Strategie & Management

Compliance in der Pharmabranche

Geplantes Anti-Korruptionsgesetz zwingt Arzneimittelhersteller, Compliance-Richtlinien zu prüfen

22.03.2016 -

Der Bundestag will in diesem Jahr ein Anti-Korruptionsgesetz verabschieden, das alle Heilberufsgruppen betrifft. Für Pharmahersteller bedeutet das Gesetz, gemäß aktuellem Stand, die Notwendigkeit eines verstärkten Fokus auf die Einhaltung von Compliance-Vorgaben, sowie einer transparenteren Dokumentation über die Zusammenarbeit mit sämtlichen Angehörigen der Heilberufe. Betroffene Unternehmen sollten daher jetzt ihre Compliance-Richtlinien und Systemlandschaft überprüfen, sowie ihre Prozesse an den neuen Anforderungen ausrichten.

Eine transparente Beziehung zwischen Pharmaherstellern und Angehörigen der Heilberufe wie Ärzten oder Apothekern sind ein wichtiges Kriterium, um ethische Grundsätze zu wahren und der Gefahr der Beeinflussung vorzubeugen. Hier sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf: Um Verfehlungen dieser Prinzipien im Gesundheitswesen strafrechtlich besser verfolgen zu können, wurde im November ein entsprechender Gesetzesentwurf verabschiedet. Im Mittelpunkt steht dabei die Änderung von zwei Paragraphen im Strafgesetzbuch, die Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen unter Strafe stellen sollen.

Die von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen sind nicht zuletzt Folge eines Präzedenzfalls von 2012. Damals zahlte eine Pharmareferentin einem Arzt – der bevorzugt Medikamente des Unternehmens verschrieb – Honorare für mehrere Vorträge, die er nie gehalten hatte. Das zuständige Gericht konnte keine strafbare Handlung gemäß einer „Gefährdung der heilberuflichen Unabhängigkeit“ erkennen, da es sich um einen niedergelassenen, selbstständigen Arzt handele und er nicht im Sinne eines Arbeitgebers gehandelt habe. Die neue Gesetzgebung sieht vor, die Strafbarkeit auf nahezu alle Heilberufsgruppen auszudehnen, einschließlich selbständiger Ärzte, die zuvor nicht unter die Gesetzgebung fielen. Straftaten sollen nun mit einer Haft von bis zu fünf Jahren geahndet werden können.

Herausforderung für Unternehmen

Unter den Pharmaherstellern, Ärzten und Verbänden herrscht aktuell eine große Verunsicherung, da das Gesetz den Straftatbestand nur sehr vage formuliert und somit auch angemessene Kooperationen –  bspw. Anwendungsbeobachtungen – unter Strafe stellen könnte. Hinzu kommt der Zeitdruck bei der Umsetzung der Compliance-Anforderungen: Da das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist, tritt es unmittelbar nach der Verabschiedung in Kraft.

Hersteller sollten deshalb den Status Quo ihrer bestehenden Compliance-Regelungen auf den Prüfstand stellen. Für die notwenigen Maßnahmen gibt es jedoch kein allgemein gültiges Modell. Zu heterogen sind Unternehmensstrukturen und bestehende Geschäftsprozesse. Allen Pharmaherstellern gemein ist, dass die Datenqualität und eine umfassende, transparente Dokumentation der Geschäftsbeziehungen entscheidend sind. Zusätzlich erschweren Interpretationsspielräume in  den Formulierungen des Gesetzes die Erfüllung der Vorgaben für möglichst alle vorhersehbaren Fälle. Daher empfiehlt es sich, externe Beratung für die Überprüfung und Umsetzung hinzuzuziehen. Mit Compliance-Fragen vertraute Berater helfen, individuelle Voraussetzungen zu analysieren und Prozesse sowie Handlungsanweisungen zu erarbeiten, um sich gegen Fehlverhalten abzusichern und sinnvolle Kooperationen zu schützen. So kann verhindert werden, über das Ziel hinauszuschießen und vollkommen legale Kooperationen zu beenden oder zu erschweren – zum Nachteil aller Beteiligten, einschließlich der Patienten.

Nachweispflicht und belastbare Dokumentation

Was ist also zu tun? Unternehmen sollten sich vergewissern, dass ein den Anforderungen entsprechendes Reporting initiiert wird. Das Reporting stellt einen zentralen Prozess dar, da Unternehmen in der Lage sein müssen, ihre Aktivitäten gegenüber Behörden offenzulegen. Weitere wichtige Punkte dabei sind die „Definition der Angemessenheit“ der Beziehungen zu Angehörigen der Heilberufe und der Nachweis, dass Compliance-Vorgaben auch eingehalten wurden. Das Gesetz gibt vor, dass Pharmaunternehmen die „heilberufliche Unabhängigkeit“ von Ärzten, etc. nicht beeinträchtigen dürfen. Da sich eine genauere Definition wahrscheinlich erst mit der Rechtsprechung entwickeln wird, bewegen sich Unternehmen hier schnell in einer Grauzone. Ratsam ist es daher, dass eine ausführliche Dokumentation nicht nur die Zahlungsströme erfasst, sondern auch die Intention der Zusammenarbeit dokumentiert: Wurde eine Person eingeladen, weil ihr aktuelles Forschungsfeld mit dem Thema zusammenhängt oder weil sie für die Schulung unabdingbar war? Dementsprechend sollte dokumentiert sein, wofür gezahlt wurde, wer wo teilgenommen hat etc. Erhielt ein Arzt ein Honorar für einen Vortrag, muss das Unternehmen deutlich machen, dass es sich um eine legitime Zahlung und keinen Bestechungsvorfall handelt. Eine transparente Dokumentation belegt, dass der gezahlte Betrag direkt im Zusammenhang mit einer getätigten Leistung steht.

Change-Prozesse im Compliance-Management anstoßen

Im nächsten Schritt sollten Unternehmen die eigenen Strukturen und Koordination zwischen den Unternehmensbereichen begutachten, um Fallstricke frühzeitig zu erkennen. Bei der Zusammenarbeit mit der Heilberufsgruppe spielen mehrere Unternehmensbereiche eine Rolle: Das Eventteam plant eine Veranstaltung, die Abrechnung über den Vortrag liegt bei der Finanzabteilung und die Kontakthistorie ist beim Marketing hinterlegt. Relevante Daten stammen oftmals aus unterschiedlichen Quellsystemen und haben kein einheitliches Format. In dem Fall müssen Schnittstellen vorhanden sein, die die erforderlichen Daten zusammenführen und zentral verfügbar machen. Ein Mapping der Daten sichert dabei die Genauigkeit. Eine hohe Datenqualität hilft, die Rechtmäßigkeit von Aktivitäten zu belegen. Datensätze müssen hierfür vor allem eindeutig sein. Eindeutige Zuordnungen können bei Ärzten z.B. anhand der individuellen Berufsnummern erfolgen.

Eine größere Umstellung der IT-Landschaft ist in der Regel jedoch nicht notwendig. Dennoch kann ein Change-Management auf Grund der Prozessänderungen erforderlich sein. Viele international agierende Unternehmen arbeiten bereits nach dem US-Antikorruptionsgesetz FCPA (Foreign Corrupt Practices Act) und benötigen daher keine komplett neue Prozesslandschaft. Die Compliance-Prozesse definieren u.a. Freigaben, Prüfschritte und -instanzen oder auch relevante Zusatzinformationen in Bezug auf Kooperationen mit der Heilberufsgruppe. Eine kritische Bestandsaufnahme macht hier deutlich, welche Prozesse – von der Vereinbarungen von Studien und Schulungen bis hin zur Spesenabrechnung – künftig strafrechtliche Risiken darstellen könnten und Überarbeitung benötigen. Betroffene Unternehmen sollten daher nach der grundlegenden Analyse klar definierte und unternehmensweit gültige Richtlinien umsetzen.

Nur wenn Pharmaunternehmen diese Maßnahmen zeitnah und strukturiert angehen, sind sie für das Antikorruptionsgesetz gut aufgestellt und in der Lage, die an sie gestellten Anforderungen effizient umzusetzen.

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