu Abnehmerindustrien zu stärken.

Im Bereich der industriellen Biotechnologie hat der VCI NRW gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium NRW und den Bioregionen in Nordrhein-Westfalen das überregional ausgerichtete Cluster Clib2021 organisiert. Hier arbeiten zahlreiche Chemieunternehmen, Biotechunternehmen, Lehrstühle und Forschungseinrichtungen an der Entwicklung biotechnologischer Verfahren, die herkömmliche chemische Verfahren zur Stoffherstellung ersetzen können.

Antriebsfeder ist die Möglichkeit, das Innovationspotential von Stoffen mit neuen Eigenschaften erschließen zu können aber auch durch neue biotechnologische Verfahren künftig teure Einsatzstoffe (Erdöl, Energie, Zeit etc.) einsparen zu können. Diese Chancen sind gerade für ein Chemieland wie NRW mit einer zudem stark ausgeprägten Petrochemie von zentraler Bedeutung. Die Clusterentwicklung für den Bereich Oberflächen befindet sich noch in der Anfangsphase. NRW weist jedoch eine besondere Ballung von Rohstoff- und Pigmentherstellern sowie Lack- und Farbenherstellern auf, so dass die kritische für die Bildung eines tragfähigen Clusters notwendige Masse an Unternehmen vorhanden ist. Derzeit versuchen die Akteure im Rahmen eines von der Landesregierung ausgelobten Förderwettbewerbs für die chemische Industrie die Anschubfinanzierung für ein solches Cluster zu erhalten.

Ein weiteres Beispiel von Clusterbildung in NRW, wenn auch mit einer anderen thematischen Ausrichtung, bilden die Chemieparks. Als Folge der Umstrukturierungen in den Großunternehmen der Chemie entwickeln sich seit Jahren die großen Chemiestandorte von Einzelunternehmen hin zu Chemieparks. Von insgesamt etwa 40 Chemieparks in Deutschland befinden sich allein 10 in Nordrhein-Westfalen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Fachvereinigung Chemieparks des VCI, als bundesweite Interessenvertretung der Chemieparks in Deutschland, ihren Ausgangspunkt in NRW hatte. Kernziel dieser neuen Unternehmensform ist es, den im Regelfall international produzierenden Unternehmen am Standort, aber auch auswärtigen Investoren attraktive Rahmenbedingungen zu bieten. Denn anders als produzierende Unternehmen sind Chemieparks an diesen einen Standort gebunden. Eine ausgeprägte Vernetzung von Pipeline-Systemen in NRW stellt die gemeinsame und gegenseitige Versorgung der Chemiestandorte mit Roh- und Einsatzstoffen sicher und hat die Chemieparks mittlerweile zu einem stark vernetzten Versorgungscluster gemacht. Die im Bau befindliche CO-Pipeline zwischen den Chemieparks Dormagen und Uerdingen ist ein weiteres Beispiel für die in Zukunft sicherlich nicht abnehmende Vernetzung durch Pipelinesysteme in NRW. Die vor kurzem stark verkürzten Pläne einer Propylenpipeline von den Chemiestandorten in den Niederlanden über die des Ruhrgebiets bis zu den Chemieparks im Rheinland sind sicherlich kein Zeichen für eine Veränderung dieser Entwicklung. Denn die gerade in NRW überproportional vertretenen Unternehmen der Grundstoffchemie sind auf eine sichere und kostengünstige Rohstoffversorgung angewiesen. Und da sind Pipelines das Transportmittel der ersten Wahl und von zentraler Bedeutung für NRW. Vor diesem Hintergrund können die Diskussionen, die derzeit rund um die CO-Pipeline geführt werden, gar nicht ernst genug genommen werden. NRW ist nicht nur industrielles Kernland, sondern auch bevölkerungsreichstes Bundesland. Von daher ist ein Nebeneinander von Industrie und Wohnbereichen nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall. Es wird eine wichtige Aufgabe von Politik und chemischer Industrie sein müssen, mögliche Konflikte bei künftigen Infrastrukturvorhaben, wie der CO-Pipeline, zu entschärfen. Denn die Standortvorteile durch eine ausgeprägte Vernetzung mit Kunden und Abnehmerbranchen durch die Bildung von Clustern sind schnell ausgesogen, wenn sich die Standortbedingungen durch eine kritische Haltung in der Bevölkerung gegenüber wichtigen Infrastrukturprojekten verschlechtern.

 

 

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