Märkte & Unternehmen

Chemie 2018: Profitabilität schlägt Wachstum

Studie von Roland Berger analysiert Leistungsfähigkeit von Chemieunternehmen in Europa und den USA

13.08.2019 -

Insgesamt kann die Chemiebranche mit der Bilanz des vergangenen Jahres zufrieden sein. Von gebremstem Wachstum und makroökonomischen Herausforderungen durch Brexit, steigenden Protektionismus, drohende Handelskriege und einer allgemeinen konjunkturellen Abkühlung offenbar weitgehend unbeeindruckt, erwirtschafteten die Unternehmen gute Erträge. Vor allem Firmen, die intensiv an ihrer Leistungs- und Kostenstruktur arbeiten, werden mit einer überdurchschnittlichen Performance und dem Wohlwollen der Investoren belohnt. Eine Analyse von Roland Berger zeigt: Die „Metrik der Erfolgreichen“ wird mit konventionellen Finanzkennzahlen nur unzureichend erfasst.

Als analytische Grundlage unserer Beratungstätigkeit und im Zuge der operativen Unterstützung der Chemieindustrie untersucht Roland Berger seit vielen Jahren regelmäßig die finanzielle Performance von fast 170 Chemieunternehmen mit Sitz in Europa und den USA. Diese Analyse erlaubt exklusive Einblicke in die Leistungsfähigkeit der Branche und gibt frühzeitig Hinweise auf Trends, liefert aber auch aufschlussreiche Antworten auf die Frage nach den entscheidenden Kennzahlen zur Erfolgsmessung von Unternehmen. Wenn Investoren ihre Erwartungen an die finanzielle Performance eines Unternehmens definieren, analysieren sie implizit und explizit seine Rentabilität, sein Wachstum und passen diese Kennzahlen an das Risiko an. In der Regel entwickeln sie auf dieser Grundlage eine Finanzprognose, um ein Free-Cash-Flow-Modell zu erstellen. Dabei wird das Umsatzwachstum als Wachstumskennzahl, der Prozentsatz der EBIT-Marge als Rentabilitätskennzahl und die Kapitalkosten als Risikoanpassung verwendet.

„Das Wachstum des investierten Kapitals ist die beste Kennzahl
zur Messung des realen Wachstums eines Unternehmens.“

Vor dem Hintergrund unserer langjährigen Analyse halten wir das Wachstum des investierten Kapitals für die beste Kennzahl zur Messung des realen Wachstums eines Unternehmens. Denn sie zeigt, wieviel Kapital zur Finanzierung des Vermögens eingesetzt wird. Die Umsatzentwicklung, die deutlich häufiger als Kennzahl genutzt wird, kann etwa aufgrund der Preisvolatilität, getrieben durch Rohstoffschwankungen oder die Dynamik von Angebot und Nachfrage, durchaus irreführend sein. Der investierte Kapitalzuwachs misst dagegen das Wachstum der Vermögenswerte und ist von Rohstoffpreisen weitgehend unabhängig. 

Die Differenz zwischen dem Return on Investment Capital (ROIC) und dem gewichteten Durchschnitt der Kapitalkosten (Weighted Average Cost of Capital, WACC) ist damit der beste Indikator zur Messung der risikoadjustierten Rentabilität. Er ist auch aussagekräftiger als die EBIT-Marge, denn als normierte Kennzahl misst er nicht nur die Rentabilität, sondern auch den Kapitalbedarf zur Generierung der Gewinnfähigkeit. Die EBIT-Marge dagegen erlaubt keinen Rückschluss auf die Kapitalintensität eines Unternehmens und kann dadurch beim Vergleich von Unternehmen mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen zu falschen Schlüssen führen.   Performance Review 2018: Solide Leistung, langsameres Wachstum Trotz eines schwachen vierten Quartals erzielten die Unternehmen der Branche eine stabile oder sogar starke Jahres-Performance. Die Kennzahlen zur risikoadjustierten Rentabilität zeigen eine gesunde Branche, auch wenn sie langsamer wuchs als noch im Jahr davor. Der Return übertraf die Kapitalkosten um fast zwei Prozentpunkte. Zudem nahm der Anteil der Unternehmen, die über den Kapitalkosten verdienten, gegenüber 2017 um drei Prozentpunkte zu. Das investierte Kapital stieg zwar um 1  % – was vor allem durch Investitionen in neue Anlagen zu erklären ist – allerdings ist dies ein deutlicher Rückgang zum Vorjahr, in dem das investierte Kapital um 13  % gestiegen war.
„2018 war ein Jahr des grundlegenden Wandels:
weg vom Wachstumsfokus, hin zur Profitabilität.“
Rentabilität vor Wachstum 2018 war damit ein Jahr des grundlegenden Wandels: weg vom Wachstumsfokus, hin zur Profitabilität. Die besten Aktionärsrenditen erzielten Unternehmen, die Transformationsprogramme für kurz- und langfristige Leistungssteigerungen auflegten. Unsere Analyse der Aktionärsrendite im Vergleich zur Wachstums- und Rentabilitätsentwicklung belegt, dass Investoren Gewinne deutlich stärker honorierten – ein bemerkenswerter Unterschied zu den Vorjahren, in denen Wachstum stets höher bewertet wurde. Auch die M&A-Tätigkeit konzentrierte sich im vergangenen Jahr stärker auf die Konsolidierung durch Verbesserung und Optimierung der Geschäftstätigkeit als auf Wachstum oder Diversifizierung. Anstatt in organisches Wachstum zu investieren, gaben die Chemie­unternehmen den Aktionären mehr Kapital zurück: Die Dividendenausschüttungen stiegen um 9 Mrd. USD, das entspricht einem Plus von 19  % im Vergleich zu 2017.  Auch wenn in der Investorenkommunikation weiterhin viel von Wachstum die Rede war, verlagerte sich der Schwerpunkt der Aktivitäten eindeutig auf die Leistungssteigerung. Viele Unternehmen haben Transformationsprogramme mit dem Ziel kurzfristiger Leistungssteigerungen und langfristiger Wettbewerbsvorteile gestartet, etwa in den Bereichen Produktkomplexreduktion, Lieferkettenoptimierung und SG&A-Redesign. Digitalisierung spielt hier als zentraler Hebel zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität und -effizienz eine wichtige Rolle.

Ausblick Wir gehen davon aus, dass sich die Fokussierung auf Profitabilität fortsetzt, wobei die Auswirkungen der laufenden Programme noch deutlicher sichtbar werden. Alle makro­ökonomischen Indikatoren deuten auf ein langsameres globales Wachstum und anhaltende Unsicherheiten durch Handelsbeschränkungen, Brexit und volatile Ölpreise hin. In diesem Umfeld werden Investoren Ergebnisverbesserungsprogrammen gegenüber Wachstums- oder Diversifikationsbemühungen klar den Vorzug geben. 
  Frank Steffen ist Partner in der globalen Chemicals Practice von Roland Berger. Seine Schwerpunkte sind ganzheitliche Performance- Improvement-Programme und Strategieentwicklung für die Wertschöpfungsketten der Spezialchemie. Zuvor hatte er Führungspositionen in der chemischen Industrie in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Vertrieb & Marketing und General Management inne.

Martin Erharter ist Partner in der Chemicals und Pharmaceuticals Practice von Roland Berger. Seine Schwerpunkte sind Operationsstrategie, Marketing & Sales sowie Organisationsentwicklung. Zuvor hatte er Führungspositionen in der pharmazeutischen Industrie in den Bereichen Marketing & Vertrieb, technischen Betrieb sowie Finanzen & Administration inne.

 

 

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