Strategie & Management

Die eigene Marge hat Vorrang

Wie Chemiezulieferer Forderungen nach Kostenoffenlegung abwehren können

08.12.2015 -

Immer mehr Unternehmen fordern von Lieferanten die Offenlegung aller Kosten. Dies betrifft Anbieter von chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen sowie Kunststoffteilen und -Systemen, aber auch Hersteller von Basischemikalien spüren zunehmend diesen Druck. Das Vorgehen ist kaufmännisch wie rechtlich bedenklich und kostet Marge. Die richtige Verhandlungsstrategie bringt mehr Marge und einen deutlichen Gewinnzuwachs.

Mit der Forderung nach Kostenoffenlegung setzen Einkäufer Lieferanten mächtig unter Druck. Wer Einblick in seine Kosten gewährt, erzielt niedrige Preise und weniger Marge. Eine ausgefeilte Verhandlungsstrategie hilft. Dies belegen die Ergebnisse eines Preis-Monitorings zwischen 2005 und 2015. Datenbasis sind die Projektergebnisse in diesem Zeitraum. Umsatzgewichtet erzielen die Unternehmen eine jährliche Preiserhöhung von 5 %.

Offene Kalkulation – ein probates Mittel, Lieferanten klar zu machen, dass ihre Marge zu hoch ist. Für (Kunststoff-)Teile und Systeme ist dieses Vorgehen beinahe Standard. Doch auch für chemische Erzeugnisse, die als Fassware geliefert werden, zum z.B. Spezialchemieprodukte wie Klebstoffe, Dichtstoffe, Hilfsstoffe, Pigmente etc. nimmt der Druck zur Kostenoffenlegung zu. Wer das Spiel nicht mitspielt, dem droht oft Rauswurf noch vor Verhandlungsbeginn. Das Problem: Die Forderung nach dem sogenannten Cost-Break-Down, etabliert durch die Automobilindustrie, trifft mittlerweile Lieferanten aller Branchen.  

Innovation braucht Marge – Einkauf will Transparenz

„Wer seine Kosten offenlegt, hat für innovative Produkte kaum eine Chance auf auskömmliche Deckungsbeiträge“, warnt Dr. Björn Schuppar von Schuppar Consulting, Düsseldorf. Dass sich Zulieferer gegen diese Forderungen wehren können, zeigen die Ergebnisse eines Monitorings, das Schuppar Consulting seit 2005 betreibt. Dr. Björn Schuppar: „Wer richtig verhandelt und einen Cost-Break-Down zumindest teilweise abwehrt, erzielt höhere Preise und im Schnitt 2,3 Prozentpunkte mehr Gewinnmarge.“

Dabei wollen Einkäufer am liebsten die komplette Kalkulation ihrer Lieferanten sehen, einschließlich der Kosten aller Arbeitsschritte, Rechnungen der Vorlieferanten oder von den verwendeten Rohstoffen bzw. Vormaterialien. Dr. Björn Schuppar: „Ziel ist die volle Transparenz der Kostenstruktur über das Produkt des Lieferanten. Für jede Positionen sucht sich der Einkauf dann die jeweils niedrigsten Werte der Konkurrenz heraus und setzt Zulieferer damit unter Druck.“ Die Abfrage gilt auch für Mengenabweichungen oder Änderungen an der Produktrezeptur. „So hält man die Marge des Lieferanten über den gesamten Bauteilelebenszyklus klein“, erklärt Schuppar.

Gute Gründe gegen Kostenoffenlegung

„Die Suche nach dem günstigsten Lieferanten muss niemand akzeptieren“, betont der Preis-Experte. Seine Empfehlung: ein aktives Preis- und Verhandlungsmanagement entlang der Projektphasen. Dass das funktioniert, zeigt das Panel zur Kostenoffenlegung unter Automobilzulieferern, das Schuppar seit 2013 durchführt.

Darin ermittelte Schuppar Consulting fünf schlagkräftige Argumente, mit denen Lieferanten die Forderung nach Offenlegung erfolgreich entkräften:

  1. Wir müssten als Chemie-/Kunststoffunternehmen bei einer Kostenoffenlegung unsere einzigartige Rezeptur transparent machen. Diese stellt schützenswertes Firmen- Know-how dar. Deshalb können wir unsere Kosten nicht offenlegen.
  2. Die Weitergabe der Daten verstößt gegen unsere Unternehmensrichtlinie (zum Z.B.  einen Geschäftsleitungsbeschluss gegen die Kostenoffenlegung).
  3. Die Kostenoffenlegung widerspricht unserer Firmenstrategie (die z. B. lautet: Offenlegung erst nach Beauftragung).
  4. Die Gefahr der Informationsweitergabe an Wettbewerber.
  5. Rechtliche Bedenken.  

So verstoße die Kostenoffenlegung oft gegen einzelvertragliche Geheimhaltungsvereinbarungen mit Vorlieferanten oder gegen gesetzliche Geheimhaltungspflichten (§ 17 UWG). Die Offenlegung von Preisen könne zu kartellrechtswidrigen Konstellationen führen (§ 1 GWG). Oder Zulieferer schränkten sich in ihrer unternehmerischen Handlungsfreiheit ein, wenn sie Preise offenlegten und der Auftraggeber aufgrund seiner Marktmacht die Preisangabe von Vormaterial erzwingen könne (§ 19 GWB).

Umgang nach Regeln

„Die Argumentation gegen die Kostenoffenlegung muss sorgfältig entwickelt und trainiert werden“, rät Schuppar. Anhand eines Argumentationsleitfadens, inklusive möglicher Kundeneinwände und wirksamer Reaktionen. Mit den wichtigsten Kunden sollte man Spielregeln für den Umgang mit innerbetrieblichen Informationen aushandeln,  „Am besten unter Einbezug der Geschäftsführung“, rät der Verhandlungsspezialist. Empfehlenswert sei zu definieren, wie viele Informationen man in welcher Projektphase herausgeben möchte oder die Kostenoffenlegung nur auszugsweise zu gewähren. „Von diesen Regeln darf man in Verhandlungen nicht abweichen“, mahnt Schuppar. Eine frühe Offenlegung lehnt der Preis-Experte grundsätzlich ab. Außerdem sollten Unternehmen vor dem Verhandlungstermin Ankerpreis, Verhandlungsziel und Schmerzgrenze festlegen.

Wichtig sei, dass sich die Einstellung zum Preis und zur Kostenoffenlegung grundsätzlich ändere. Schuppar: „In vielen Köpfen existiert eine hausgemachte Barriere gegen höhere Preise.“ Auch das bestätigt das Panel des Beratungsunternehmens im Umfeld der Chemie-, Kunststoff sowie Gummi-Unternehmen, bei der sich viele selbst teurer einschätzen als den Wettbewerb. Björn Schuppar: „Es kann nicht 80% teure und 20% billige Anbieter geben. Würden sich alle korrekt einschätzen, müssten es 50% sein.“

Praxisbeispiel

Dass die Strategie in der Praxis funktioniert, zeigt das Beispiel eines weltweit in seinen Marktsegmenten führenden Herstellers von Spezialchemieprodukten mit 4 Mrd. EUR Umsatz. Rund 1 Mrd. EUR Umsatz werden im Automotive-Bereich erzielt, davon 650 Mio. EUR an OEM und 350 Mio. EUR an vorgelagerte Automobilzulieferer. Von dieser 1 Mrd. EUR Umsatz werden ca. 70% völlig ohne Kostenoffenlegung erzielt, während 30% Umsatz mit der Angabe von max. drei bis vier Kostenbestandteilen erfolgen. Die Angabe der Kostenbestandteile erfolgt dabei durchaus „opportunistisch“. So der dortige Leiter des Key Account Management: „Wir legen Kostenbestandteile im Prinzip nur offen,  wenn wir etwas vom Kunden wollen. Zum z.B. bei der Begründung und Durchsetzung einer Preiserhöhung gegenüber dem Automobilkunden kommen wir um die Nennung von Kostentreibern nicht herum. Hier müssen wir schon mal Transparenz schaffen, aber wir geben immer nur Ausschnitte und die für die Verhandlung benötigten Teilinformationen weiter. Dieses Verhalten haben wir im Vertrieb und Projektmanagement geschult und entsprechende Richtlinien verabschiedet.“

 

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