Logistik & Supply Chain

BVL Forum Chemielogistik: Effizienter Umgang mit Ressourcen

Chemielogistiker sprechen über Personalknappheit, Digitalisierung und Outsourcing

13.08.2019 -

Begrenzte Rohstoffe, eine Verknappung an Personal, Flächen und anderer Kapazitäten zwingen auch Chemieunternehmen zu mehr Effizienz und in vielen Bereichen zu einem Umdenken. Den effizienten Einsatz von Ressourcen hat das diesjährige BVL Forum Chemielogistik aufgegriffen und die Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.

Zum Forum Chemielogistik hatte der Bundesverband Logistik (BVL) in diesem Jahr nach Dresden ins Hygiene-Museum eingeladen und ca. 120 Teilnehmer waren gekommen, um sich zum Thema „Ressourcen effizient einsetzen“ auszutauschen. Tags zuvor hatte der diesjährige Gastgeber, die BASF Schwarzheide, eine abwechslungsreiche und gut besuchte Betriebsführung zu den logistischen Highlights des Betriebsgeländes Schwarzheide angeboten.
„Wir durften der Chemie gestern sehr nahe kommen“, begrüßte deshalb Thomas Wimmer, BVL den Gastgeber Colin von Ettingshausen, BASF Schwarzheide. Dieser benannte Logistik und Chemie als wichtige Wirtschaftsbereiche. Die Logistik sei als strategisches Feld fest im Unternehmen verankert. Man wolle künftig noch mehr logistische Drehscheibe sein. Unter dem Motto „Chemie, die verbindet für eine nachhaltige Zukunft“ soll der Standort verstärkt durch neue Technologien sowie die Logistik zum Nachhaltigkeits-Champion werden. Ziel der BASF sei es, bis 2030 CO2-neutral zu wachsen.

Der Produktionsstandort Schwarzheide weise innerhalb der BASF eine optimale Lage auf. Neue strategische Projekte seien u. a. der Bahnhof Ruhland und der Terminalausbau. In Bezug auf die neue Seidenstraße soll Schwarzheide künftig wichtiger Anlaufpunkt sein. Und auch in Sachen Personal will das Unternehmen eine Vorreiterrolle einnehmen und unterstützt u. a. den Bau des Leistungszentrums Schwarzheide.

Mangelware: Fachkräfte

„Strukturwandel funktioniert nur, wenn gemeinsam gehandelt wird“, betonte Staatssekretär Hendrik Fischer, Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg, Potsdam in seinem Grußwort zur Bedeutung der Chemie und Logistik für die Region. Er begrüße den Schulterschluss beider Wirtschaftsbereiche mit BASF und Bertschi als Player auf beiden Seiten. Fischer ging auch auf die drohende Verknappung von Fachkräften in der Region ein. Nach Jahren der Arbeitslosigkeit bei 20 % sei laut einer aktuellen Studie künftig ein Mangel an Fachkräften in der Region zu befürchten.

An das Thema Fachkräftemangel und Ausbildung knüpfte auch der Vortrag „Personalrekrutierung aus Unternehmens- und Branchensicht“ von Thomas Schmidt, Infraserv Logistics an: „Die Zahl der ausscheidenden Arbeitnehmer im Unternehmen trifft auf geringes Potenzial an Nachwuchs.“ Die Mangelberufe seien insbesondere Chemikanten, Lkw-Fahrer und Lokführer. Chemikanten könnten in der Logistik verglichen mit der chemischen Industrie nicht so gut bezahlt werden, denn die Chemie­industrie biete gegenüber der Logistik bessere Tarife und Konditionen. Vermehrt sei eine sinkende Qualifikation und ein „No-show“ der Bewerber oder beim Arbeitsantritt festzustellen.

Beim modernen Recruiting setze man auf digitale Medien. Schmidt zeigte ein gelungenes, sehr authentisches Recruiting Video zum Lokrangierführer. Er empfahl, die eigenen Mitarbeiter als Quelle für neue Mitarbeiter zu nutzen. Ein wichtiger Part sei auch, den angestammten wie den neuen MitarbeiterInnen die Möglichkeit der Vereinbarung von Beruf und Familie anzubieten Schmidt lobte die Initiative „Die Wirtschaftsmacher“, die dem Arbeitskräftemangel in der Logistik entgegenwirken soll.

Outsourcing Trends

Die Diskussion zum Thema „4PL in der Chemieindustrie“ leitete Klaus-Peter Jung, Miebach Consulting, mit der Vorstellung der wichtigsten Ergebnisse aus der aktuellen Chemielogistik-Studie ein, die in Medienpartnerschaft zu CHEManager entstand (s. hierzu CHEManger 5/2019 sowie CHEManager International Distribution & Logistics 2/2019). Hierin wurde ein Trend weg von 4PL-Dienstleistungen festgestellt.

Die von Thomas Wimmer moderierte Diskussionsrunde, bestehend aus Klaus-Peter Jung, Andreas Backhaus / BASF, Berthold Jesse / DB Cargo BBT, Albert Schönecker / Covestro und Constantin Reuter / Camelot Management Consultants bestätigte überwiegend diesen Trend. Logistik sei wichtig für die Chemiebranche, der Trend ginge aber weg von 4PL. Straßentransporte würden teils wieder inhouse genommen. Auch auf Anbieterseite stellt man eine begrenzte Nachfrage der 4PL-Leistungen fest. Das 4PL-Servicethema sei vielfach noch wichtig für Mittelständler, die nach ABC-Kunden klassifizieren, aber selbst keine ABC-Logistik aufgebaut hätten. Thematisiert wurde auch die Frage ob 4PL durch zunehmende Digitalisierung ersetzbar werde. Bei geeigneten technischen Voraussetzungen könne eine clevere Software künftig durchaus an die Stelle der 4PL treten.

Intelligente Häfen und vollautomatisierte Standorte

„Effizientere Nutzung bestehender Ressourcen und Assets durch optimierte, einsehbare Hafenprozesse“, lautete der Titel des Referats von Roland Klein, Hafen Rotterdam: „Containerströme steigen, wobei die Container-Aktivitäten über das gesamte Hafengebiet verteilt sind.“ Mit einem Wachstum von ca. 5,7 % hätten diese auch Auswirkungen auf die Hinterlandverkehre. Der Modalsplit liege z. Z. bei 14 % Bahn, 31 % Barge, 25 % Straße und 30 % Feeder. Eine Verbesserung der digitalen Infrastruktur sei unumgänglich und der Hafen Rotterdam hätte sich u.a. zum Ziel gesetzt, digitalen Trends zu folgen, die sich auf die globale Logistik und den Hafensektor auswirken.

Klein ging näher auf die digitalen Tools Pronto und Boxinsider ein. Pronto dient der Verkürzung von Ladezeiten, denn z. Z. hätten 30 % aller Schiffe Verspätung. Die Zahl der Nutzer dieses Optimierungstools bspw. sei von 5 (2015) auf 50 (2018), die der Anwender sei um mehr als das 60-fache angestiegen. Boxinsider dient der Supply-Chain-Optimierung und soll Verladern wie Spediteuren Transparenz verschaffen. Die Plattform bilde die gesamte Lieferkette ab mit dem Resultat einer allgemeinen Verbesserung der Supply Chain.

Über die „Zukunftsorientierte Intralogistik an einem Chemiestandort“ referierte Andreas Backhaus, BASF. Die Intralogistik am Standort sei dominiert vom Bahntransport mit täglich durchschnittlich 400 Transporten. Da eine Einlagerung von klassischen Bahncontainern nur bedingt möglich ist, hat das Chemieunternehmen einen neuen Tankcontainer-Typ, den BASF-Class Tank Container (B-TC) mit einem Fassungsvermögen von 73.000 l fertigen lassen. Dieser könne separat gelagert werden, sei aber nicht geeignet für den Lkw-Transport. Seit Juli 2018 ist auch ein vollautomatisches Tankcontainerlager mit zwei Portalkränen und acht Ladeslots bei höchsten Sicherheitsvorkehrungen und Standards in Betrieb, das nach der Auslösung eines Transportauftrags durch den Produktionsbetrieb völlig selbsttätig funktioniere.

Für den Containertransport am Standort wurde kürzlich ein spezielles, selbstfahrendes Transportmittel entwickelt, das Automated Guided Vehicle (AGV). Es erlaubt den intermodalen Austausch der Container zwischen Bahn und AGV. Seit dem 2. Halbjahr 2018 sind damit auch Gefahrguttransporte auf ca. 100 km Werksgelände möglich, wobei die Fahrt unter ständiger Überwachung rein elektrisch abliefe. Das Prinzip wird auf andere Standorte ausgedehnt werden. In China soll der erste vollautomatische Standort entstehen.

Supply Chain total digital

Den Faden der Digitalisierung nahm Uwe Veres-Homm, Fraunhofer SCS, in seinem Vortrag „Digitalisierung strategisch steuern – 4 Schritte auf dem Weg zur datengetriebenen Supply Chain“ auf. (s. Artikel S. 13) und erläuterte, wie sich Digitalisierung strategisch umsetzen lässt. Den Kern der Digitalisierung stellen die „Daten“ des Unternehmens dar. Hier würden klassische SAP-, ERP- und MES-Systeme als Dateninseln existieren. Der erste Schritt müsse deshalb sein, den Use-Case mit den größten Verbesserungspotenzialen heranzuziehen.

Dann stelle sich die Frage nach den Verfahren, die zu verwenden sind, um einen Mehrwert aus den Daten zu erhalten. Im dritten Schritt sei der Algorithmus mit der höchsten Vorhersage-Güte zu ermitteln. Oft fehle hier die Möglichkeit, auf eine ausreichend lange und genaue Datenlage zurückzugreifen. Die abschließende und entscheidende Frage ziele auf das zu wählende Geschäftsmodell. Der gesamte, komplexe Transformationsprozess müsse durch die entsprechenden Kompetenzen unterstützt werden.

Den Forumstag beendete ein Referat von Sören Albrecht, Symotion, der unter dem Titel „Sensible Güter gehören in die richtigen Hände“ über die Erfahrungen seines Unternehmens bei der Pilotierung digitaler Beförderungsdokumente für Gefahrguttransporte sprach. Seit 2016 erlaubt die europäische Rechtslage die elektronische Abbildung gefahrgutbegleitender Beförderungsdoku­mente. Diese Option wurde von den Partnern GBK und Startrac in einer einfach zu bedienenden Internet-Plattform TP1 (Trusted Partner 1) als Cloud Service umgesetzt, die Symotion nun nutze, um Shuttle-Verkehre mit Gefahrgut nach 5.4.1 ADR/RID/ ADN papierfrei zu dokumentieren.

Mittels Notfallnummer, die gut sichtbar mit einem Magnetschild am Zugfahrzeug des Transports angebracht wird, ermögliche das TP 1 System die Datenabfrage durch Behörden und Rettungsdienste. Aufgrund der guten Erfahrungen möchte Sy­motion weitere Verkehre digitalisieren und prüfe hierfür nun den Einsatz der kommenden mobilen TP 1-App für Fahrer und mit direktem ERP Anschluss. Insbesondere auch, um einen nachhaltigen Beitrag zu leisten, da allein bei innerdeutschen Lkw-Gefahrguttransporten pro Jahr geschätzte 75 Mio. gedruckte Seiten eingespart werden könnten.

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