Strategie & Management

Brenntag: Schnellere SAP-Projekte durch Prozessorientierung

23.10.2011 -

Brenntag: Schnellere SAP-Projekte durch Prozessorientierung

Mit dem Aufbau einer Geschäftsprozessplattform schafft der Mülheimer Chemiedistributeur Brenntag die Basis für die europaweite Konsolidierung verschiedener regionaler IT-Systeme, unter anderem im Netweaver-Umfeld. Unterstützt wird Brenntag dabei von dem Prozessspezialisten IDS Scheer durch ARIS Produkte und -Beratung. Seither werden SAP-Projekte 20 bis 25 % schneller und 5 bis 10 % günstiger durchgeführt.

Mit mehr als 10.000 Mitarbeitern beliefert Brenntag als Europas und Latein-Amerikas Chemie-Distributeur Nr. 1 und als drittgrößter der USA weiterverarbeitende Unternehmen mit Industrie- und Spezialchemikalien. Das kontinuierliche und profitable Wachstum des Unternehmens während der vergangenen Jahre brachte eine zunehmend heterogene ITLandschaft mit sich. Brenntag hatte sich daher entschlossen, Prozesse – auf Basis definierter Prozessmodelle – vergleichbar zu machen und, wenn möglich, zu standardisieren.

„Unser Ziel war es, zukünftige SAP-Einführungen, aber auch die bereits vorhandenen Applikationen zu vereinfachen“, erklärt Ludger Kruse, Projektleiter Corporate IT bei Brenntag Holding in Mülheim an der Ruhr. „Im Fokus standen Einsparungen im Zeitaufwand, im Arbeitsaufwand und in den Kosten“.

Zu den Anforderungen, die ein Geschäftsprozessmanagement- Werkzeug hierfür erfüllen musste, gehörten die Kompatibilität mit SAP, die Möglichkeit der Re-Dokumentation von SAP-Systemen sowie die Lieferung der Prozessdokumentation, Prozesstransparenz und europaweiten Prozessoptimierung – verbunden mit einer Steigerung der Prozesseffizienz. Darüber hinaus sollte die potentielle Erfüllung von Sarbanes-Oxley-Kriterien und die Verbesserung des Qualitätsmanagements für die ISO-Zertifizierung und Audits unterstützt werden. Werkzeug und Methode sollten europaweit einsetzbar sein.

Vorgehen – Pilotprojekt in Deutschland

Bei der Umsetzung des europaweiten Vorhabens setzte man auf die BPM-Erfahrung von IDS Scheer. Zusammen mit den Projektteams von Brenntag Holding und der Brenntag, ebenfalls in Mülheim an der Ruhr, implementierten die Berater ARIS for SAP Netweaver – zunächst in einem Pilotprojekt in Deutschland. „Mit Hilfe dieses Produktes wurden die bestehenden Prozessinformationen der Management-, Kern- und Stützprozesse in einer Geschäftsprozessarchitektur modelliert, standardisiert und konsolidiert“, erklärt Kruse. Als Ausgangspunkt diente hier das bereits konfigurierte SAP-System.

Bei der Analyse konzentrierte sich das Projektteam auf die existierenden Prozessinformationen der wesentlichen Kernprozesse, insbesondere der für den Chemiehandel wichtigen Vertriebs- und logistischen Prozesse, und glich sie mit dem SAP-Business Process Repository und ARIS ab.

Dabei bestand die Herausforderung für das Brenntag-Team darin, auf der technischen und funktionalen Ebene eindeutige Prozessfragmente (sogenannte ‚Building Blocks’) zu definieren, die dann im Aufbau der unterschiedlichsten End-to- End Szenarien wiederverwendet werden. End-to-End heißt, dass organisations- und modulübergreifend ein vollständiger Geschäftsprozess abgebildet wird. Dazu zählen zum Beispiel unterschiedliche Varianten von der Kundenbestellung bis zum Zahlungseingang (Order to Cash) beziehungsweise von der Bestellung bis zum Rechnungsausgleich (Purchase to Pay).

Die Abbildung zeigt eine Sicht der im Projekt modellierten End-to-End Szenarien auf der höchsten Prozess-Aggregationsebene. Vorteil einer solchen Vorgehensweise ist zum einen, dass die Konsistenz im SAP-System stets gewährleistet wird, zum anderen, dass für das Business verständliche und nutzbare Prozessmodelle erzeugt werden.

So wurden u. a. Geschäftsprozesse für die neue Brenntag-Produktlinie ‚Air One!’, die intern wie auch mit Lieferanten abzustimmen waren, direkt in ARIS abgestimmt und modelliert. „Die in ARIS dokumentierten Geschäftsprozesse können nun mit den darunter liegenden SAP-Systemen auf Knopfdruck synchronisiert werden“, freut sich Projektleiter Kruse.

Europaweite Umsetzung

Die Etablierung des Geschäftsprozessmanagements bei Brenntag in Europa setzte auf der IDS Scheer-Methodik ARIS Value Engineering (AVE) auf. Diese Methode bietet sich immer dann an, wenn ein Unternehmen eine prozessorientierte Organisation einführen oder seine Wertschöpfungskette optimieren will. Alle tagtäglichen Abläufe, also die Ist-Prozesse, auch die des Qualitätsmanagements, werden in ARIS dokumentiert, und in einem zweiten Schritt die zukünftigen Soll-Prozesse definiert.

Der Mehrwert liegt für Kruse auf der Hand: „Einen großen Vorteil bietet dabei die Möglichkeit, auf der Basis des kontinuierlich wachsenden europäischen Prozess-Repositories eindeutige best-practice- Prozesse zu identifizieren und als Basis für die Standardisierung einzusetzen.“ Die als Resultat entstandene Brenntag- Prozessarchitektur und das Prozessmodell werden zurzeit in Roll-out-Projekten in Europa Schritt für Schritt eingeführt, die Prozesse in der Kontrollphase anschließend weiter überwacht und optimiert.

Begleitet werden alle Aktivitäten durch ein Change Management. Zu den Komponenten des Change Management Konzepts gehörten neben einem Kommunikations- und Trainingsplan ein klares Rollenund Governance Konzept. Hier war das Projekt-Team gefordert, einen „Prozess des Prozessmanagements“ zu etablieren, der nachhaltig die Lücke zwischen Business und IT schließt.

Mehrwert durch Kosten und Zeitersparnis

Über den Nutzen dieser Werkzeug- und Methodik-basierten Geschäftsprozessplattform ist man sich bei Brenntag einig. „Wir haben mit Hilfe von ARIS-Produkten und der methodischen Beratung von IDS Scheer alle Prozessinformationen in einer BPM-Plattform gebündelt, was uns eine flexible Handhabung und somit eine europaweite Standardisierung von SAP-Systemen durch ‚Best Practice’-Prozesse sowie – zunächst auf regionaler Ebene – eine Konsolidierung bestehender ERP-Systeme erlaubt“, erläutert Kruse.

„Der Aufbau eines länderübergreifenden Prozessmanagement-Gerüsts erlaubt Brenntag permanente und schnelle Gestaltung sowie besseres Management und Kontrolle von Geschäftsprozessen.“ Und auch quantitativ hat das Projekt den erwarteten Mehrwert erreicht: Die Zeiten bei SAP-Einführungsprojekten verkürzten sich um 20 bis 25 % und die SAP-Projektkosten sanken um 5 bis 10 %.