Logistik & Supply Chain

Transportdienstleister: Verdopplung der Transportmengen erwartet

22.08.2011 -

Transportdienstleister: Verdopplung der Transportmengen erwartet

Durch kontinuierlich ansteigende Transportmengen und die zeitkritischere Verflechtung von Transportprozessen entwickelt sich der Transport immer mehr zum Engpass. Die jüngste Kapazitätsverknappung am Transportmarkt und die daraus resultierenden Preissteigerungen und Lieferserviceprobleme geben einen gewissen Vorgeschmack auf zukünftige Entwicklungen, die bei einer Verdopplung der Tranportmengen in den nächsten 20 Jahren zu erwarten sind.

Um ihre Marktanteile zu erhöhen, tendieren Transportdienstleister dazu, Kundenaufträge ohne Berücksichtung der Kompatibilität der Sendungsstruktur/ Serviceanforderungen mit dem bestehenden Kundenportfolio anzunehmen. Mit der Fähigkeit, den Kundenbedürfnissen in ihrem Transportsystem gerecht zu werden, werden jedoch Ressourcen und Potentiale verspielt, die einer strategischen Positionierung am Markt und einer effizienteren Leistungserstellung dienlich sein könnten.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken ist ein Perspektivenwechsel notwendig, welcher den Logistikdienstleistern ein höheres Maß an Selbstbewusstsein abverlangt: Transportdienstleister sollten sich nicht in die Rolle des ausführenden und damit passiven Organs (Diener) im Logistikkanal der verladenen Wirtschaft gedrängt sehen, sondern ihre Verlader als elementare, aktiv zu managende Ressourcen verstehen.

In den vergangen Jahren hatten die Verlader aufgrund des ruinösen Wettbewerbes am Transportmarkt eine starke Verhandlungsposition gegenüber ihren Dienstleistern. Die strategischen Rahmenbedingungen haben sich in jüngster Zeit maßgeblich verändert, so dass auf Seiten der Transportdienstleister eine entsprechende Verhaltensänderung zu erwarten ist. Auch die verladene Wirtschaft muss sich auf die sich ändernden Rahmenbedingungen einstellen. Hierzu ist ein tieferes Verständnis des Transportmarktes und dessen Entwicklungen notwendig.

Die Verladersicht

Die Nachfrage nach Transportdienstleistungen lässt sich nach güter- und sendungsspezifischen, räumlichen und zeit- bzw. servicebezogenen Merkmalen unterscheiden. Unter Lieferservice können dabei Forderungen wie Lieferzuverlässigkeit, Lieferbereitschaft, Lieferflexibilität und Liefergeschwindigkeit verstanden werden. Die Güterart, die Sendungsstruktur und räumlichen Aspekte stellen kundenseitige Vorgaben für bereitzustellende Transportressourcen und für das Transportsystem des Dienstleisters dar.

Gleichzeitig bilden natürlich auch preisliche Aspekte eine Entscheidungsgrundlage für die Auswahl eines Transportdienstleisters. Es lässt sich jedoch eine Tendenz erkennen, dass je weiter die Transporte Downstream in der Wertschöpfungskette durchzuführen sind und die zu transportierenden Güter einen höheren Wert und eine höhere Konsumreife besitzen, die Bedeutung der Transportqualität für die Kunden zunimmt. Wobei bei Kunden mit massenhaften Transportaufkommen der Preis als wichtigstes Entscheidungskriterium bei der Dienstleisterhauswahl anzusehen ist. Allgemein ist zu verzeichnen, dass heutzutage der Transportkanal verladerseitig eher als Costcenter denn als Profitcenter verstanden wird.

Interne Sichtweise

Da ungenutzte Kapazitäten unweigerlich zu Verlusten führen, müssen Transportdienstleister eine hohe Auslastung ihrer Ressourcen gewährleisten. Dies kann bzgl. der Transportkapazitäten durch Auftragskonsolidierung erfolgen. Die nachgefragte Transportleistung bedingt die Entstehung von Bereitstellungsverkehr auf dem Weg zum Ladeort und Rücklaufverkehr vom Empfangsplatz zum Standort des Fahrzeuges. Diese Leerfahrten gilt es, durch die Verknüpfung von weitestgehend paarigen Verkehrsströmen zu reduzieren. Auch muss eine entsprechende Auftragslage vorliegen, die Stand- und Wartezeiten der Transportmittel weitestgehend minimiert. Durch den Einsatz größerer Verkehrsmittel können bei entsprechender Auftragslage weitere Skaleneffekte erzielt werden. Für eine effiziente Leistungserstellung ist somit eine integrative Optimierung der Leistungspotentiale und des Leistungserstellungsprozesses hinsichtlich der der Kundenaufträge notwendig.

Die Integration des externen Faktors bei der Erstellung des logistischen Dienstleistungsproduktes macht eine Abstimmung zwischen internen Produktionsfaktoren und -prozessen mit den Kundenanforderungen notwendig. Grundsätzlich ist es bei bestehenden Beziehungen möglich, einerseits die interne Leistungsfähigkeit auf die Bedürfnisse des Kunden anzupassen, andererseits ist eine Anpassung der Kundenbedürfnisse an die Leistungsfähigkeit des Logistikdienstleisters vorstellbar.

Die Kundenbedürfnisse stellen jedoch Rahmenbedingungen für die logistische Leistungserstellung dar und haben daher eine dominierende Bedeutung. Eine Anpassung der Kundenanforderungen an die Leistungsfähigkeit des Transportdienstleisters ist bisher aufgrund der Wettbewerbssituation auf dem Transportmarkt und der steigenden zeitkritischen Verflechtung von Logistikdienstleistungen nicht zu erwarten. Dementsprechend bemühen sich Transportdienstleister um einen effizienten Einsatz ihrer Ressourcen in den von ihren Kunden vorgegebenen Lösungsräumen.

Transportdienstleister befinden sich somit in einer Situation, in der ihr strategischer und operativer Spielraum durch externe Faktoren vorgegeben ist. Von ihnen wird im Grunde erwartet, dass sie ihre eigenen persönlichen Ziele an die Kundenbedürfnisse anpassen.

Entwicklungen am Transportmarkt

Die hohen Markteintrittsbarrieren vor der Liberalisierung der europäischen Transportmärkte hatten zu einer gewissen Behäbigkeit des Transportmarktes geführt. Durch den Wegfall dieser Schranken befanden sich Transportdienstleister schlagartig in einem Käufermarkt, wo das Angebot die Nachfrage überstieg. Die verladende Wirtschaft nutzte diese Entwicklungen, um durch harte Lieferantenverhandlungen ihre Logistikkosten erheblich zu senken. Dies hatte zu Folge, dass vor allem kleine und mittelständische Transportunternehmen „auf der Strecke blieben“.

Die skizzierten Ereignisse haben zu einer Erhöhung des Preiswettbewerbs geführt und gleichzeitig eine Veränderung und Ausweitung des logistischen Dienstleistungsproduktes beschleunigt. Verhaltensänderungen bei den Konsumenten, der Industrie und des Handels, eine veränderte Sichtweise bzgl. der Logistik und die damit verbundenen Erwartungshaltungen gegenüber Logistikdienstleistern haben jedoch maßgeblich zu einer solchen Veränderungen beigetragen.

Die Kundeninteressen stehen mehr denn je im Mittelpunkt der unternehmerischen Ausrichtung. Im Rahmen des Logistik-Güterstruktureffektes verringert sich die Nachfrage nach großen sporadisch erteilten Transportaufträgen hin zu kleineren und präzise getakteten Transportleistungen. Die Globalisierung der Märkte und die fortschreitende Arbeitsteilung und Dezentralisierung der Produktion führen zu einem ständig wachsenden Transportaufkommen und längeren Transportwegen. Die Nachfrage nach Transportkapazitäten hat sich dementsprechend in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdoppelt.

Die systemische Betrachtungsweise der Wertschöpfungskette und der Ansatz, eine ganzheitliche Optimierung und eine Disintermediation der Wertschöpfungsstufen hinsichtlich der Kundenbedürfnisse zu realisieren, haben den Erwartungsdruck hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Logistikdienstleister erheblich erhöht. Die Etablierung von Pull-Steuerungskonzepten bis hin zu einer „Just-in-Time“ Prozessgestaltung und die Bestrebungen, Lagerbestände durch überlegene Informationsverarbeitung und -weitergabe soweit wie möglich zu reduzieren bzw. zu ersetzen, stellen erhöhte Anforderungen an Logistikdienstleister. Auch ist der Anteil von fremdbezogenen Logistikdienstleistungen im Vergleich zur Eigenleistung in Industrie und Handel gestiegen.

Der Markt für Logistikdienstleistungen hat sich dementsprechend nicht nur quantitativ bezüglich seines Volumens und der räumlichen Ausdehnung vergrößert, sondern vor allem auch qualitativ differenziert.

Um die oftmals ambivalenten Anforderungen ihrer Kunden erfüllen zu können und dem Bedürfnis der Verlader nach Transportdienstleistungen aus einer Hand im Sinne des „One-Stop-Shopping“ nach zu kommen, wurde dabei das Angebotsspektrum auf Seiten der Dienstleister stark ausgebaut.

Aktuelle und zukünftige Marktentwicklung

Die skizzierten Entwicklungen haben zu einer stetigen Verringerung des Überangebotes am Transportmarkt geführt. Als aktuelle Entwicklung ist seit Ende 2005 eine Verknappung des Angebotes auf dem Transportmarkt zu beobachten. Dies hat heute zur Folge, dass die kurzfristige Beschaffung von Transportkapazitäten zum Ausgleich von Nachfragespitzen immer aufwändiger und kostenintensiver geworden ist, was bei einem Nachfrageanstieg von teilweise bis zu 30% zu erheblichen Qualitätsproblemen bei der Leistungserstellung in Form eines reduzierten Servicegrades auf Seiten der Transporteure führt und sich in einer Erhöhung des Preises auf dem Spotmarkt pro gefahrenem Kilometer um bis zu 15 % niederschlägt. Expertenschätzungen zufolge ist in den nächsten zwanzig Jahren mit einer weiteren Verdopplung der Nachfrage zu rechnen.

Proaktive Kundenselektion

Im Hinblick auf steigende Energiepreise und die zu erwartenden steigenden Personalkosten sollten Transportdienstleister mehr denn je um einen effizienteren Ressourceneinsatz bemüht sein. Umso mehr verwundert es, dass der Auslastungsgrad der Transportkapazitäten in den vergangen Jahren kontinuierlich gesunken ist. Die genutzten Ansätze zur Netzwerkoptimierung und der Transport- und Tourenplanung scheinen hierbei auf die nachfrageseitig vorgegebenen Grenzen zu stoßen. Unvereinbare Anforderungen zwischen den Kunden im Portfolio der Dienstleister lassen eine langfristig ausgelegte Transportplanung unmöglich erscheinen.

Die „Speditionspraxis“, erst in der täglichen Disposition eine effiziente Leistungserstellung zu gewährleisten, wirkt beim vorherrschenden Kapazitätsengpass überholt. Die Tatsache, dass lukrative Aufträge abzulehnen sind, um den Servicegrad für bestehende Kunden aufrechterhalten zu können, sollte Transportdienstleistern den Anlass geben, ihr aktuelles Kundenportfolio zu überdenken. Damit ist gleichzeitig auch die Forderung verknüpft, dass Transportdienstleister Eigeninitiative zeigen und sich die Kunden entsprechend ihrer Bedürfnisse und Leistungsfähigkeit auswählen.

Dies steht in keinem Widerspruch zu der Bedeutung, welche die Kundenbedürfnisse im Transportgeschäft spielen. Durch eine gezielte Auswahl von Kunden kann ein Transportdienstleister seine Ressourcen fokussieren und diesen somit eine überlegene, dedizierte Leistung anbieten und diese gleichzeitig effizienter erstellen. Durch eine proaktive Kundenselektion und ein verbessertes Portfoliomanagement könnten also nicht nur die Transportdienstleister ihre Wettbewerbsituation verbessern, sondern auch ihre Kunden profitieren. Gleichzeitig ist auch ein verladerseitiges Umdenken notwendig. Der Transportkanal entwickelt sich mehr und mehr zum Engpass, was dessen Betrachtung als reines Costcenter nicht mehr rechtfertigt. Um im Wettbewerb zu bestehen, muss der Lieferservicegrad zumindest aufrecht erhalten werden. Die einseitige Forderung nach Flexibilität auf Seiten der Transportdienstleister ist hierbei nicht mehr zielführend. Es gilt, sich Transportkapazitäten langfristig zu sichern und sich hierfür um gute Beziehungen zu seinen Dienstleistern zu bemühen. Die Annährung von Verlader- und Frachtführerbedürfnissen und gelebte kooperative Ansätze werden mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Es ist Zeit, Dienstleistungen am eigenen Dienstleister zu erbringen und die eigene Selektionspraxis und das Lieferantenmanagement zu überdenken. Hierzu ist ein detailliertes Verständnis der Anforderungen und Bedürfnisse der eigenen Transportdienstleister notwendig, um sich verladerseitig auf die neuen Bedingungen am Transportmarkt einzustellen.

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