Märkte & Unternehmen

Scienceindustries: Frankenstärke belastet exportierende Industrie

Abkehr vom Mindestkurs senkt Wettbewerbsfähigkeit / Scienceindustries fordert Maßnahmen

16.03.2015 -

Seit Jahrzehnten fokussiert sich die Schweizer Chemie-, Pharma- und Biotech-Industrie (Scienceindustries) auf die Entwicklung und Vermarktung von hochwertigen Produkten vornehmlich im Bereich Life Sciences. Aufgrund der hohen Spezialisierung lassen sich die Produkte oft nicht durch ähnliche Produkte von Mitbewerbern ersetzen. Dank dieser Spezialitätenstrategie haben sich die Auslandsumsätze der über 250 Scienceindustries-Unternehmen in den vergangenen Jahren im Vergleich zu anderen Schweizer Exportbranchen überdurchschnittlich gut entwickelt.

Mit 41% aller Schweizer Gesamtexporte ist die Branche inzwischen unangefochten die umsatzstärkste Exportindustrie der Schweiz. Im Jahr 2014 wuchsen die Exporte um 5,4% auf über 85 Mrd. CHF. Insgesamt erwirtschafteten die Scienceindustries-Unternehmen rund 98% ihrer weltweiten Umsätze im Ausland. Mit fast 60% an den Gesamtexporten ist Europa nach wie vor die weitaus wichtigste Abnehmerregion. Die Ausfuhren in die EU-Länder nahmen 2014 um 6,9% zu und erreichten über 47 Mrd. CHF. Deutschland blieb mit einem Anteil von 15,7% wichtigstes Abnehmerland, dicht gefolgt von den USA (15,2%), sowie Italien (7,0%), Frankreich (5,9%) und Großbritannien (5,3%).

Ohne Mindestkurs sinken die Exporterlöse

Die jüngsten Entwicklungen an den Währungsmärkten erinnern daran, dass die Schweiz keine Insel ist und sich die Schweizer Industrie immer wieder globalen Entwicklungen stellen muss. Der überraschende Entscheid der Schweizerischen Nationalbank SNB, den Mindestkurs von 1,20 CHF zum Euro aufzugeben, stellt die exportierende Industrie vor große Herausforderungen. Auch wenn das Ausmaß der Stärkung des Schweizer Frankens gegenüber wichtigen Währungen noch nicht abschließend beurteilt werden kann, senkt die Abkehr von einem Mindestkurs die Exporterlöse unmittelbar und verschlechtert die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exporte im Ausland. Entsprechend haben sich nicht nur die Wachstumsaussichten getrübt, sondern es könnte auch zu strukturellen Anpassungen in zahlreichen Unternehmen der Scienceindustries kommen. Selbst wenn die global tätigen Schweizer Unternehmen durch ihre breite geografische Diversifizierung recht gut dafür gerüstet sind, den Kostenschock aufzufangen (10-15% der Kosten fallen in Schweizer Franken an), braucht es in diesen Unternehmen künftig zusätzliche Anstrengungen, um Investitionen in der Schweiz zu rechtfertigen. Kleinere Unternehmen und Niederlassungen ausländischer Gesellschaften mit einem höheren Anteil von Kosten in Schweizer Franken und beschränkteren konzerninternen Ausweichoptionen werden durch die Frankenstärke sogar noch erheblich stärker belastet.

Das aktuelle Ausmaß der Frankenaufwertung kann kurzfristig durch wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht kompensiert werden. Die einzige Maßnahme, die annähernd in der erforderlichen Dimension und Schnelligkeit wirken könnte, wäre eine Intervention der SNB an den Devisenmärkten. Nach der Aufgabe des Mindestkurses dürfte dieses Instrument jedoch nur fallweise und in begrenztem Umfang eingesetzt werden können. Nachdem klassische Konjunkturstützungsprogramme angesichts der starken Außenwirtschaftsverflechtung der Schweiz nicht wirksam sind und Subventionen für einzelne Unternehmen oder Branchen aus ordnungspolitischen Erwägungen abgelehnt werden, muss sich die staatliche Wirtschaftspolitik aus Sicht von Scienceindustries auf mittel- bis langfristig wirkende Maßnahmen fokussieren.

Maßnahmenpaket zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit

Neben unternehmerischen Maßnahmen braucht es deshalb auch eine zielgerichtete Unterstützung der Unternehmen durch die Politik. Konkret schlägt Scienceindustries ein dreiteiliges Paket zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und zur Entlastung der Exportindustrie vor:

1. Wiederherstellen der Planungssicherheit in strategischen Bereichen

Durch das Vorziehen wichtiger anstehender Reformen sollen die Unternehmen eine höhere Planungssicherheit bezüglich strategischer Rahmenbedingungen erhalten. Beispiel dafür ist die Umsetzung der vom Schweizer Volk angenommenen Masseneinwanderungsinitiative, welche die Zuwanderung von ausländischen Personen in die Schweiz kontingentieren will. Diese ist möglichst europakonform umzusetzen, sodass die bilateralen Verträge mit der EU im Wesentlichen erhalten bleiben. Auch die Unternehmenssteuerreform III muss voll und ganz auf die rasche Sicherung des Ersatzes der bestehenden Steuerregime ausgerichtet werden. Die Lizenzbox als zentrale Ersatzmaßnahme muss dabei so breit wie international vertretbar ausgestaltet werden. Eine darauf abgestimmte steuerliche Förderung der Forschung und Entwicklung ist ebenfalls vorzusehen. Ferner muss der Erhalt der internationalen Exzellenz im Bereich der öffentlichen Bildung und Forschung weiterhin prioritär bleiben. Bezüglich der künftigen Teilnahme von Forschern aus der Schweiz an den EU-Rahmenforschungsprogrammen Horizon 2020 ist rasch Klarheit zu schaffen.

2. Regulierungsmoratorium

Auf anstehende, für die Unternehmen kostenträchtige Regulierungsvorhaben soll entweder ganz verzichtet werden oder deren Umsetzung soll erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Damit sollen bevorstehende zusätzliche Belastungen der Unternehmen vermieden werden. Beispielsweise ist im Rahmen der Energiestrategie 2050 die kostendeckende Einspeisevergütung KEV (entspricht der EEG in Deutschland) für die Industrie nicht zu erhöhen und die Laufzeit der KEV-Förderung zu begrenzen. Darüber hinaus ist auf die Aktienrechtsreform vorerst zu verzichten.

3. Smart Regulation

Bestehende, ineffiziente und kostenintensive Regulierungen sollen vereinfacht oder abgeschafft werden. Die Effizienz des Staates soll damit erhöht und die von den Unternehmen zu tragenden Regulationskosten verringert werden. Als Beispiele seien hier die Einführung des Einheitssteuersatzes bei der Mehrwertsteuer, eine pragmatische Umsetzung der CO2-Härtefallregelung bei der CO2-Gesetzgebung sowie verschiedene hausgemachte und nicht-tarifäre Handelshemmnisse im Außenhandel erwähnt.

Die Umsetzung dieses Maßnahmenpakets wird Unsicherheiten über strategisch wichtige Rahmenbedingungen beseitigen und die Scienceindustries-Unternehmen kostenmäßig entlasten. Damit werden die Unternehmen in ihrer langfristigen Strategie der permanenten Innovation unterstützt und die Schweiz als Standort innovativer Industrien gefestigt.

Wasserstoff für die Prozessindustrie

News & Hintergrundberichte

CITplus Insight

Aktuelle Themen aus der Prozess- und Verfahrensindustrie

Registrieren Sie sich hier

CHEMonitor

Meinungsbarometer für die Chemieindustrie

> CHEMonitor - Alle Ausgaben

Social Media

LinkedIn | X (Twitter) | Xing

Wasserstoff für die Prozessindustrie

News & Hintergrundberichte

CITplus Insight

Aktuelle Themen aus der Prozess- und Verfahrensindustrie

Registrieren Sie sich hier

CHEMonitor

Meinungsbarometer für die Chemieindustrie

> CHEMonitor - Alle Ausgaben

Social Media

LinkedIn | X (Twitter) | Xing