Strategie & Management

Shire-Übernahme bringt Takeda in die Top 10

Durch die Übernahme des irischen Pharmakonzerns Shire für knapp 62 Mrd. USD rückt Takeda im globalen Pharma-Ranking unter die To

04.10.2019 -

Mit einem Umsatz von über 30 Mrd. USD und zirka 50.000 Mitarbeitern weltweit ist Takeda der größte Pharmakonzern Japans. Und durch die Übernahme des irischen Wettbewerbers Shire für knapp 62 Mrd. USD rückt das auf Spezialarzneimittel fokussierte Unternehmen nun auch im globalen Ranking unter die Top Ten. Heidrun Irschik-Hadjieff, seit Anfang 2019 Deutschland-Chefin des Konzerns und in dieser Rolle in Personalunion Sprecherin von ­Takeda in Deutschland, Geschäftsführerin der Takeda Pharma-Vertriebsgesellschaft und Geschäftsführerin von Shire Deutschland, erläutert im Gespräch mit Thorsten Schüller, wie sie die Integration von Shire organisiert und welchen Innovationsbeitrag die deutschen Standorte Oranienburg und Singen leisten.

CHEManager: Frau Irschik-Hadjieff, Sie waren zunächst nicht in der Pharmaindustrie tätig. Wie kamen Sie mit Pharma in Berührung und was reizt Sie an der Branche?

Heidi Irschik-Hadjieff: Ich bin jetzt seit 22 Jahren in der Pharmaindustrie. Zuvor habe ich Erfahrungen in anderen Branchen gesammelt, zum Beispiel in der IT. Bei SCA/Mölnlycke kam ich erstmals mit Wundversorgungsprodukten in Kontakt. Damals wuchs mein Interesse, in der pharmazeutischen Branche arbeiten zu wollen, da sie sehr innovativ ist und ich etwas für Menschen und ­P­atienten tun kann. In den folgenden Jahren habe ich immer für Unternehmen aus dem Bereich Spezial­arzneimittel gearbeitet.

Zu Takeda sind Sie wie die Jungfrau zum Kinde gekommen, kann man das so sagen?

H. Irschik-Hadjieff: Ja. Als ich 2017 bei Shire anfing, war mir klar, dass das Unternehmen möglicherweise ein Übernahmekandidat ist. 2018 war es dann soweit und ich bekam das Privileg, das größere gemeinsame Unternehmen in Deutschland führen zu dürfen. Seitdem begleite ich die Integration der beiden Unternehmen ­– das ist eine einmalige Aufgabe.

Sie haben seit Anfang 2019 eine dreifache Rolle, was sehr zeitaufwändig sein dürfte. Wie machen Sie das? Teilen Sie Ihre Tage in drei Teile?

H. Irschik-Hadjieff: In jeder neuen ­Rolle muss man sich neu erfinden und definieren. Dazu braucht es eine effiziente Herangehensweise. Am Anfang blieb das Privatleben leider etwas auf der Strecke.

Warum betrachten Sie die Aufgabe, die Integration von Shire und Takeda in Deutschland zu organisieren, dennoch als Privileg?

H. Irschik-Hadjieff: Weil ich die Chance habe, etwas zu bewegen und meine Expertise einzubringen. Das Besondere an dieser Akquisition ist, dass die Portfolios komplementär sind und sich wunderbar ergänzen.
So ist Takeda jetzt das führende biopharmazeutische Unternehmen im Bereich Onkologie, Gastroenterologie, Neurowissenschaften und Seltene Erkrankungen sowie bei plasmabasierten Therapien. Ein weiterer wichtiger Bereich sind die Impfstoffe. Bei der Integration wollen wir die Synergien der Portfolios nutzen. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Shire und Takeda verfügen über zwei ähnliche, stark wertebasierte und sehr auf die Bedürfnisse der Patienten fokussierte Kulturen. Darauf wollen wir aufbauen.

Welche Auswirkung hat die Übernahme auf Standorte und Beschäftigte in Deutschland?

H. Irschik-Hadjieff: Wir sind eindeutig größer geworden und haben als Gesamtkonzern jetzt in Deutschland rund 2.300 Mitarbeiter und 63 Produkte auf dem Markt. Im Ranking der Pharmaunternehmen sind wir hierzulande auf Platz 12 vorgerückt, weltweit sind wir die Nummer 10. Die Landesorganisation Deutschland ist die drittgrößte im globalen Konzern und die größte in Europa Wir sind also sehr „sichtbar“ geworden.  Bei der Integration wird es einen Anpassungsbedarf geben, den wir aber auf ein absolutes Minimum reduzieren werden. Im Herbst wollen wir einen Gemeinschaftsbetrieb starten und ein Jahr später, im Jahr 2020, die rechtliche Verschmelzung in eine GmbH vornehmen.

Was heißt Gemeinschaftsbetrieb?

H. Irschik-Hadjieff: Das heißt, dass wir mit den Betriebsräten einen Interessensausgleich finden wollen über eine Betriebsvereinbarung, die es uns erlaubt, gemeinschaftlich geschäftlich aktiv zu werden. Heute haben wir noch zwei parallele Welten. Shire und Takeda agieren unabhängig voneinander. Erst wenn das Gemeinschaftsunternehmen steht, können Teams zusammenarbeiten und Synergien genutzt werden. Dann wollen wir das Beste aus beiden Welten nutzen. Wenn zwei Unternehmen zusammenkommen, ist das eine wunderbare Gelegenheit, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.

Wird der Name Shire in der neuen Gesellschaft noch auftauchen?

H. Irschik-Hadjieff: Nein, der Name Shire wird nicht mehr existieren.

Wie hoch wird der Personalabbau ausfallen?

H. Irschik-Hadjieff: Er wird vergleichsweise moderat ausfallen. Dazu befinden wir uns in Verhandlungen mit den Betriebsräten, die finalen Ergebnisse stehen noch nicht fest.

Können Sie sagen, an welchen Standorten oder funktionalen Bereichen dieser Abbau stattfinden wird?

H. Irschik-Hadjieff: Wir haben zwei Vertriebsorganisationen in Berlin, beide in der Stadtmitte. Da gibt es Doppelungen, dort werden wir Anpassungen vornehmen müssen. Es kann auch nur einen Geschäftsführer geben – das bin ich. Bei den Portfolios, die wie gesagt komplementär sind, haben wir nicht vor, Personal zu reduzieren, sondern eher auszubauen und zu investieren.

Bis wann soll die Integration abgeschlossen sein?

H. Irschik-Hadjieff: Wenn das Gemeinschaftsunternehmen startet, werden wir damit beginnen, die Prozesse anzupassen und zu vereinheitlichen. Unser Plan ist, dies mit der rechtlichen Verschmelzung Mitte nächsten Jahres im Großen und Ganzen abgeschlossen zu haben.

Takeda hat in Deutschland zwei Produktionsstandorte, Oranienburg und Singen. Wo stehen Sie dort, wo wollen Sie hin?

H. Irschik-Hadjieff: Oranienburg ist ein Traditionsstandort, 1873 gegründet. Wir haben dort immer wieder ausgebaut und investiert, zuletzt 2017 rund 100 Mio. EUR in ein drittes Produktionsmodul und weitere Gebäude. Heute haben wir in Oranienburg eine Produktionskapazität von über 6 Mrd. Tabletten und Kapseln. Insgesamt sind dort 750 Mitarbeiter beschäftigt. 98 % der Produktion gehen in den Export in über 100 Länder. Unser Ziel ist es, durch Digitalisierung effizienter zu werden. Mittels Digitalisierung können wir Abweichungen in der Qualität der Rohstoffe besser messen, aber auch die Temperaturumgebung oder die Wasserqualität. So können wir Fehler vermeiden. Für unsere hochspezialisierten Maschinen können wir mit einem 3D-Drucker selbst Ersatzteile drucken. Das ist wirklich faszinierend.

Wie sieht es mit dem Standort Singen aus?

H. Irschik-Hadjieff: Dort investieren wir aktuell über 100 Mio. EUR, unter anderem in den Ausbau der Impfstoffproduktion. Die Eröffnung wird am 5. November sein. Damit ist Singen der einzige Standort von Takeda, der den weltweiten Bedarf für ein Denguevakzin bedienen wird. Von Denguefieber sind mittlerweile laut WHO 400 Mio. Menschen weltweit betroffen. Das Virus verbreitet sich sehr schnell, zirka 20.000 Menschen sterben jährlich daran. Die Krankheit ist damit zu einer echten Belastung für Menschen und Gesundheitssysteme geworden.

Wie kam es zu der Entscheidung, den Impfstoff in Deutschland zu produzieren?

H. Irschik-Hadjieff: Wir haben in Singen eine bewährte, global ausgerichtete Produktion , der Standort ist spezialisiert auf die Herstellung von flüssigen und halbfesten Arzneistoffen, mit entsprechend ausgebildeten Teams, die höchste Qualität liefern. Im Übrigen ist das nicht der einzige Impfstoff, den Takeda entwickelt, auch Impfstoffe gegen das Noro- und das Zikavirus sowie gegen Polio.

Wie weit sind Sie in der Entwicklung Ihres Denguefieberimpfstoffs?

H. Irschik-Hadjieff: Anfang 2019 konnten wir herausragende Ergebnisse der Phase-III-Studie vorstellen. Wir hoffen auf eine baldige Zulassung.

Stichwort Innovation. Arbeiten Sie in Deutschland mit Start-ups oder Biotechunternehmen zusammen, so wie es andere Pharmaunternehmen auch machen?

H. Irschik-Hadjieff: Wir haben hierzulande Kontakte mit Start-ups. Dabei geht es vor allem darum, wie wir bessere Lösungen für Patienten bei der Diagnose seltener Erkrankungen über das eigentliche Medikament hinaus erreichen können. Es geht um digitale Anwendungen, ie die Therapietreue verbessern sollen oder um zu messen, wie die Ergebnisse einer Therapie ausfallen. Hier gibt es viele Talente, vor allem in Berlin, wo zahlreiche Start-ups zuhause sind.

Andere Unternehmen haben strukturierte Programme aufgesetzt, wie sie mit Start-ups in Kontakt kommen und Projekte durchführen. Gibt es das bei Takeda auch?

H. Irschik-Hadjieff: In Deutschland noch nicht, aber in Japan. Dabei geht es um Open Innovation am Shonan Health Innovation Park in der Nähe von Tokio. Dort haben sich bereits vielversprechende globale Partnerschaften aus Industrie und Forschung ergeben. Für Deutschland werden wir ebenfalls einen solchen strategischen Ansatz der langfristigen Partnerschaften verfolgen. Im Übrigen begrüße ich das Vorhaben der Bundesregierung, Innovationen durch Forschung steuerlich zu fördern. Das ist sehr attraktiv. Das möchten wir auch nutzen, weil wir nur gemeinsam mit Regierung, Forschung, Partnern und Wissenschaftlern Innovationen entwickeln und möglichst schnell den Patienten zur Verfügung stellen können.   ZUR PERSON

Heidrun Irschik-Hadjieff (53) hat an der Wirtschaftsuniversität Wien Handelswissenschaften studiert und an der Webster Vienna University ihren MBA gemacht. Nach Funktionen bei Hewlett-Packard und SCA Hygiene Products wechselte sie 1996 in die Pharmabranche, wo sie leitende Positionen bei Ciba und Novartis besetzte. Im April 2017 wurde sie Geschäftsführerin von Shire Deutschland sowie Leiterin der DACH-Region. Mit Übernahme von Shire durch Takeda wurde sie Anfang 2019 Sprecherin der Geschäftsführung von Takeda in Deutschland sowie Geschäftsführerin der deutschen Takeda Pharma-Vertriebsgesellschaft in Berlin. Von Juni 2018 bis Juli 2019 war Irschik-Hadjieff zudem Mitglied des Aufsichtsrats im Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI).

 

 

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