Logistik & Supply Chain

GDP-Zertifizierung: Prozessqualität der Pharmadistribution erhöhen

Im CHEManager-Roundtable diskutieren Experten zum Thema GDP-Zertifizierung

21.05.2016 -

Die EU-Leitlinien zur Good Distribution Practice (GDP) von 2013 wurden vor ca. einem Jahr mit der EU-Leitlinie zu den Wirkstoffen nun weiter vervollständigt. In Zusammenhang der Konformität von Logistikdienstleistern mit der neuen Richtlinie stellte sich nun auch die Frage: Welchen Nutzen haben Industrie, Handel, Behörden und Dienstleister von einer externen GDP-Auditierung bzw. -Zertifizierung der Logistikdienstleister?

CHEManager hatte Pharmalogistik-Experten nach Weinheim eingeladen, um diese Frage gemeinsam zu erörtern. Am Roundtable nahmen teil Dr. Nicola Spiggelkötter, Knowledge&Support, André Reich, Geschäftsführer der Unitax-Pharmalogistik, Christian Knoblich, Geschäftsführer bei Trans-o-flex, und Wolfgang Engel, Leiter Competence Center Logistics bei der DQS. Die Diskussion leitete Dr. Sonja Andres, CHEManager.

CHEManager: Hat die EU-GDP Leitlinie seit Inkrafttreten bereits größere Auswirkung im Pharmalogistikbereich gezeigt?

C. Knoblich: Was den Pharmalogistikbereich am intensivsten beschäftigt hat, war das Ambient-Thema  beziehungsweise die Temperaturführung beim Transport. Als Dienstleister, der die Pharmahersteller in Deutschland in vielfältiger Form mit Transport- oder Logistikdienstleistungen betreut, hat sich die Trans-o-flex-Gruppe hier in der Verpflichtung gesehen, den Anforderungen mit einem entsprechenden Produkt gerecht zu werden. Seit über zwei Jahren sind wir jetzt damit im Markt und er bewegt sich nun ganz deutlich hin in Richtung aktive Temperaturführung beim Transport.

N. Spiggelkötter: In Deutschland hatten wir eine Art Wellenbewegung. Im November 2011 bei Veröffentlichung der ersten Entwurfsversion der GDP-Guideline kam das große Erschrecken: Wie setze ich dies um? Wie kann ich es implementieren? Gibt es Anbieter, die mir das gewährleisten? Rennen mir jetzt die Kosten weg? Muss ich dies über die ganze Wegstrecke einhalten? Den Befürchtungen folgte sogleich: Wie kann ich diese klare Anforderung möglichst umgehen? Je näher die Kette in Richtung Apotheke kam, desto ablehnender wurden die Neuerungen aufgenommen und diskutiert.

Nun haben wir seit 1. März 2016 die DINSpec91323 veröffentlicht, die eine Standard Testprozedere beinhaltet und allen Anwendern so eine Vergleichbarkeit bringt. Nach dem Motto, das entspricht den akzeptierten Standards oder nicht. Drei Jahre haben wir benötigt, bis sich alle 40 Teilnehmer aus Industrie und Verbänden auf ein Standardprozedere einigen konnten.

Die Behörden spielen bei der Umsetzung der GDP-Guideline eine sehr wichtige Rolle. In zwei, drei Jahren wird keiner mehr über temperaturgeführten Versand reden. Es ist dann einfach Fakt á la Österreich. Dort hat die Implementierung drei Jahre gedauert.

Danke für das Stichwort: Österreich hatte bereits vor einigen Jahren eine neue Richtlinie auch in Bezug auf den Pharmatransport eingeführt, Herr Knoblich?

C. Knoblich: Ja, ich hatte die Freude, das vor vielen Jahren schon in Österreich zu erleben - für alle relativ überraschend mit einer Arzneimittelbetriebsordnung quasi über Nacht. Plötzlich galt die Lagertemperatur auch für den Transport. Das hat alle aufgeschreckt. Man hat – aus meiner Sicht sehr vernünftig -- einen Übergangszeitraum definiert. Zwei Jahre, in denen sich alle Marktteilnehmer darauf vorbereiten konnten. Nach Ablauf dieser Übergangsfrist ist dann scharf geschaltet worden. Das hat gut geklappt, ist nun in Österreich seit vielen Jahren Standard und wirft keine Fragen mehr auf.

Das lief in Deutschland nun etwas anders. Herr Reich, nochmals zurück zur EU-GDP Leitlinie und deren Auswirkungen im Pharmabereich…

A. Reich: Nach zögerlichem Anfang lässt die Behörde nun den nötigen Druck spüren. Dies erhöht das Bewusstsein für die Sache in den Unternehmen.

Trans-o-flex beispielsweise trat hier innovativ ein mit der Investition in den Ambientbereich in Deutschland. Doch die Unternehmen im Pharmasektor waren in der Vergangenheit eher zurückhaltend, nach dem Motto, wird nicht benötigt, machen wir so wie immer. Bei Trans-o-flex wurde letztendlich einfach in das Unternehmen investiert. Nun stehen wir wieder vor der großen Frage: Investieren wir in die Zukunft, ja oder nein?

Eigentlich sollten die Anforderungen aus der Industrie kommen und nicht aus der Gesetzgebung. Es ist ein großer Widerspruch, im Pharmabereich bis ins Kleinste zu reglementieren und vorzuschreiben, um am Ende dann alles irgendwie durch die Gegend zu fahren. Das passt einfach nicht zu Deutschland, wo alles reguliert ist, und passt schon gar nicht zum Arzneimittel.

W. Engel: Was wir in der Logistik ganz gut im Griff haben, sind die Bereiche 2-8°C. Hier gibt es keine Diskussion. Diese Ware muss aktiv im Kühlfahrzeug transportiert werden. Der Ambientbereich 15-25°C ist eine andere Geschichte, hier war bislang eine Grauzone.

Auf dieses Thema in Audits angesprochen, wird mir immer wieder gesagt: Der Kunde ist oft nicht bereit, mehr zu bezahlen. Beim Hinweis auf die Verantwortlichkeit des Kunden für den Prozess höre ich wiederum oft: Wir bieten zwei Möglichkeiten an, den Transport mit einem aktiv gekühlten Fahrzeug und den ganz normalen Transport. Letztendlich entscheidet der Kunde.

A. Reich: Diese Frage stellt sich für uns Spezialisten nicht. Ambient ist ganz klar temperaturgeführt – im Sommer wie auch im Winter. Was den Temperaturbereich 2-8°C anbelangt, muss nicht lange darüber geredet werden. Wer bei uns einen Auftrag auslöst, hat die Sicherheit, wenn er im Auftrag ein Kreuzchen bei 2-8 oder Ambient gemacht hat, dann bekommt er diese Leistung. Es stellt sich doch die Frage, ob es der richtige Logistiker ist, wenn er hier nicht spezialisiert ist.

W. Engel:  

Sie haben das gleiche Problem, das wir auch als Zertifizierstelle haben. Sie können eine Lösung so und Sie können eine Lösung anders anbieten. Und jede hat Ihren Preis. Wer eine sichere und zuverlässige Auditierung von GDP wünscht, darf hohe Ansprüche an den Prozess stellen. Aus meiner Sicht genügt es beispielsweise nicht, bei Logistikern und Großhändlern mit mehreren Standorten nur einige wenige Stichproben durchzuführen. Das ist nicht repräsentativ. Wir denken, dass jährlich zirka ein Drittel der Betriebe begutachtet werden muss. Diese Lösung ist natürlich teurer und Sie werden genug Kunden finden, die sagen, nein, dann gehe ich woanders hin.

Was empfehlen Sie dann Ihren Kunden, Herr Engel?

W. Engel: Wir empfehlen unseren Kunden, den Logistikdienstleistern, definitiv, wiederum mit ihren Kunden ganz klare, saubere Verträge zu machen, um diese Verantwortlichkeit auch abzugrenzen. Wenn deren Kunde sagt, für mich ist das ausreichend, dann soll er auch die Verantwortung dafür übernehmen. Als Zertifiziergesellschaft können wir den Kunden nicht vorschreiben, welche Punkte sie einzuhalten haben, sondern wir überprüfen, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind, korrekt transportieren und lagern zu können.

CHEManager: Wie steht es um die Verantwortung der einzelnen Teilnehmer der Medikamentenversorgungskette auch gegenüber dem Patienten? Wie um die Kontrolle?

C. Knoblich: Wenn ich das Volumen ansehe, das heute im Ambient-Bereich gefahren wird, zeigt sich noch immer ein deutlicher Überhang im nicht temperaturgeführten Bereich. In Deutschland ein temperaturgeführtes Netzwerk aufzubauen, ist dabei sowohl eine operative und finanzielle Herausforderung, zumal der Mengenhochlauf auch nicht 100%ig prognostizierbar ist. Die diesbezüglichen Entscheidungen seitens der Industrie kommen oft kurzfristig. Das sehen wir aktuell wieder sehr konkret, denn uns erreichen derzeit viele Anfragen von Pharmaunternehmen, die noch vor dem Sommer ihre Arzneimittelsendungen auf eine aktive Temperaturführung umstellen wollen. Das schöne ist, dass wir uns darauf gut vorbereitet haben.

Wir wollen als Dienstleister unseren Beitrag leisten, dass die Konsumenten oder die Patienten, die in der Apotheke ein Arzneimittel abholen, tatsächlich ein Produkt vorfinden, das in seiner Stabilität nicht angegriffen ist. Denn der Konsument oder der Patient hat oft nicht das Bewusstsein oder fachliche Wissen, um dies sicherzustellen.

N. Spiggelkötter: Die Konsumentenseite wäre in Bezug auf ihre Sensibilität gegenüber Medikamenten sicher noch deutlich ausbaufähig. Auch das Bewusstsein in den herausgebenden Apotheken vor Ort ist durchaus noch steigerungsfähig. Nach der Apothekenbetriebsverordnung muss der entgegennehmende Apotheker seinen Wareneingang kontrollieren. Er müsste in vielen, zweifelhaften Fällen wesentlich markanter reagieren. Nach GDP hätte er ja auch die ganz klare Berechtigung, Temperaturnachweise einzufordern.

C. Knoblich: Ich habe die Information, dass dies in letzter Zeit deutlich zunimmt. Die Empfänger, insbesondere auf der Krankenhausseite, haben bereits damit begonnen, Temperaturprotokolle über den Transport nachzufragen. Das Thema bekommt eine Dynamik.

N. Spiggelkötter: Sehr richtig, vor allem im Rahmen der Krankenhauslogistik kommt eine Dynamik in die Sache. Die Krankenhäuser haben ihre eigenen Qualitätsstandards, das Personal ist deutlich besser geschult und bewusster. Von dieser Seite wird der Druck zunehmen.

W. Engel: Was wir leider in unserem Bereich der Zertifizierung und Auditierung immer wieder feststellen, ganz gleich, was auf den Markt kommt – ob eine neue Guideline, ein neues Gesetz, ein neuer Standard – die Kunden, vom Hersteller über den Großhändler bis zum Logistiker, setzen erst einmal sehr viel Energie ein, das Ganze zu umgehen. Sie sehen nicht die Chance, sondern argumentieren sofort mit der Wettbewerbsfähigkeit.

Um die Wettbewerbsfähigkeit brauche ich nicht zu kämpfen, wenn sich alle daran halten müssen und deshalb alle höhere Kosten haben. Das ist schade, weil gute, sinnvolle Ansätze oft sofort wieder aufgeweicht werden.

CHEManager: Wie sehen dies die Unternehmen in der Pharma Supply Chain?

A. Reich: Wir arbeiten immer wieder zusammen, Trans-o-flex und Unitax, und haben uns auch gegenseitig qualifiziert. Wir haben die Dokumentation vorliegen, um Zweifel gar nicht erst aufkommen zu lassen. Auch so kann man eine Geschäftsbeziehung angehen, obwohl man im Markt auch gleichzeitig Mitbewerber ist.

C. Knoblich: Man lernt ja auch dabei. Das versuche ich unseren Mitarbeiter immer wieder nahezubringen: Habt keine Angst vor Audits oder vor Lieferantenqualifizierung, sondern versucht etwas Positives da herauszuholen, zum Beispiel im Sinne von Best Practice und auch von Ideenfindung.

CHEManager: Man sieht eigene Schwachpunkte, sieht, wo man Verbesserungspotential hat…

N. Spiggelkötter: Es ist wichtig, über die eigenen Tätigkeiten und Abläufe zu reflektieren. Das fehlt den Mitarbeitern im operativen Bereich sehr  oft, denn sie stecken tief in ihren Prozessen. Zu reflektieren, ist das eigentlich sinnvoll oder kann ich das besser machen? Das lernt man eben auch in der Vorbereitung einer Lieferantenqualifizerung oder Auditierung.

Welche Vorteile bietet eine externe Auditierung? Lohnt es sich für den Hersteller? Für den Logistikdienstleister? Was haben die Behörden davon?

A. Reich: Wenn ich mich als Dienstleister im Vorfeld extern qualifizieren lasse, in der Art einer ISO 9001, nun jedoch sehr spezialisiert, hole ich mir die Expertise durch die entsprechenden Zertifizierungsstellen.

Wenn ich als Unternehmen den Anforderungen der Behörden nicht entspreche, dann würde ich mir ebenfalls eine Expertise einholen. Ich würde mich mit qualifizierten Leuten zusammensetzen, mich auditieren lassen, analog einer ISO 9001, und würde dann mit einem anerkannten Zertifikat beispielsweise der DQS zu den Kunden gehen. Für Logistikdienstleister kann das ein Türöffner sein.

N. Spiggelkötter: Die Behörden sind immer offen für Maßnahmen, die nachweisliche Qualität und Nachhaltigkeit widerspiegeln. Sie sehen, dass dies den gesamten Prozess erleichtern kann, und nehmen es wohlwollend und hilfreich zur Kenntnis.

W. Engel: Wenn sich ein Kunde durch einen neutralen Dritten auditieren und zertifizieren lässt, kann er damit zunächst sein Unternehmen positiv darstellen. Was haben nun die Behörden davon? Ich denke, auch die Behörden spüren eine gewisse Erleichterung und können sich etwas zurücknehmen, denn sie wissen, eine vernünftige Organisation hat geprüft. Die Behörden haben immer mehr mit Personalmangel auch bei den Inspektoren zu kämpfen.

Eigentlich ist es schon eine Gewinnsituation für alle Bereiche, denn auch der Großhändler hat den Vorteil, sagen zu können: Mein Dienstleister ist zumindest in Überwachung. Er hat ein jährliches Audit.

C. Knoblich: Ich sehe definitiv einen Vorteil. Ich sehe einfach die Notwendigkeit im Sinne eines Türöffners – wie auch Herr Reich bereits bemerkte, um letzten Endes in einen Ausschreibungsprozess zu kommen und dort überhaupt Berücksichtigung zu finden.

Auf der anderen Seite sehe ich auch die Möglichkeit einer gewissen Entlastung, insbesondere wenn sich Dienstleister hier mit einer konstanten Qualität etabliert und diese auch über Jahre nachgewiesen haben. In unseren Wirtschaftsunternehmen haben wir alle die Notwendigkeit, an Effizienzsteigerungen zu arbeiten, und stehen unter Kostendruck.

Hierbei ist der Weg über einen externen Zertifizierer mit entsprechender Qualität sicherlich ein guter.

Wenn Sie sich ein Bild von der Qualität eines externen Zertifizierers machen, was würde Sie interessieren? Was muss man wissen, um sagen zu können, die prüfen gut im Bereich GDP?

A. Reich: Nehmen wir einen Zertifizierer, der einen Mandanten auditiert hatte, auch nach GDP, zu dem danach die Behörde kam. Und dann ruft der Mandant anschließend seinen Zertifizierer an und sagt: Was wir vor vier Wochen gemeinsam im Audit durchgeführt haben, hat die Behörde nun einfach akzeptiert. Eine bessere Bestätigung kann man gar nicht bekommen.

C. Knoblich: Am schönsten wäre es, wenn ich die Möglichkeit hätte, zu sagen, wie viele meiner Versender diese Tätigkeit anerkennen, Zu wissen, wenn ich diesen Zertifizierer einsetze, erfährt dieses Audit bei 50% meiner Versender zumindest eine gewisse Akzeptanz.

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