Strategie & Management

Vollgas geben für eine Idee

Der 2009 gegründete Arzneimittelhersteller PharmaFGP strebt in die Top 10 der OTC-Hersteller

20.09.2016 -

Mit Hilfe intensiver Werbung hat sich der erst 2009 gegründete Arzneimittelhersteller PharmaFGP ins Bewusstsein vieler Menschen gebracht. Mittlerweile erwirtschaftet der oberbayerische Hersteller verschreibungsfreier Arzneimittel einen dreistelligen Millionenumsatz und strebt in die Top 10 der OTC-Hersteller. Schnelligkeit und flexibles Denken spielen für Unternehmensgründer und Geschäftsführer Dr. Clemens Fischer dabei eine große Rolle. Im Interview mit Thorsten Schüller verrät er, was er anders macht als herkömmliche Pharmaunternehmen.

CHEManager: Herr Dr. Fischer, Sie werben damit, dass Sie das beste OTC-Unternehmens Europas sind - eine Auszeichnung, die Ihnen verliehen worden ist. Wie definieren Sie selber diesen Anspruch?

Dr. Clemens Fischer: Vor allem über Wachstum und Innovation.

Welche Rolle spielt Qualität dabei?

Dr. C. Fischer: Das geht Hand in Hand: Innovation heißt für mich auch Qualität. Wir haben seit acht Jahren das größte Wachstum der deutschen Pharmaindustrie im OTC-Bereich. Das schaffen sie nur, wenn sie Qualität anbieten.

Sie betonen immer wieder auch das Thema Geschwindigkeit. Warum?

Dr. C. Fischer: Tempo ist in der Tat ein entscheidendes Kriterium für uns und eines unserer Erfolgskriterien. Darin zeigt sich, wie erfolgreich wir unsere Produkte an den Endkunden bringen. Da wir zu 100 Prozent inhabergeführt sind, haben wir keine langen Abstimmungsprozesse wie in großen Pharmafirmen. Wenn wir für eine Idee brennen, geben wir Vollgas und schauen, dass dieses Produkt möglichst schnell auf den Markt kommt.

Wie lange dauert das?

Dr. C. Fischer: Im perfekten Fall sind das vier Monate. Es können aber, wie im Fall unseres neuen Kopfschmerzmittels Neodolor, auch Jahre sein – obwohl wir auch hier Vollgas gegeben haben.

Was genau heißt bei Ihnen Vollgas?

Dr. C. Fischer: Dass wir eine Menge Ressourcen auf ein Projekt setzen und diese stark miteinander verzahnen. Also: Die Grafikabteilung stimmt sich perfekt mit dem Produktmanagement und mit Regulatory Affairs ab. Außerdem gibt es in unserem Unternehmen keine Ellbogenmentalität. Bei uns arbeiten fast nur junge Leute, 26, 27, 28 Jahre alt. Die haben sehr gute Schul- und Studienabschlüsse und noch kein festes Denkmuster. Sie gehen also freier an die Dinge heran. Wir übertragen ihnen viel Verantwortung, die sie nutzen, um ihr Projekt voran- und das entsprechende Produkt auf den Markt zu bringen.

Wie sähe denn ein „festes Denkmuster“ aus?

Dr. C. Fischer: Ich war mehrere Jahre bei einem großen Pharmakonzern. In solch einem Unternehmen denkt man stark in Schablonen, Risiko wird kaum belohnt. Wenn etwas schief geht, wird man hingegen bestraft. Bei uns läuft das anders. Wir haben zwar eine höhere Fehlerquote als Großkonzerne, dafür aber auch eine höhere Erfolgsquote. Die Leute gehen bei uns ohne politische Gedanken an ein Projekt. Und niemand definiert sich bei uns über Positionen. Wir legen auch keinen Wert darauf, ob ein Projekt morgen schon profitabel ist. Da wir nicht börsennotiert sind, müssen wir keine kurzfristigen Erfolge vorweisen.

Angesichts Ihrer jungen Mannschaft - würden Sie auch 45jährige einstellen?

Dr. C. Fischer: Natürlich, wenn sie unsere Werte noch teilen. Ich sage bewusst „noch“, denn Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man im Laufe seines Berufslebens geprägt wird. Wenn ich ständig Prozesse durchlaufen habe, wie sie in großen Unternehmen üblich sind und wo man immer versucht, auf der sicheren Seite zu stehen, dann verträgt sich das nicht gut mit unserer Mentalität.

Aber ein Pharmakonzern, der eine Milliarde Euro in die Entwicklung eines neuen Arzneimittels investiert, geht auch ein großes Risiko ein. Wo ist da der Unterschied zu Ihnen?

Dr. C. Fischer: Das ist richtig. Mit dem Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel möchte und kann ich mich nicht vergleichen. Aber große Pharmakonzerne haben meistens auch OTC-Bereiche, und mit denen vergleiche ich mich durchaus. Unabhängig davon gibt es in großen Firmen immer einen Hang zum sicherheitsorientierten Denken und Handeln. Diese Unternehmen könnten besser als der Markt sein, wenn sie weniger politisch- und weniger angstgetrieben wären.

Andererseits sind die Hersteller innovativer, verschreibungspflichtiger Produkte in ein Korsett aus Regularien und Vorschriften gezwängt. Wo sehen Sie da Potenzial für mehr Performance?

Dr. C. Fischer: Das ist erheblich. Es kommt darauf an, wie man an ein Projekt herangeht. Oft ist es in der Pharmaindustrie doch so: Es bringt einer ein innovatives Medikament auf den Markt, und dann bauen alle um diese Substanz herum, mal ein Ester mehr oder weniger, um das Risiko abzuschwächen. Wenn man hier die Politik rausnimmt und kalkulierbare Risiken eingeht, könnten viele Unternehmen deutlich schneller mit ihren Produkten auf den Markt kommen.

Meinen Sie damit die Beschleunigung der internen oder auch der externen Prozesse – auf die haben Sie ja nur bedingten Einfluss.

Dr. C. Fischer: Es gibt in Europa viele Zulassungsbehörden. Die eine ist dafür bekannt, dass sie im Bereich X schnell und offen ist, die andere im Bereich Y. Heute können sie sich ja über das dezentralisierte Zulassungsverfahren aussuchen, wo sie starten: Gehe ich zu der Zulassungsbehörde, mit der ich immer schon zusammenarbeite? Oder schaue ich, wo ich mit dem geringsten Aufwand am schnellsten durchkomme und trotzdem saubere Daten generiere? Hier können Sie irrsinnig viel machen, wenn sie freier werden.

Wieviel Tempo lässt sich dabei rausholen?

Dr. C. Fischer: Wir schauen uns das gerade in einem Fall für unser Unternehmen an, nur für den kann ich sprechen. Da lassen sich sicher 30 bis 50 Prozent an Zeit gewinnen.

Sie sagten, dass Sie für Ihre Produkte „brennen“. Wie hat man sich das vorzustellen?

Dr. C. Fischer: Wichtig ist, dass das Produkt neu und unverwechselbar ist. Jetzt können Sie entgegenhalten: Was ist neu an einem Taumea gegen Schwindel? Tatsächlich gibt es die Zulassung schon lange. Aber die Kombination der zwei Wirkstoffe ist einzigartig. Oder Kijimea Reizdarm, dafür brenne ich Tag und Nacht. Damit können sie Menschen, die einen chronischen Leidensweg hinter sich haben, nach einer Woche helfen. Wenn die Leute dann bei uns anrufen und sich bedanken, freue ich mich.

Sie geben jährlich rund 100 Mio. EUR brutto für Werbung in Deutschland aus. Spielt Marketing bei Ihnen im Vergleich zu anderen Unternehmensbereichen und -aktivitäten eine dominante Rolle?

Dr. C. Fischer: Auch wenn wir oft in die Marketingecke gestellt werden, so hat Marketing bei uns etwa den gleichen Wert wie bei einer Novartis oder einer Klosterfrau und Co. Die Werbeausgaben dieser Firmen liegen alle ungefähr gleichauf.

Was bezwecken Sie durch die Direktansprache Ihrer Kunden mittels Werbung?

Dr. C. Fischer: Wir glauben, dass das Zeitalter des mündigen Patienten immer mehr voranschreitet. Der heutige Patient kauft keine Arzneimittel mehr, bevor er sich nicht darüber informiert hat – im Internet, aber auch über unsere Werbung. Er will wissen, wie das Arzneimittel funktioniert, was andere Patienten darüber sagen und ob es ihm helfen könnte. Schließlich spricht er sich noch mit dem Arzt oder Apotheker ab. Am Ende des Tages aber entscheidet der Patient. 

Sie wollen innerhalb der nächsten Jahre unter die Top 10 der europäischen OTC-Unternehmen. Wie?

Dr. C. Fischer: Indem wir weiter für unsere Produkte brennen. Und indem wir aus eigener Kraft weiter wachsen. Wir haben beispielsweise mittlerweile die Strukturen in Europa so ausgebaut, dass wir auch einen großen Roll-Out eines Produktes schaffen können.

PharmaFGP ist nicht das erste Unternehmen, das Sie gegründet haben. Was treibt den Unternehmer Clemens Fischer an?

Dr. C. Fischer: Neue Sachen aufzubauen und zu sehen, dass diese akzeptiert werden. Ein Produkt von der Pike an zu entwickeln, auf den Markt zu bringen und damit Leuten zu helfen. Der größte Erfolg ist, wenn ich in die Apotheke gehe und vor mir jemand sagt, er hätte gerne Kijimea Reizdarm. Nachdem ich LactoStop erfunden hatte, war ich mal auf Ibiza. Ich saß in einem Café, und dort waren Leute, die nahmen LactoStop. Wie genial ist das?

Treiben Sie manchmal auch Zweifel um?

Dr. C. Fischer: Natürlich. Auch der Misserfolg gehört zum Unternehmerdasein. Wichtig ist aber, die Dinge schnell wieder in die richtige Richtung zu lenken, wenn es mal nicht so läuft.

Woran erkennen Sie, dass etwas nicht so läuft?

Dr. C. Fischer: Da muss gar nicht viel passieren. Entscheidend ist: Was will der Kunde? Wenn ich feststelle, dass die Leute ein Produkt nicht wieder kaufen oder mir schreiben, was für ein Quatsch das sei, dann habe ich verstanden. Da noch lange mit Strategieberatern herumzudoktern wird zu nichts führen. Sie dürfen nicht mit Marketingleuten reden. Sie müssen mit dem ganz normalen Kunden sprechen. Erzählen Sie ihm mit drei oder vier Sätzen die Story ihres Produktes. Und dann schauen sie ihm ins Gesicht. Entweder leuchten seine Augen - oder nicht.

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