Logistik & Supply Chain

Angelos P. Orfanos, DHL, im Interview: "Gut ausgebaute Infrastruktur für Life Science Sektor"

DHL bietet der Life Science Industrie unterschiedliche Spezialanwendungen

13.03.2013 -

Globalisierung, Outsourcing und ein Trend in Richtung Generika und Biopharmazeutika sind Schlüsselfaktoren, die im Life Sciences Bereich die Strategien für die Logistik bestimmen. Logistikunternehmen wie DHL bieten Speziallösungen an, um diesen Anforderungen nachzukommen. Dr. Sonja Andres sprach mit Angelos P. Orfanos, Präsident, Life Sciences and Healthcare, DHL Customer Solutions & Innovation, über die speziellen Anforderungen der Life Sciences Industrie, Regulatorien und den Einfluss der Schwellenländer.

Herr Orfanos, können Sie uns etwas zur allgemeinen Produktstruktur in der Life Sciences Branche sagen? Was sind „Schlüsselmärkte" für die Produkte? Konzentriert sich DHL auf einige dieser Märkte stärker als auf andere?

Angelos P. Orfanos: Jeder der vier Unternehmensbereiche, die unter der Marke DHL operieren, bietet maßgeschneiderte Dienstleistungen und Lösungen für den Life Sciences- und Healthcare-Markt an. Die Kerndienstleistungen umfassen Lagerhaltung, Auftragsabwicklung und Transportmanagement. Darüber hinaus bieten wir Umverpackung, Krankenhauslogistik, Luft- und Straßentransport für Kühlketten und Logistik für klinische Studien an. Außerdem unterstützen wir die Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Was die Frage nach den Märkten angeht, in denen wir am aktivsten sind: In puncto Produktion sind die USA und Westeuropa nach wie vor die größten Märkte. Voraussichtlich wird sich daran bis zum Jahre 2020 auch nichts ändern. Indien hat sich zum drittgrößten Herstellerland entwickelt. China wird Prognosen zufolge bis 2020 in die Top fünf aufsteigen. Das gilt vor allem für die Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe.

Hinsichtlich des Verbrauchs liegen die USA, Japan, Deutschland, Frankreich und China derzeit an der Spitze. Schwellenländer sind Brasilien, Russland, Indien, China, Mexiko und die Türkei. Dies sind die Wachstumsmärkte der Zukunft - auch wenn unsere Stammmärkte weiterhin stark bleiben werden. Die Branche investiert in diese Märkte, genauso wie wir dort künftig investieren und neue Leistungen entwickeln werden.

Was kann ein Logistikunternehmen tun, um auf diesen Absatzmärkten ein gutes Geschäftsergebnis zu erzielen?

Angelos P. Orfanos: Was genau unter einem guten Geschäftsergebnis zu verstehen ist, hängt vom Markt ab. Life Sciences-Produkte sind nicht zu vergleichen mit anderen Waren, wie z.B. Autoreifen oder Modeartikeln. Sie haben viel höhere Qualitätsansprüche. Unsere Leistung hängt in diesem Fall nicht allein von Lieferpünktlichkeit und -effizienz ab. Darüber hinaus kommt es darauf an, die Ware während des Transports und der Lagerung richtig zu handhaben.

Um diesen Ansprüchen an unsere Leistung gerecht zu werden, bieten wir unseren Kunden als Logistikanbieter für die Life Sciences- und Healthcare-Branche fortschrittliche Infrastruktur, das beste Transportnetzwerk, einwandfreie Leistungsqualität, innovative und unkomplizierte Lösungen, beispiellose Fachkompetenz und einmaliges Know-how.

Haben sich die Rahmenbedingen in den letzten Jahren wesentlich verändert?

Angelos P. Orfanos: Wir beobachten drei Hauptentwicklungen auf dem Markt. Zunächst einmal hat die Globalisierung in den letzten Jahren das Umfeld verändert. Hersteller zieht es an verschiedene Orte auf der ganzen Welt. Diese Verlagerung von Verbrauch und Herstellung verändert die logistischen Anforderungen und die Lieferkette. Aus diesem Grund investieren wir in branchenspezifisches Fachwissen und eine speziell auf den Life Sciences Bereich zugeschnittene Infrastruktur. Beispielsweise haben wir „Life Sciences and Healthcare Competence Centers" in Schlüsselmärkten und an Standorten mit vielen Kunden errichtet.

Outsourcing ist der zweite bedeutsame Wandel. Der Lieferkette kommt dadurch als Ganzes eine größere Bedeutung zu. DHL hat erfolgreich neue Produkte und Lieferketten-Lösungen für Krankenhauslogistik, Logistik für klinische Studien und ebenso für die Auslieferung pharmazeutischer und medizinischer Geräte auf den Markt gebracht. Auf diese Weise unterstützen wir den Trend zum so genannten Outsourcing.

Die dritte Entwicklung der kommenden Jahre betrifft die steigende Marktbedeutung von Generika und Biopharmazeutika. Dadurch ergeben sich völlig neue Anforderungen an die Lieferkette. Ein Pharmahersteller, der ein preisgünstigeres Produkt verkauft, wird sich nach kostengünstigeren Liefermöglichkeiten umsehen. Gleichzeitig muss er die hohen Qualitätsstandards für Lieferung und Lagerhaltung des Produkts aufrechterhalten. Dieser Hersteller mag seinen Sitz in Indien, Korea oder China haben, wodurch sich besondere Anforderungen und Vorschriften bezüglich Beförderung, Lagerung und „Compliance" ergeben.

Innerhalb der Pharmaindustrie haben sich Biopharmazeutika zu einem wachstumsstarken Marktsegment entwickelt. Entlang der gesamten Transport- und Lagerkette müssen besondere Temperaturanforderungen beachtet werden. Das erfordert optimierte Verpackung, bessere Verfahren und Kapazitäten sowie verbesserte Infrastruktur. DHL erfüllt diese speziellen Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden beispielsweise mit einem europaweiten, Kühlketten-Netzwerk für Teilladungs- und Sammelladungsverkehre (Less-than-truckload).

Wie beurteilen Sie die neuen Leitlinien und Verordnungen für die Life Sciences Industrie (z.B. die GDP-Leitlinie der EU)?

Angelos P. Orfanos: Die europäische GDP-Leitlinie wird derzeit überarbeitet. Wichtiges Feedback von Fachleuten aus der Industrie und von DHL hat dazu beigetragen. Wir beteiligen uns an dieser Debatte und bringen unsere Erkenntnisse ein. Dabei stützen wir uns auf unser Fachwissen, um bei der Entwicklung der EU-Richtlinien mitzuwirken. Wir sind gespannt, wie der nächste Entwurf ausfallen wird. Bei Bedarf werden wir dann erneut beratend tätig werden. Sicher ist, dass die Vorschriften für die Lagerung und den Transport von Life Sciences Produkten verschärft werden.

Weltweit gab es jedoch aus unserer Sicht bis jetzt keine Veränderungen bezüglich der Handelsbarrieren für Life Sciences Produkte und ich gehe nach jetzigem Stand davon aus, dass das erst mal so bleiben wird. Wichtige Faktoren werden hier die Vorschriften zu Patientensicherheit und Produktintegrität sein. Das betrifft insbesondere Themen wie Fälschungen und Produktbeschaffenheit. DHL hat bereits Lösungen entwickelt, die den vorliegenden Vorschriften entsprechen. Damit unterstützen wir unsere Kunden, ihre Geschäfte fortzuführen und ihre Produkte im Markt zu positionieren.

Immer mehr Arzneimittel und Medizinprodukte haben exakte Temperaturvorgaben, die bei Lagerung und Transport eingehalten werden müssen. Führt das zu logistischen Herausforderungen oder sogar zu Problemen?

Angelos P. Orfanos: Ich würde hier eher von Herausforderungen als von Problemen sprechen. Das Problem ist längst gelöst. Die Branche verfügt bereits über Mittel zur temperaturgeführten Beförderung solcher Produkte. Die Herausforderung besteht darin, wirtschaftlich zu arbeiten.
Es gibt Pharmazeutika, die sehr exakt temperiert werden müssen. Diese Temperatur zu halten, während die Ware zur richtigen Zeit an den richtigen Ort befördert wird, stellt eine Herausforderung dar. Wir haben strenge Kühlkettenprozesse und -verfahren entwickelt, um sicherzustellen, dass unser Transportangebot die Anforderungen unserer Kunden erfüllt.

Stichwort Kühlkette - welche Schwierigkeiten bestehen hier? Was muss gutes Lieferketten-Management leisten, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten?

Angelos P. Orfanos: Ich sehe hier drei Grundvoraussetzungen. Erstens braucht man ein geeignetes Verkehrsnetz, um die Kühlkette aufrechtzuerhalten. Zweitens müssen die Prozesse optimiert werden und schließlich benötigt man hervorragendes Personal.

DHL bietet hochentwickelte spezialisierte Leistungen an. „DHL Airfreight Plus Pharma" beispielsweise ist eine Übernacht-Transportlösung für die Lieferung von Haus zu Haus innerhalb von Europa. Dieses Angebot wurde speziell für die End-to-End-Transportanforderungen der Life Sciences Industrie entworfen. Sie wurde von unserer Freight Organisation entwickelt, ebenso wie unser Coldchain Network. Unsere „LTL Coldchain"-Transportlösung beispielsweise deckt den Bedarf von Kunden ab, die weniger als eine Container- oder Lkw-Ladung von einem Standort in Europa zu einem anderen befördern möchten.
Wichtig ist, dass alle Beteiligten ihre Arbeitsabläufe aufeinander abstimmen. Außerdem braucht man die nötige Infrastruktur, um diese Güter zu transportieren. Treibende Kraft ist zudem das Personal. Um diese Art von Fracht reibungslos zu befördern, braucht man engagierte Fachleute, die etwas von der Branche und ihren Eigenarten verstehen. Die Prozesse für die einzelnen Produkte, Regionen und Dienstleistungen müssen dokumentiert werden.

Wie sehen Sie die Rolle der Schwellenländer - sowohl derzeitigen als auch künftigen - in dieser Branche? Werden sie die Lieferkette maßgeblich beeinflussen?

Angelos P. Orfanos: In den Schwellenländern sehen die führenden Hersteller das größte Potential für Wachstum. In Europa und Amerika können sie nur einstellige Wachstumsraten erzielen. Schwellenländer hingegen bieten den Herstellern dank steigender Kundenzahlen und der Verlagerung von Herstellungs- und Beschaffungstätigkeiten in diese Gebiete bessere Chancen. Aus diesem Grund sind wir davon überzeugt, dass sie die Branche maßgeblich beeinflussen werden. Temperaturgeführte Logistik ist ein wichtiger Aspekt.

Bedeutende Wachstumsmärkte sind China und Indien, in denen Wohlstand und Konsumkraft der Bevölkerung zunehmen und Unternehmen neue Geschäftsstandorte aufbauen. Diese Entwicklung wird dazu führen, dass sich die weltweite Situation der Nachfrage nach Arzneimitteln und Medizingeräten verändern wird. Dies wird auch Einfluss auf die Transportmuster in dieser Branche nehmen. Unsere Aufgabe besteht darin, uns auf dieses Wachstum einzustellen und den Kunden maßgeschneiderte Services anzubieten.

Was sind Ihrer Meinung nach zentrale Herausforderungen im Umgang mit und beim Transport von pharmazeutischen Erzeugnissen rund um den Erdball?

Angelos P. Orfanos: Auf Pharmaproduzenten lastet ein großer Preisdruck, wodurch verstärkt Globalisierung und die Tendenz zum Outsourcing vorangetrieben werden. Folglich muss an neuen Industriestandorten die notwendige Infrastruktur bereitgestellt werden, um den im Zuge von Globalisierung und Outsourcing entstehenden Anforderungen gerecht zu werden.

Zunehmende Marktkonsolidierung durch Unternehmensfusionen und -übernahmen ist eine weitere Entwicklung, die auf den Preisdruck zurückzuführen ist. Co-Manufacturing und Co-Marketing mehrerer Hersteller gewinnen in der Branche immer weiter an Bedeutung. Das führt zu Konsolidierungen und verändert Vertriebsstrukturen. Rechtliche Rahmenbedingungen werden auch weiterhin Herausforderungen und Chancen schaffen, branchenspezifische Bedürfnisse und Ansprüche zu erfüllen.

Große Staaten wie China und Indien sowie Regionen in Afrika und Lateinamerika werden weiter großes Wachstumspotential aufweisen. Andere Regionen der Welt werden zu ihnen aufschließen und auch dort wird der Konsum steigen. All diese Entwicklungen werden sich auf das Lieferketten-Management der Hersteller auswirken. Wenn ich einen Blick in die Zukunft der pharmazeutischen Lieferkette werfe, dann sind das die zentralen Herausforderungen.

 

 

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