Standorte & Services

Kolumne

Perspektivenwechsel - Blattschuss versus Schrot

17.01.2014 -

Die Entwicklung der europäischen chemischen Industrie ist für langjährige Insider keine wirkliche Überraschung. Zumindest für diejenigen, die für ihren Produktmarkt alle vorhandenen weltweiten Kapazitäten und Abnehmerentwicklungen quantitativ und qualitativ auf dem Radar haben. So haben Anfang der 90er bereits weitblickende Geschäftsstrategen für Quasi-Commodities die Kapazität in Deutschland als zu überdimensioniert und langfristig nicht wettbewerbsfähig empfunden. Für diese Produkte wurde die Verteilung der Kapazitäten mit 2/5 in die USA und mit 1/5 nach Asien empfohlen. Also hin zu den Bedarfsländern oder zu den Rohstoffquellen.

Krasse Szenarien sagen eine Halbierung der Chemie-Beschäftigung in Deutschland bis 2030 voraus. Aktuelle Studien gehen viel positiver mit der Entwicklung der Chemieindustrie in Deutschland um. Fast scheint das Szenario positiv getrübt von den sehr guten letzten Geschäftsjahren. In den Kernaussagen sind diese Szenarien jedoch so klar wie die Kernaussagen schlauer Strategen Mitte der 90er - die Petro- und Basischemikalien decken den produktionstechnischen, notwendigen europäischen Bedarf und können sich teilweise über logistische oder beratungstechnische Service differenzieren und halten. Die Spezialitäten sind der Innovationstreiber der deutschen Chemie und ermöglichen weltweite Vermarktung.

Soweit einig mit der Marktentwicklung leiten daraus die Chemiestandorte und deren Industriedienstleister den langfristigen Bedarf für Ihre Leistungen und Standortflächen/ -infrastrukturen ab. Diejenigen, die ihren Standort aktiv vermarkten und langfristig Flächen und Infrastrukturkapazitäten auf so viele Standortnutzer wie möglich verteilen möchten, starteten mit Vermarktungen und breit gefächerter Kommunikation. Diese Schrot-Schüsse sind für den Start zur Erhöhung der Bekanntheit ein guter Weg, auf Messen oder in der regionalen Nachbarschaft oder in der Welt für den eigenen Standort zu werben. Die Erfolge zur Ansiedlung von großen chemischen Anlagenkapazitäten mit großen Verbräuchen an Industriedienstleistungen sind trotz der Bemühungen begrenzt. Beim vorgestellten Szenario sind die bisher erzielten Ansiedlungserfolge damit umso höher zu bewerten.

Die Chemiestandorte bündelten teilweise ihr Wissen mit gemeinsamen, auch erfolgreichen Verbandsaktivitäten und initiieren individuelle Ansiedlungsstrategieprojekte. Mit ähnlicher Erkenntnis: Ansiedlungen funktionieren nur mit einem gezielten Blattschuss, sprich die Ansiedlung passt als Lieferant oder Kunde in den Produktionsverbund des Chemiestandortes, wird von den bereits ansässigen Unternehmen als Erweiterungs- oder Erneuerungs-Investition durchgeführt oder die Ansiedlung schätzt die spezifischen Besonderheiten des Chemiestandortes wie logistische Lage, besondere Kostenposition oder die Nähe der Spezialitätenproduktion zur Abnehmerbranche oder einem Cluster. Damit wird Standortvermarktung zu einem gezielten Suchen von geeigneten Ansiedlungen für die spezifischen Anforderungen des Chemiestandortes, da jeder Standort sehr spezifische Geschichten und Möglichkeiten besitzt.

Aus der Perspektive eines nicht im Wettbewerb stehenden Standortverantwortlichen stellt sich die Frage, ob diese Erkenntnis gemeinsam mit vermeintlich im Wettbewerb stehenden Chemiestandorten hätte schneller, früher entwickelt werden können. Die kollektive Kraft könnte dann in standortübergreifende Vermarktungs- und Ansiedlungsmaßnahmen überführt werden - gemeinsam die Anforderungen der Kunden verstehen, kollektives Vermarktungskonzept, übergreifende Teams generieren Größeneffekte. Fraglich ist, wer die Wettbewerber im deutschen Chemiestandortmarkt sind - der „andere" deutsche Chemiestandort, andere europäische Standorte oder andere weltweite Chemiestandort-Cluster. Wenn der Wettbewerber nicht der deutsche Chemiestandort wäre, wenn es komplementäre Ansiedlungsstrategien wären, könnte das kollektive Wissen und die umfassende Intelligenz dieser hochprofessionellen „neuen" Branche gemeinsam eingesetzt werden und die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Chemiestandortes als Ganzes erhöht werden. Wenn und Könnte!

 

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