Logistik & Supply Chain

Logistikkosten im Griff behalten

Auch in der Chemiebranche ist Logistik ein wettbewerbsentscheidender Faktor

18.11.2009 -

Die Globalisierung als einer der bestimmenden Megatrends in der Logistik bekommt die Chemische Industrie unmittelbar zu spüren. Neue Wettbewerber und steigende Rohstoffpreise haben sie zu Standortverlagerungen oder dem Aufbau neuer Produktionsstätten gezwungen. Die Commodities wandern immer näher zu den Rohstoffen oder günstigen Energiequellen. Dort entstehen neue Verbundstandorte mit erheblich größeren Kapazitäten als an den europäischen Standorten, um die weltweit steigende Nachfrage zu bedienen. Dagegen erfolgen die Veredelungsschritte möglichst nahe beim Kunden. Die Logistik zwischen den Standorten wird damit wesentlich komplexer.

So hat die Transportquote chemischer Erzeugnisse drastisch zugenommen. Der Verband der Europäischen chemischen Industrie (CEFIC) schätzt, dass die Chemische Indus­trie rund 1,5 Mrd. t/Jahr versendet. Das entspricht 5 % des gesamten Frachtaufkommens in der EU. Schon jetzt leidet der Chemikalientransport unter dem hohen Verkehrsaufkommen in Europa. Die Situation wird sich in den nächsten zehn Jahren verschärfen, der Druck auf die Lieferkette erhöht. Die Logistikkosten werden auch für die Chemie zu einem oft unterschätzten, wettbewerbsentscheidenden Faktor.

Intermodaler Verkehr senkt Kosten


Insgesamt gehen Experten von einem Anteil der Logistikkosten am Umsatz von 10 % aus. Eine gemeinsame Studie der CEFIC und der EPA schätzt, dass die Aktivitäten rund um Logistik und Supply Chain für die Chemie bis zu 60 Mrd. € umfassen. Ein signifikanter Anteil davon liegt bei den Transportkosten, die sich durch eine bessere Planung, erhöhte Visibilität und zuverlässigere Zeitpläne reduzieren lassen.
Im intermodalen Verkehr ist eine erhöhte Wirtschaftlichkeit beim Transport von Bulkware erreichbar (lt. CEFIC-Studie potentielle Einsparungen von 10 €/t und mehr). Weitere Ansätze sind die Zusammenarbeit zwischen Kunde und Zulieferer (Vertical Collaboration) zur besseren Ausnutzung von Transportkapazitäten. Aber auch die Zusammenarbeit von mehreren Verladern mit einem Dienstleister (Horizontal Collaboration) ist eine Variante. Erweiterte Dienstleistungsmodelle sind in der Chemischen Industrie vielfach noch nicht angekommen: Neben Transporten ließen sich Dienstleister auch bei deren Planung, der Abrechnung, Lagerhaltung oder Bearbeitung von Retouren nutzen. In den Lieferketten der Zukunft übernehmen sie sogar die gesamte Koordination, Organisation und Optimierung der logistischen Geschäftsprozesse entlang der Wertschöpfungskette.

Management von Material- und Informationsfluss


Viele Chemieunternehmen beschäftigen sich mit dem Aufbau von Wertschöpfungsketten, die international ausgerichtet, flexibel und anpassungsfähig sind. In Unternehmensnetzwerken ist zu beobachten, dass Produktionsraten umso stärker schwanken, je weiter eine Stufe im Wertschöpfungsprozess vom Kunden entfernt ist. Die Chemieindustrie - dort befinden sich die Commodities am Ende der Lieferkette - gibt ein gutes Beispiel hierfür ab. Starke Schwankungen bedürfen einer flexiblen Produktion. Dies ist aber bei kontinuierlich laufenden chemischen Anlagen kaum möglich, da diese für die Produktion neuer Erzeugnisse aufwendig umgestellt werden
müssen. Schon geringe Schwankungen in der Nachfrage schaukeln sich zu enormen Differenzen auf der Produktions- und Beschaffungsseite auf. Reine Effizienzsteigerungen in den Anlagen, ohne die vor-oder nachgelagerten Prozesse zu beachten, verstärken den Effekt zusätzlich. Nur mit einer genauen standortübergreifenden Planung und Abstimmung von Prozessen lässt sich dieser Bullwhip-Effekt vermeiden. Das Ziel einer nahtlosen Integration der einzelnen Stufen in der Lieferkette muss die höchstmögliche Kundenzufriedenheit bei gleichzeitiger Senkung der Kosten sein.
Bislang wurden erst in verschiedenen Teilbereichen der Supply Chain markante Verbesserungen erzielt. Dazu gehören etwa die schnellere Anpassung der Kapazitäten, die Reduzierung von Lagerbeständen und eine erhöhte Flexibilität. Die Potentiale sind aber bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Häufig wird z. B. nicht die Zuverlässigkeit beim Erfüllen eines Kundenauftrags bewertet, sondern die Auslastung der Anlage. Eine kostspielige Fehleinschätzung: Sowohl mittelständische Hersteller von Feinchemikalien als auch Chemieriesen müssen sich immer stärker auf die Bedürfnisse der Kunden einstellen. Schließlich werden die meisten Chemie-Produkte nach den jeweiligen Anforderungen der Kunden (z. B. Lacke für die Automobilindustrie oder Polymere für die Bauchemie) maßgeschneidert produziert und müssen justintime ausgeliefert werden. Dabei verlangen unterschiedliche Produkte/Kunden individuelle Supply Chains.

Partnerschaftliche Konzepte


Besonders interessant werden in der Zukunft erweiterte Supply Chain-Konzepte wie das Supply Chain Event Management (SCEM) oder das Transport Management sein. Kooperative Ansätze mit externen Partnern können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Wettbewerbsfähigkeit der Lieferketten zu erhöhen und Kosten- sowie Effizienzpotentiale zu erschließen.
Rohstoffe und Produktionsgüter müssen nicht nur hergestellt und gelagert, sondern auch transportiert und verwaltet werden. Mit SCEM-Lösungen lässt sich z. B. überprüfen, ob eine pünktliche und zuverlässige Lieferung gewährleistet ist. Kommt es zu Verzögerungen, können Kunden und Verantwortliche frühzeitig informiert und die Reaktionsgeschwindigkeit der Logistikkette erhöht werden.
Für die erfolgreiche Optimierung der Lieferanten-Kunden-Beziehung gilt es, die eigenen Material- und Informationsströme zu beherrschen. Transparenz im Prozess, die genaue Abbildung der Prozesse und eine funktionierende IT sind nur einige der Voraussetzungen, die vor der Einführung eines erweiterten Supply Chain Managements (SCM)
gewährleistet sein sollten. SCM-
Ansätze helfen, Störungen zu erkennen, zu diagnostizieren und zu lösen, bevor sie sich zu kostenintensiven Problemen ausweiten. Nur wenn man in Echtzeit über Pro­bleme in der Lieferkette Bescheid weiß, können die Unternehmen ihre Kunden effizient bedienen. Die Achema 2009 in Frankfurt bietet Gelegenheiten zu erfahren, wie solche erweiterten SCM-Lösungen im Einzelnen umgesetzt werden und gemeinsame Kooperationen die SCM-Kosten senken können.