Märkte & Unternehmen

Herausforderung USA

M&A: Wenn deutsche Chemieunternehmen in US-amerikanische Betriebe investieren

18.05.2015 -

Die Vereinigten Staaten sind für Deutschland der wichtigste Markt außerhalb der EU. Etwa 41 % der Direktinvestitionen von deutschen Chemieunternehmen im Ausland entfielen im Jahr 2013 auf die USA, eine Steigerung von mehr als 45 % seit 2005. Experten gehen davon aus, dass in diesem Jahr deutsche Unternehmen in den Vereinigten Staaten 70 Mrd. EUR investieren werden. Ein bedeutendes Beispiel für die verstärkten Investitionen der Branche in den USA ist die Übernahme des amerikanischen Konzerns Sigma-Aldrich durch den Darmstädter Chemie- und Pharmakonzern Merck im Jahr 2014.

Der beschleunigende Faktor für die Erweiterung oder Verlagerung der Produktionskapazitäten in den USA liegt vor allem in den Kostensteigerungen durch die Energiewende in Deutschland, denen die gesunkenen Energie- und Rohstoffkosten durch die Förderung von Schiefergas in den USA gegenüberstehen. Doch auch andere Faktoren stehen für die Attraktivität des nordamerikanischen Marktes für die deutsche Chemie. Die Größe des Binnenmarktes, die bisher unkomplizierte Kapitalbeschaffung und das flexible Sozialsystem sind attraktive Anziehungspunkte für deutsche Unternehmen. Die USA bieten Wachstumsmöglichkeiten, die nicht nur dauerhafte Liefervorteile schaffen, sie bedeutet auch Unabhängigkeit von regionalen wirtschaftlichen Schwankungen und somit langfristige Sicherheit.

Wenn mittelständische Chemiebetriebe in Produktionsanlagen in den USA investieren wollen, so müssen sie ihre mittel- und langfristigen Planungen der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung anpassen. Dies beginnt beim Produktportfolio und führt über die Produktionsprozesse und die Lieferantenstruktur bis hin zur Kostenstruktur. Zudem sollten sie die Vorteile, aber auch die Stolpersteine bei der Übernahme von nordamerikanischen Chemiebetrieben kennen.

Kulturelle Unterschiede nutzen

Der tief verwurzelte Optimismus, der noch immer die Mentalität der Einwanderer widerspiegelt, ist eine nicht zu unterschätzende Stärke der Amerikaner. Diese Einstellung hat schon in der Vergangenheit bewirkt, dass es den USA gelang, schneller und effektiver Krisen zu überwinden als andere westliche Nationen. Auch wenn die Krisen der letzten Jahre tiefe Narben im freien Marktwirtschaftssystem der Vereinigten Staaten hinterlassen haben, so wird der amerikanische Traum von Erfolg und einem besseren Leben dadurch nicht getrübt.

Chemieunternehmen, die eine Investition langfristig planen, können sogar aus den kulturellen Unterschieden zwischen deutschen und amerikanischen Mitarbeitern Vorteile ziehen. So steht bspw. die amerikanische Vorliebe für schnelle, pragmatische Entscheidungen, auch wenn diese eventuell nachgebessert werden müssen, oftmals in Gegensatz zur deutschen Neigung, gründlich alles im Detail zu analysieren. Auch hier ergänzen sich die Kulturen. Der amerikanische Hang zur zügigen Umsetzung führt zu schnellen Veränderungen und Ergebnissen. Diese Eigenschaft hat eine belebende Wirkung auf die Belegschaft der deutschen Muttergesellschaft als auch des übernommenen Unternehmens. Denn, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen oder zu halten, muss oft mutig und schnell gehandelt werden. Dies beherrschen die Amerikaner wie keine zweite Nation und können damit einen positiven Einfluss auf die manchmal unflexible Arbeitsweise der Deutschen haben.

Wenn Gemeinsamkeiten richtig genutzt werden, kann die interkulturelle Zusammenarbeit über eine funktionierende Kommunikation wesentlich gefördert werden. Beispielsweise sollten die Funktionsbereiche an gemeinsamen Projekten arbeiten, um die Unterschiede zu überbrücken. Ingenieure können sich über technische Projekte und Chemiker über Forschungstätigkeiten näher kommen. Logistiker auf beiden Seiten des Atlantiks können ihre Einkaufsmacht bündeln, Lagerstrategien definieren und ihre weltweite Supply Chain optimieren. Betriebsleiter können voneinander lernen, wie sie Produktionskapazitäten besser auslasten und Fehlproduktionen minimieren.

Unterschätzte Stolpersteine bei Firmenübernahmen in den USA

1. Standortsubventionen

Beim Erwerb von Unternehmen und Standorten, die im ersten Moment wie ein „Schnäppchen" wirken, sollten nicht nur die wirtschaftlichen und kulturellen, sondern auch die strukturellen Hintergründe genau geprüft werden. In einem Land wie Amerika ist die Bedeutung der geografischen Lage noch wichtiger als in Deutschland. Gewisse Regionen, wie bspw. der mittlere Westen, sind sowohl infrastrukturell als auch personell schlecht sortiert. So wird die Suche nach qualifizierten Facharbeitern und insbesondere nach Führungspersonal durch einen unattraktiven Standort erheblich erschwert. Nicht umsonst werden in diesen Regionen attraktive Subventionsprogramme von den entsprechenden Bundesstaaten angeboten. Die infrastrukturellen Nachteile müssen häufig durch kostenintensive Schulungen für Facharbeiter und überhöhte Gehälter für Führungskräfte kompensiert werden. Somit sind die im ersten Moment scheinbar attraktiven Standortkosten oftmals mit nicht zu unterschätzenden personellen Entwicklungs- und Unterhaltskosten verbunden.

2. Qualifikationen

Die amerikanischen Fachkräfte sind kaum zu vergleichen mit ihren Pendants in Deutschland. So verfügen Mitarbeiter wie Chemielaboranten oder Chemikanten vielfach nur über rudimentäre Ausbildungen und Fähigkeiten zur Ausführung ihrer handwerklichen Tätigkeit. Wo der Bedarf an Fachkräften mit einem entsprechenden Grad an Fachkompetenz herrscht, müssen externe Dienstleister in Anspruch genommen werden. Weiterbildungsmaßnahmen der eigenen Fachkräfte beinhalten immer ein gewisses Risiko, da, anders als in Deutschland, Mitarbeiterloyalität mehr durch persönliche Vorteile als durch Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber geleitet ist.

Führungskräfte mit Ausbildungen und Erfahrung in den USA zu finden, ist gleichermaßen schwierig. Im Verhältnis zu einem deutschen Manager, der in Studium und Beruf häufig einschlägige Erfahrungen gesammelt hat, sind amerikanische Manager wesentlich universeller, aber dafür oberflächlicher aufgestellt. Für viele verschiedene Firmen in unterschiedlichen Branchen gearbeitet zu haben, gilt als vielseitig und Titel sind per se für Amerikaner nicht von Bedeutung. Dadurch ist es oft schwierig, Führungskräfte für bestimmte Fachbereiche mit der nötigen Erfahrung zu finden. Derartige Defizite aus deutscher Sicht lassen sich am besten durch ein gezieltes „Austauschprogramm" zwischen der deutschen Muttergesellschaft und der amerikanischen Tochter kompensieren. Hierdurch werden sowohl ein gegenseitiges kulturelles Verständnis als auch die unternehmerischen Anforderungen am schnellsten vermittelt.

3. Hire and Fire

Es ist ein weitverbreiteter Mythos, dass man in den USA sich auf einfache und billige Art des Personals entledigen kann. Auch wenn die Gewerkschaften des heutigen Amerikas teilweise geschwächt sind, so haben sie in bestimmten Regionen, immer noch einen hohen Einfluss in Arbeiterkreisen. Tarifverträge sind in vielen Unternehmen nicht mehr zeitgemäß und das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat längst nicht das Niveau und den Grad an Professionalität, den man in Deutschland gewohnt ist. Es ist deshalb nicht ungewöhnlich, dass auch in kleineren Unternehmen mehrere unterschiedliche Gewerkschaften vertreten sind, die über externe Vertreter mit den Unternehmern verhandeln. Personalmaßnahmen können nur schwerfällig umgesetzt werden und benötigen die Unterstützung von teuren Fachanwälten.

Außertarifliche Mitarbeiter werden im Falle einer Entlassung fast immer ihren Arbeitgeber verklagen. Da selbst leitende Angestellte selten einen Arbeitsvertrag von ihrem Arbeitgeber erhalten, sind sie gezwungen, auf diese Weise ihren Anspruch auf eine Abfindung indirekt einzuklagen. Als Vorwand wird meistens eines oder mehrere der vielen Diskriminierungsgesetze zur Rechtfertigung für die Klage verwendet. Dies führt in Konsequenz zu utopisch hohen Klagesummen die nur mithilfe von teuren Anwälten auf ein vernünftiges Niveau herunterverhandelt werden. Nach unvermeidlich aufwändigen und kostspieligen Rechtsstreitereien endet die Auseinandersetzung meistens in einer Klagesumme, die vergleichbar mit einer angemessenen Abfindungssumme ist. Allerdings kann sich kein Unternehmer über den Ausgang und den Kosten einer derartigen Auseinandersetzung im Endeffekt sicher sein. Um derartig willkürliche Ausgänge zu vermeiden, sollte jeder deutsche Arbeitgeber seine amerikanischen Mitarbeiter mit vernünftigen Verträgen ausstatten, eine sehr einfache aber häufig vernachlässigte Maßnahme.

Fazit: Chemieunternehmen, die sich auf die potenziellen Risiken bei einer Übernahme in den USA richtig vorbereiten und sich den momentanen Markt zu Nutzen machen, schaffen heute die Grundlage für eine auf lange Sicht gesehen florierende Investition in den amerikanischen Markt.

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