Logistik & Supply Chain

Logistiksysteme besser verstehen

Simulationen helfen bei der Lagerplanung und beim Systemverständnis

16.11.2009 -

Welche Hilfe Materialfluss- und Logstik-Simulationen bei der Lagerplanung darstellen und was sie sonst noch zu leisten vermögen, erfuhr Dr. Sonja Andres, LCP, im Interview mit Ralf Gruber, dem Geschäftsführer des Ingenieurbüros für Simulationsdienstleistung.

LCP: Herr Gruber, für welche Projekte im Logistikbereich sind Simulationen sinnvoll?

R. Gruber: Generell kann man sagen, dass überall dort, wo gewartet wird, sprich Warteschlangen entstehen, die Simulation eingesetzt werden kann. Denn Warten verbraucht Zeit, bindet Kapital, erhöht die Durchlaufzeiten und verringert den Ausstoß aus dem System. Warteschlagen weisen immer auf Kapazitätsengpässe hin, die sich durch gezielte Investitionen beheben lassen. Eine Simulation zeigt schon im Vorfeld, wohin sich die Engpässe bewegen werden. Damit kann man Engpässe wirklich beheben, und sie werden nicht nur nach und nach verlagert. Beim Vergleich verschiedener Szenarien (z. B. Layouts, Steuerstrategien, Investitionsvolumen) kann die Simulation auch ohne umfangreiche und detaillierte Daten eine Tendenz zeigen bzw. helfen, die verschiedenen Szenarien zu bewerten. Im Grunde beantwortet die Simulation Was-wäre-wenn-Fragen und erweitert das Systemverständnis. Durch die Simulation erhält man Planungssicherheit. ­Neben dem o. g. klassischen Simulationsgebiet gibt es weitere Anwendungsfelder der Planungsunterstützung:
Nutzung im Operativen Geschäft, z. B. zur Ressourcenplanung
Nutzung beim Mitarbeitertraining durch die erzwungene Erzeugung von Extremszenarien im Modell und die Bewertung der Auswirkungen möglicher Reaktionen des Personals

Welche Informationen sind im Vorfeld nötig, um eine Simulation durchzuführen?

R. Gruber: Die wichtigsten Informationen bestehen in der Nennung von Zielsetzungen der Simulation und was genau mit der Simulation untersucht werden soll. Hieraus ergibt sich dann der Detaillierungsgrad des Modells. Es ist ein großer Unterschied, ob man nur die Anzahl der Lagerplätze untersuchen will oder ob man die Anzahl der benötigten Lagerbediengeräte mit ihren Strategien ermitteln möchte. Aus unserer Sicht bedeutet „Simulation = Abstraktion". Dabei sollte ein Modell so einfach wie möglich und nur so detailliert wie nötig erstellt werden. Hieraus ergeben sich dann die benötigten Informationen. Wichtig ist, dass die Informationen eine gute Basis haben, da die Simulation sonst nicht zu „richtigen" Ergebnissen kommen kann. Vergleiche unterschiedlicher Szenarien sind trotzdem möglich, die Ergebnisse dann aber natürlich nicht eins zu eins auf die Realität übertragbar. Dies ist aber generell bei der Simulation so, da dynamisches Verhalten und Stochastik (statistische Verteilungen und Zufallszahlen) zu einer Ergebnisstreuung führen.

Lassen sich auch Gefahrstofflager simulieren, die alle Zusammenlagerverbote, Brandabschnitte etc. berücksichtigen?

R. Gruber: Dies ist natürlich ­möglich, erfordert aber ein ent­sprechend detaillierteres Modell, das die besonderen Bereiche abbildet. Beim Materialfluss werden dann die ­entsprechenden Strategien, Logiken und Restriktionen berücksichtigt.

Wie steht es mit Pharmalagern und deren Lagervorschriften, wie GMP oder Kühlbereiche?

R. Gruber: Auch dies ist möglich. Entsprechende Projekte wurden schon durchgeführt. Die Frage auch hier: Was genau ist die Zielsetzung der Simulation und wie detailliert soll das System abgebildet werden?

Können unterschiedliche Szenarien der Umsetzung parallel betrachtet, verglichen und optimiert werden?

R. Gruber: Unterschiedliche Szenarien lassen sich entweder in einem Modell abbilden (mehrere Layouts in einem Modell), oder man benutzt einfach mehrere Modelle. In beiden Fällen werden die Ergebnisse verglichen. Die Optimierung kann durch den Benutzer erfolgen oder automatisch durch eine Optimierungssoftware. Für die gängigen ­Simulatoren gibt es integrierte oder zusätzliche Optimierungsmodule. Außerdem ist es möglich, mit eigenständigen Optimierern zu kommunizieren, sprich Daten auszutauschen. Auch hierfür wurden schon entsprechende Projekte durchgeführt.

Wo sehen Sie die größten Vorteile der Simulation?

R. Gruber: Der größte Vorteil der Simulation besteht neben den tatsächlich erzeugten Ergebnissen aus Simulationsläufen in einem deutlich verbesserten Systemverständnis. Die Simulation macht Engpässe offensichtlich, zu deren Behebung im Modell Strategien entwickelt werden können. Eine Verlagerung der Engpässe zeigt sich sofort und lässt sich durch entsprechende Maßnahmen beheben. Dies führt zu Planungssicherheit und verkürzt in der Regel die Inbetriebnahmephase, da evtl. Planungsunsicherheiten nicht mehr im realen System auftreten und so Zeit und Geld sparen.
Noch wichtiger als einen Parametersatz für einen reibungslosen Betrieb zu finden, ist aus unserer Sicht aber die Entwicklung des Systemverständnisses an sich. So wird der Benutzer z. B. während des Aufbaus des Simulationsmodells gezwungen, bestimmte Fragen zu beantworten, die sich unter Umständen bei einer herkömmlichen statischen Planung auf dem Papier gar nicht gestellt hätten. Damit werden während der Modellierung und dem Experimentieren mit dem Modell die Parameter identifiziert, von denen das System wirklich abhängt, während der Einfluss anderer Parameter zu vernachlässigen ist.

Mit welchen Kosten ist für eine Simulation zu rechnen?

R. Gruber: Aus unserer Erfahrung dauern durchschnittliche Simulationsstudien zwischen fünf und 30 Tagen, wobei es nach oben, je nach Detaillierungsgrad, keine Grenze gibt. Der Großteil unserer Projekte liegt bei etwa 15 Tagen. Die Investition in ein besseres Systemverständnis und die Planungssicherheit beträgt rund 15.000 €, kann aber bereits bei 5.000 € beginnen.
Vom VDI liegt eine Untersuchung vor über die Einsparung beim Einsatz von Simulation. In der VDI-Richtlinie 3633 werden folgende Zahlen genannt: 2-4 % Einsparung bei 0,5-1 % Aufwand, bezogen auf die Investitionssumme. Diese Zahlen sind natürlich mit Vorsicht zu betrachten, da es sich dabei um Durchschnittswerte mit nicht unerheblichen Streuungen handelt!