Logistik & Supply Chain

Reach: Registrierungspflichten für Importeure

Welche Auswirkungen vertragliche Regelungen haben können

15.11.2010 -

Am 1.6.2007 ist die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, die sog. Reach-VO, in Kraft getreten. Die für Hersteller und Importeure bedeutsamen Bestimmungen über die Registrierung von Stoffen als solchen, in Zubereitungen oder in Erzeugnissen, treten gem. Art. 141 Abs. 2 Reach-VO mit einem Jahr Verzögerung zum 01.06.2008 in Kraft. Im Zeitraum vom 01.06.2008 bis zum 30.11.2008 haben registrierungspflichtige Unternehmen die Möglichkeit, durch eine nur geringen Anforderungen unterliegende Vorregistrierung die Übergangsfristen für Phase-in-Stoffe in Anspruch zu nehmen.

Unternehmen, die sich mit der Umsetzung der Reach-VO befassen, sind dabei v.a. gehalten, die eigene Rolle des Unternehmens im Hinblick auf jeden hergestellten, importierten oder eingesetzten Stoff zu definieren. Denn die Pflichtenkreise variieren in Abhängigkeit davon, ob ein Unternehmen hinsichtlich eines Stoffes als Hersteller, Importeur, nachgeschalteter Anwender oder Händler agiert. Insbesondere für Unternehmen, die Stoffe aus Dritt-Staaten in das EG-Zollgebiet importieren, stellt sich gegenwärtig die Frage, inwieweit vertragliche Regelungen zu Gefahrtragung, Abwicklung von Zollformalitäten oder Transportkostenübernahme sowie bereits in diesen Verträgen bestehende wechselseitige Informations- und Mitwirkungspflichten Auswirkungen auf die Beurteilung der eigenen Rolle haben können.

Ausgangspunkt der Überlegungen für Importeure ist dabei die in Art. 3 Nr. 11 vorgegebene Definition des „Importeurs". „Importeur" ist hiernach jede natürliche oder juristische Person mit Sitz in der Gemeinschaft, die für die Einfuhr eines Stoffes verantwortlich ist. Unter „Einfuhr" ist dabei gem. Art. 3 Nr. 10 das physische Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft zu verstehen.

Diese Definition des Importeurs ist allerdings nur auf den ersten Blick selbsterklärend. So fehlt v.a. eine nähere Angabe dazu, wie der Begriff der „Verantwortlichkeit" zu verstehen sein soll. Bei einem strikt am Wortlaut orientierten Verständnis wäre eine „Verantwortlichkeit" für das physische Verbringen, d.h. die Einfuhr, regelmäßig dem jeweiligen Transportunternehmer („echter Spediteur") zuzuordnen, der die Ware physisch in das EG-Zollgebiet einführt. Gegen eine derartige Verantwortlichkeit des Spediteurs sprechen indes gleich mehrere Gründe. Zum einen werden diesem regelmäßig die für die Registrierung erforderlichen stoffbezogenen Informationen fehlen. Zum anderen hätten es Besteller und Lieferanten durch die Wahl eines nicht im EG-Binnenmarkt ansässigen Spediteurs in der Hand, die Registrierungspflicht für die Einfuhr von vornherein zu umgehen. Denn der nicht im Binnenmarkt ansässige Spediteur kommt als Verantwortlicher bereits deshalb nicht in Betracht, da gem. Art. 3 Nr. 11 nur derjenige als Importeur verantwortlich sein soll, der auch einen Sitz im EG-Binnenmarkt hat. Bereits hieraus folgt, dass die Verantwortlichkeit des Transporteurs in Art. 3 Nr. 11 nicht gemeint sein kann. Anderenfalls wäre eine effektive Umsetzung der Verordnung nicht gewährleistet. Gegen eine originäre Verantwortlichkeit des Transportunternehmers sprechen sich folgerichtig auch die Hinweise des nationalen Helpdesk auf der Website der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und die europäische Chemikalienagentur ECHA in ihrem Leitfaden „Guidance on registration" aus.

Scheidet aber der Spediteur als verantwortlicher Importeur gem. Art. 3 Nr. 11 aus, ist die Verantwortlichkeit im Verhältnis zwischen Besteller und Lieferant zu entscheiden. Wird die in Art. 3 Nr. 11 geforderte Verantwortlichkeit jedoch als vertragliche Verantwortung für den Warenimport verstanden, so wäre die Frage, wer der Importeur nach Maßgabe der Reach-VO ist, für die Vertragsparteien disponibel. Steht es also den einzelnen Unternehmen frei, durch vertragliche Vereinbarungen die Importeurstellung gem. Reach-VO und die hieraus resultierenden Pflichten zu begründen oder zu übertragen?

Diese derzeit in der unternehmerischen Praxis viel diskutierte Frage ist bislang nicht entschieden. Im Grundsatz bleibt aber festzuhalten, dass der sehr weit gefasste Wortlaut des Art. 3 Nr. 11 einer Disponibilität der Einfuhrverantwortlichkeit prima facie nicht entgegensteht. So weist auch die ECHA in der „Guidance on registration" unter Ziff. 1.5.3.3 ausdrücklich darauf hin, dass die Bestimmung der Einfuhrverantwortlichkeit regelmäßig die Analyse aller Umstände des Einfuhrvorgangs erfordert. Hierzu gehören auch disponible Faktoren, wie die Bestellereigenschaft, die Auferlegung von Zahlungspflichten, die Abwicklung der Zollformalitäten oder die Ausgestaltung der Besitz- bzw. Eigentumsverhältnisse.

Eine vollständige Disponibilität der Pflichtenstellung kann hieraus allerdings nicht abgeleitet werden. Anderenfalls würde erneut die effektive und wirksame Umsetzung der Reach-VO massiv beeinträchtigt werden. Bei umfassender Disponibilität der Importeurstellung könnte diese regelmäßig auf einen nicht im EG-Binnenmarkt ansässigen Vertragspartner verlagert werden, so dass für den in Rede stehenden Einfuhrvorgang gerade kein verantwortlicher Importeur benannt werden könnte. Denn hierfür ist ja gerade der Sitz des Importeurs im EG-Binnenmarkt das entscheidende Kriterium. Zwar besteht für das nicht im EG-Binnenmarkt ansässige Unternehmen die Möglichkeit, sich den Registrierungsanforderungen unter Einschaltung eines Alleinvertreters gem. Art. 8 zu stellen. Eine Verpflichtung hierzu besteht aber gerade nicht. Richtigerweise wird man daher davon ausgehen müssen, dass jedeNoonfalls dort, wo nur eine Vertragspartei ihren Sitz im EG-Binnenmarkt hat, diese auch die entsprechenden Registrierungspflichten treffen werden.

Schwieriger ist die Abgrenzung der Pflichtenkreise in den Fällen, in denen Besteller und Lieferant zwar ihren Sitz jeweils im EG-Binnenmarkt haben, die Ware jedoch von außerhalb des Binnenmarktes, z.B. aus einem Lager oder Produktionsstandort des Lieferanten, eingeführt wird. Veranlasst hier der Besteller mit seiner Bestellung die Einfuhr und hat daher die Registrierungspflicht als Importeur zu erfüllen, oder ist der Einfuhrvorgang gerade dem Lieferanten zuzurechnen, der den Import veranlasst, um seiner Lieferpflicht zu entsprechen? Da hier aufgrund der Ansässigkeit beider Vertragsparteien im EG-Binnenmarkt beide auch als verantwortlicher Importeur in Betracht kommen können, empfiehlt es sich in diesen Fällen, besonders auf die Vertragsgestaltung zu achten.

Wenig empfehlenswert dürfte dabei die bloße Verwendung z.B. von Incoterms (International Commercial Terms) sein, einer Reihe internationaler Regeln zur Interpretation spezifizierter Handelsbedingungen der ICC (International Chamber of Commerce) im Außenhandelsgeschäft. Diese, im internationalen Warenverkehr verbreiteten Vertragsklauseln können zwar Indizien für die Frage der Importeurstellung liefern. Denn sie regeln vor allem die Art und Weise der Lieferung von Gütern, indem sie festlegen, welche Transportkosten der Verkäufer, welche der Käufer zu tragen hat und wer im Falle eines Verlustes der Ware das finanzielle Risiko trägt. Eine ausschließlich hierauf gestützte Entscheidung über die Frage, welches der beteiligten Unternehmen als verantwortlicher Importeur anzusehen ist, wird indes nicht in Betracht kommen können. Auch die ECHA will gerade nicht ausschließlich auf die vertragliche Regelung, sondern auf die Gesamtumstände abstellen. International agierenden Unternehmen ist insofern nahezulegen, ausdrückliche Regelungen in ihren Vertragswerken vorzusehen und die gelebte Praxis der Importvorgänge zu überprüfen, um so Unsicherheiten weitestgehend zu vermeiden.