Anlagenbau & Prozesstechnik

Werkstoffe als wichtiger Bestandteil der Verfahrenstechnik

14.12.2012 -

CITplus - Werkstoffe für Komponenten und Anlagen der Prozessindustrie müssen hohen Korrosionsanforderungen und mechanischen Belastungen genügen. Dies bedeutet angemessene Beständigkeit gegenüber Nass- und Hochtemperaturkorrosion sowie ausreichende mechanische Eigenschaften sowohl bei tiefen als auch bei hohen Temperaturen. Welche Faktoren für die Werkstoffauswahl eine Rolle spielen, listet dieser Beitrag auf.

Voraussetzung für die beanspruchungs- und verarbeitungsgerechte Werkstoffauswahl für die unterschiedlichsten Einsatzgebiete in der Prozessindustrie ist die Kenntnis des Eigenschaftsprofils, der Verfügbarkeit und der Verarbeitbarkeit der für die jeweiligen Applikationen in Fragen kommenden Werkstoffe.

Einfluss der Legierung und der ­Legierungselemente
In der Verfahrenstechnik sind in hohem Maße Legierungen auf Eisen (Fe)- und Nickel (Ni)-
Basis anzutreffen. Die vereinfachten Legierungsstammbäume dieser Elemente sind in Abbildung 1 dargestellt.
Nickel-Basis-Legierungen
Nickel wird aufgrund seiner Beständigkeit vor allem gegenüber Alkalien und gas- bzw. dampfförmigen Halogeniden in der Prozesstechnik eingesetzt.
Legierungselemente verbessern die Eigenschaften und das Werkstoffverhalten für besondere Applikationen:
Chrom

  • verbessert das Oxidationsverhalten bis ca. 950 °C
  • verbessert das Sulfidierungsverhalten, hohe Chrom-Gehalte sind hilfreich bei Öl-
  • aschenkorrosion und Kontakt mit schmelzflüssigem Glas
  • reduziert die Kohlenstoffeindiffusion in aufkohlenden Medien
  • verhält sich nachteilig in Fluor-enthaltenden Medien bei hohen Temperaturen
  • verschlechtert die Aufstickungsbeständigkeit
  • verbessert die Warmfestigkeit

Silizium

  • verbessert die Beständigkeit in oxidierenden, aufkohlenden, aufstickenden und sulfidierenden Medien (synergetisch mit Chrom)
  • nachteilig in nicht-oxidierenden halogenierenden Medien
  • fördert, auch gemeinsam mit Chrom, die Ausscheidung von topologisch dichtest gepackten Phasen (TCP-Phasen)

Molybdän/Wolfram

  • verbessern die Warm- und Zeitstandfestigkeit
  • verbessern die Korrosionsbeständigkeit in reduzierenden, halogenierenden Medien
  • nachteilig in oxidierenden Medien bei hohen Temperaturen
  • fördern die Ausscheidung von TCP-Phasen

Nickel

  • verbessert die Aufkohlungs- und Aufstickungsbeständigkeit
  • vorteilhaft in halogenierenden Medien
  • nachteilig in sulfidierenden Medien bei hohen Temperaturen
  • verbessert die Gefügestabilität

Kohlenstoff

  • verbessert die Warm- und Zeitstandfestigkeit
  • reduziert die Aufkohlung
  • nachteilig in oxidierenden Medien

Stickstoff

  • erhöht die Streckgrenze und Festigkeit
  • reduziert die Aufstickung
  • verbessert die Beständigkeit, insbesondere in reduzierenden wässrigen Medien

Seltene Erden (Yttrium, Cer, Lanthan etc.)

  • verbessern die Oxidhaftung und erhöhen den Widerstand gegen Abplatzungen von Oxiden, hierdurch wird die Oxidationsbeständigkeit verbessert und ist damit auch vorteilhaft bei gleichzeitiger Anwesenheit von C-, N- und S-haltigen Spezies

Aluminium

  • verbessert die Oxidationsbeständigkeit alleine und synergetisch mit Chrom
  • nachteilig in aufstickenden Medien
  • verbessert das Korrosionsverhalten in oxidierend-sulfidierenden Medien

Titan/Niob

  • verbessern die Warm- und Zeitstandfestigkeit
  • nachteilig in aufkohlenden und aufstickenden Medien

Mangan

  • nachteilig für die Oxidationsbeständigkeit
  • erhöht die Stickstofflöslichkeit

Cobalt

  • verbessert die Sulfidierungsbeständigkeit
  • erhöht die Warm- und Zeitstandfestigkeit

Eisen-Basis-Legierungen
Im Gegensatz zu Ni-Basis-Legierungen sind die Gehalte für viele Legierungselemente in ihrer Löslichkeit in Fe-Basis-Legierungen begrenzt und damit auch das Potenzial dieser Legierungsgruppe hinsichtlich seiner Korrosionsbeständigkeit und mechanischen Eigenschaften.
Tabelle 1 zeigt hierfür beispielhaft vergleichend die Löslichkeiten von Molybdän, Wolfram und Tantal in Nickel und Eisen im Temperaturbereich von 700 - 1.000 °C.
Sollte jedoch aus Kosten- und Verfügbarkeitsgründen eine Fe-Basis-Legierung bzw. ein Stahl gewählt werden, so ist neben dem beschriebenen Einfluss der Legierungselemente auch der Einfluss der Gitterstruktur der Legierungen bzw. Stähle zu berücksichtigen. Grundsätzlich können hierbei dann Stähle mit austenitischen, ferritischen und Duplexgefüge zum Einsatz kommen.
Folgende Vor- und Nachteile sind den einzelnen Gefügen zuzuordnen:

Austenitisches Gefüge:

  • anfällig für Spannungsrisskorrosion (trans­kristallin)
  • positive Wirkung von Stickstoff auf die Loch- und Spaltkorrosion
  • hohe Löslichkeit für Kohlenstoff und Stickstoff, damit geringere Neigung zur Karbidausscheidung, dadurch geringere Neigung zur IK-Bildung
  • hohe Verfestigung bei Kaltverformung
  • hohe Warm- und Zeitstandfestigkeit
  • geringe Neigung zur Ausbildung von duktilitätsmindernden intermetallischen Phasen

Ferritisches Gefüge:

  • geringe Neigung zur Spannungsrisskorrosionhöhere Umformkräfte (höhere Streckgrenze)
  •  
  • höhere Streckgrenze
  • starkes Kornwachstumsverhalten bei Schweißverbindungen im Schweißgut und der Wärmeeinflusszone
  • geringere Kohlenstoff- und Stickstofflöslichkeit in Kombination mit ca. 1.000-fach höherer Diffusionsgeschwindigkeit dieser Elemente führen zu Chromkarbiden auf den Korngrenzen und damit zur Gefahr von interkristalliner Korrosion

Anforderung an die Werkstoffe

Korrosionsbeständigkeit

  • in wässrigen oxidierenden/reduzierenden Mineralsäuren
  • in Heißgas (oxidierende, aufkohlende, sulfidierende etc. Gase)
  • unter geschmolzenem Salz und Metallablagerungen

Beständigkeit bei mechanisch/korrosiver Belastung

  • Spannungs- und Schwingungsrisskorrosionsbeständigkeit

Mechanische Eigenschaften

  • Kurz- und Langzeitfestigkeiten
  • Dauerschwingfestigkeit
  • Duktilität
  • thermische Stabilität
  • Thermoschockbeständigkeit

Werkstoffeigenschaften und -verhalten
Für die mechanische Dimensionierung von Komponenten und Bauteilen bei Raumtemperatur und mäßig erhöhten Temperaturen (unterhalb der Rekristallisationstemperatur) wird meist mit der 0,2 %-Streckgrenze gerechnet.
Nickelbasislegierungen und austenitische Stähle weisen hierbei deutlich niedrigere Werte auf als z. B. ferritische Stähle (Tab. 2). Dies bedeutet für die Praxis die Verwendung von mehr Material, weil aus Festigkeitsgründen größere Querschnitte gewählt werden müssen.
Bei höheren Temperaturen, oberhalb der Rekristallisationstemperatur, sind für die mechanische Auslegung von Komponenten und Anlagen bzw. Anlagenteilen die Zeitstandfestigkeiten bzw. die Zeitdehngrenzen der Werkstoffe zu berücksichtigen.
Tabelle 3 zeigt beispielhaft die Zeitstandfestigkeit Rm/104 im Temperaturbereich von 700 - 1.200 °C für die bereits in Tabelle 2 aufgeführten Werkstoffe und unterstreicht die deutlichen Vorteile der Nickelbasislegierungen gegenüber den austenitischen Stählen.
Der ferritische, hitzebeständige Stahl 1.4762 liegt nochmals um den Faktor 4 in der Zeitstandfestigkeit niedriger als der schwächste austenitische Stahl.
Für eine grobe Ab- bzw. Einschätzung der Korrosionsbeständigkeit in wässrigen Mineralsäuren wird häufig die sogenannte Wirk-
summe herangezogen. Die Wirksumme ist die Summe der gewichteten Elemente Chrom, Molybdän und Stickstoff in einer Legierung. In der Praxis hat sich der häufig lineare Zusammenhang von Wirksumme und kritischer Loch- bzw. Spaltkorrosionstemperatur aus ausreichend zuverlässig herausgestellt (Tab. 4).
Als Maß für die Korrosionsbeständigkeit bei hohen Temperaturen wird oft die zyklische Oxidationsbeständigkeit herangezogen. Als Bewertungsmaßstab verwendet man, aus Gründen der einfachen Messmethodik, den integralen Wert der spezifischen Massenänderung.
In Tabelle 5 sind die zyklischen Oxidationsbeständigkeiten in Luft verschiedener Werkstoffe vergleichend dargestellt. Wie bereits oben beschrieben, schneiden hier die Werkstoffe mit hohen Chromgehalten und Zusätzen an Aluminium/Silizium und Seltenen Erden am besten ab.
Für die bauteilgerechte Auslegung, d. h. Bestimmung eines Korrosionszuschlages für die Festlegung eines lasttragenden Querschnitts, sind diese Angaben allerdings nicht ausreichend, da in der betrieblichen Praxis die Korrosionsmedien meist Multi-Komponenten-Systeme sind und Prüfzeiten von über einem Jahr erforderlich sind, um seriöse Extrapolationen für realistische Betriebszeiten von drei und mehr Jahren zu erlauben.
Ein Beispiel, wie eine solche Untersuchung aussehen könnte, ist in Bild 2 dargestellt. Hier liegt ein Multi-Komponenten-System vor mit potenziell aufstickenden, oxidierenden, chlorierenden und sulfidierenden Komponenten. Zyklisch geprüft, mit Taupunktunterschreitung über einen Zeitraum von 9.000 Stunden. Zur Prüfung und Darstellung der Messwerte wurden nicht die integralen Massenänderungen verwendet, sondern die deutlich aussagekräftigeren metallografisch ermittelten Schädigungstiefen.

Zusammenfassung
Nickelbasislegierungen mit abgestimmten und optimierten Gehalten aus Legierungselementen wie Chrom, Molybdän/Wolfram und den teils synergistisch wirkenden Elementen Aluminium/Silizium und Seltenen Erden sowie Stickstoff erlauben ökonomische und verlässliche Lösungen in vielen wässrigen korrosiven Medien, aber auch bei hohen Temperaturen.
Austenitische, aber auch fallweise ferritische korrosionsbeständige Stähle, können für zahlreiche Applikationen eine interessante ökonomische Alternative darstellen, insbesondere bei leicht zugänglichen Komponenten bzw. Anlageteilen und begrenzten Lebensdauererwartungen.

Dieser Artikel beruht auf einer Keynote-Lecture des Autors bei der ProcessNet Jahrestagung 2012 in Karlsruhe

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