Märkte & Unternehmen

CHEMonitor 2/2019 – Nachhaltige Wertschöpfung

Die Stimmung unter Chemiemanagern ist schlecht, ein Wertewandel in der Wirtschaft könnte Abhilfe schaffen

31.10.2019 - Die Stimmung unter deutschen Chemiemanagern hat im Oktober einen Tiefpunkt erreicht.

Nur noch 57 % bewerten den Standort Deutschland mit „gut“, 29 Prozentpunkte weniger als noch im April dieses Jahres. Doch Deutschland bietet der Branche auch Potenzial für eine nachhaltige Wertschöpfung wie kein anderer Chemiestandort weltweit. Dies zeigen die Ergebnisse der aktuellen CHEMonitor-Befragung.

Für das 33. Trendbarometer ­CHEMonitor wurden Top-Manager der deutschen Chemieindustrie von September bis Oktober 2019 befragt. Ein Schwerpunkt der gemeinsamen Konjunkturumfrage von CHEManager und des Beratungsspezialisten Camelot Management Consultants lag dabei auf dem Thema nachhaltige Wertschöpfung und deren Bedeutung für die deutsche Chemieindustrie.

„Die deutsche Chemie befindet sich
in einem deutlichen Stimmungstief.
Jetzt gilt es, den Blick auf neue Chancen zu richten.
Nachhaltigkeit im Geschäftsmodell ist eine dieser Chancen“

Josef Packowski, Managing Partner, Camelot Management Consultants

 

 

„Die deutsche Chemie befindet sich in einem deutlichen Stimmungstief und straft den Standort Deutschland mit der schlechtesten Bewertung seit 2013 ab“, bringt Josef Packowski, Managing Partner bei Camelot Management Consultants, die Ergebnisse der aktuellen CHEMonitor-Befragung auf den Punkt. Bewerteten vor drei Jahren noch neun von zehn Managern den Standort Deutschland mit „gut“ oder „sehr gut“, liegt der Anteil heute bei 57 % – darunter kein Manager mehr, der die Bestnote vergibt. Ein Grund für den Stimmungsumschwung ist im anhaltenden konjunkturellen Abschwung der Branche zu sehen: Bereits im Jahr 2018 sank die Chemieproduktion um 1,5 %; für das Gesamtjahr 2019 sagte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) im Juli einen weiteren Rückgang um 4 % voraus.

Die Analyse einzelner Standortfaktoren zeigt, dass insbesondere Digitalisierung, Arbeitskosten und Energiekosten im Oktober deutlich negativer bewertet wurden als noch im Frühjahr dieses Jahres. So stieg der Anteil der Bewertungen mit „schlecht“ bei der Digitalisierung um 22, bei Arbeits- und Energiekosten um je 16 Prozentpunkte. Während bei den Arbeitskosten der Start der Chemie-Tarifverhandlungen während des Befragungszeitraums den Negativtrend verstärkt haben könnte, gerieten Energie- und Stromkosten im Zuge der Debatte zur Treibhausgasneutralität vor der Verabschiedung des Klimapakets der Bundesregierung wieder stärker in den Fokus der Branche.

Nachhaltigkeit wird zum Standortfaktor
„Jetzt gilt es, den Blick auf neue Chancen zu richten und diese konsequent zu nutzen. Nachhaltigkeit im Geschäftsmodell ist eine dieser Chancen“, kommentiert Packowski die aktuelle Stimmungslage in der Chemie. Betrachtet durch die „Chancenbrille“ der Nachhaltigkeit bietet der Standort Deutschland damit neue Qualitäten für die Chemie: Ein Drittel der Manager (33 %) sehen Deutschland als Vorreiter für nachhaltiges Wachstum, weitere 45 % als frühen Anwender, 20 % als Späteinsteiger und nur 2 % als Nachzügler. Damit ist Deutschland Spitzenreiter, dicht gefolgt von China. Für diese Region scheint sich das Meinungsbild zu wandeln: Erstaunlich hoch mit 30 % ist der Anteil der Manager, die China eine Vorreiterrolle zusprechen, allerdings sehen auch 17 % die Nation als Nachzügler. Die USA schneiden in Bezug auf den Standortfaktor Nachhaltigkeit in den Augen der Chemiemanager deutlich schlechter ab: nur 13 % sehen sie als Vorreiter, 45 % gar als Nachzügler.

Als wesentlich Treiber für den Trend zum nachhaltigen Wachstum sehen die deutschen Chemiemanager ökologische und soziale Faktoren: allen voran der Klimawandel (59%), gefolgt von der Digitalisierung (40 %) sowie dem gesellschaftlichen Wertewandel (33 %) und der Ressourcenknappheit (33 %).

Hoher gesellschaftlicher Wertbeitrag der Chemieindustrie
Bei der aktuellen CHEMonitor-Umfrage stimmten nahezu alle befragten Manager (98 %) der Aussage zu, dass nachhaltiges Wachstum aufgrund zunehmender Umweltprobleme und des gesellschaftlichen Wandels zu einer zentralen Leitlinie der Branche werden und sich als fester Bestandteil in den Strategien der Chemieunternehmen verankern wird. Bei der BASF geschieht dies seit dem Jahr 2013 durch den „Value-to-Society“-Ansatz, bei dem sowohl ökonomische, ökologische als auch soziale Auswirkungen der Geschäftstätigkeit monetär bewertet werden. „Es geht darum, den Blickwinkel auf die Unternehmensleistung zu erweitern“, sagt Saori Dubourg, Mitglied des BASF-Vorstands. „Mit einem ganzheitlichen Werteverständnis möchten wir in der Bilanzierung umfassend die Auswirkungen auf die Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft berücksichtigen. Das Schaffen langfristiger Werte ist die Grundlage für nachhaltigen Geschäftserfolg.“

Einen „hohen“ oder „sehr hohen“ gesellschaftlichen Wertbeitrag der Chemiebranche sehen die Umfrage-Teilnehmer bei der Qualifizierung (89 %) und Entlohnung (70 %) von Mitarbeitern, dem Klima- und Umweltschutz (68 %) sowie der Integration und Chancengerechtigkeit (61 %). Erst auf Rang fünf und sechs folgen ökonomische Wertbeiträge, wie Steuern und der Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt, die von jeweils 53 % genannt werden.
Diese Rangfolge erklärt auch, warum drei Viertel (74 %) der befragten Manager den gesellschaftlichen Wertbeitrag der Chemie­industrie, die als drittgrößte deutsche Industriebranche im Jahr 2018 einen Umsatz von 203 Mrd. EUR erzielte, als hoch bzw. sehr hoch einschätzen, während dies für die beiden deutlich umsatzstärkeren Branchen Maschinenbau und Automobilbau nur 53 % bzw. 45 % der Befragten tun.

„Im Branchenvergleich sieht sich die Chemieindustrie
hinsichtlich ihres nachhaltigen Wertbeitrags
auf dem ersten Platz.“

Jörg Schmid, Studienleiter CHEMonitor, Camelot Management Consultants

„Im Branchenvergleich sieht sich die chemische Industrie hinsichtlich ihres nachhaltigen Wertbeitrags klar auf dem ersten Platz. Die Realität scheint jedoch hinterherzuhinken: Weniger als die Hälfte der befragten Manager schätzt den nachhaltigen Wertbeitrag ihres Unternehmens bereits als positiv ein. Diese Lücke zwischen Schein und Sein gilt es nun zu schließen“, kommentiert Jörg Schmid, Studienleiter des CHEMonitors bei Camelot, die Umfrageergebnisse.
In der Tat sehen derzeit beim Blick auf die eigene Wertschöpfungskette nur etwa vier von zehn Chemiemanagern einen positiven Wertbeitrag ihres eigenen Unternehmens, z.B. für Lieferanten, Kunden oder die Gesellschaft. Ein besseres Monitoring und eine höhere Transparenz dieser Wertbeiträge, wie es der Value-to-Society-Ansatz vorsieht, kann unternehmerische Entscheidungen unterstützen, die nachhaltige Wertbeträge entlang der gesamten Chemiewertschöpfungskette fördern. Der Nutzen der Unternehmen liegt auf der Hand: Höhere und transparente gesellschaftliche Wertbeiträge wirken sich nach Meinung der befragten Chemiemanager positiv auf die Kundenbindung (79 %), die Attraktivität für Bewerber (74 %) und Investoren (63 %), und damit auch auf den Geschäftserfolg des Unternehmens aus.

Transparenz fördert Wertewandel in der Wirtschaft
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung einer nachhaltigen Wertschöpfung forderten 95 % der befragten Chemiemanager bei der CHEMonitor-Umfrage einen Wertewandel in der Wirtschaft. Die Branche trägt selbst maßgeblich dazu bei, diesen zu gestalten. So wurde im Jahr 2013 die Nachhaltigkeits-Initiative Chemie3 durch den Industrieverband VCI, den Arbeitgeberverband BAVC und die Gewerkschaft IG BCE gegründet. Die Allianz hat u.a. 40 Indikatoren entwickelt, um Transparenz über den Fortschritt nachhaltiger Entwicklung in der Chemie zu schaffen.
Im August dieses Jahres wurde die Value Balancing Alliance mit Sitz in Frankfurt gegründet. Im Rahmen der Allianz entwickelt die BASF als Gründungsmitglied gemeinsam mit sieben internationalen Konzernen, vier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, der OECD sowie weiteren Interessenvertretern aus Regierung und Zivilgesellschaft einen internationalen Standard, der die Wertbeiträge von Unternehmen für die Gesellschaft monetär sichtbar machen soll.

Andrea Gruß, CHEManager

 

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