Anlagenbau & Prozesstechnik

Alle Vorgaben müssen unterstützt werden

Leitfaden zu Auswahl und Einsatz von Temperatur-Transmittern für verschiedenste Einsatzbedingungen

08.04.2010 -

Alle Vorgaben müssen unterstützt werden
Leitfaden zu Auswahl und Einsatz von Temperatur-Transmittern für verschiedenste Einsatzbedingungen

Temperatur ist mit einem Anteil von mehr als 30% die mit Abstand am meisten gemessene Größe in den Anlagen der Großindustrie. Zur Temperaturmessung benötigen die Anwender dabei spezielle, den Anforderungen angepasste Thermometer. Das Herzstück eines elektrischen Thermometers ist der dort eingesetzte Temperatur-Transmitter. Dessen Auswahl und Spezifikation ist für Planer und Anwender oftmals schwierig, da Temperatur-Transmitter die Schnittstelle zwischen Prozess (Sensor) und Prozessleit- bzw. Auswertesystem bilden und dementsprechend immer von zwei Seiten zu betrachten sind. Der folgende Artikel gibt herstellerneutrale Empfehlungen und bietet sich als Leitfaden für den Praktiker an.
Neben den relativ offensichtlichen Anforderungen an ein Thermometer, wie Vibrations- und Druckfestigkeit, Korrosionsbeständigkeit, Anschluss-Geometrie usw., existieren weitere vielschichtige Anforderungen, welche ausschließlich für die in den Thermometern verbauten Temperatur-Transmitter gelten. Zu diesen spezifischen, oft unterschätzten Anforderungen, zählen: Explosionsschutz (Atex), funktionale Sicherheit (SIL), standardisierte Ausgangssignale z.B. 4 ... 20 mA sowie Protokolle (Hart bzw. Feldbusse) und deren Einbindung in Prozessleitsysteme / Asset Management Systeme, sowie möglichst einfaches Handling und Bedienung der Temperatur-Transmitter.

Explosionsschutz
Temperatur-Transmitter, die in explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt werden, müssen spezielle Anforderungen erfüllen. Zum Schutz von Personen und Einrichtungen müssen solche Geräte der Atex-Produktrichtlinie 94/9/EG, und damit den jeweiligen Bedingungen der entsprechenden Zündschutzart genügen. Grundsätzliches Ziel ist es, Bereiche mit gefährlicher, brennbarer Atmosphäre vor Zündquellen zu schützen um Explosionen zu verhindern. Meist werden in den Prozessanlagen eigensichere Geräte verbaut, d. h. die elektrische Leistung zur Speisung der Temperatur-Transmitter wird mittels Speisegerät/Zenerbarriere begrenzt. Der Anwender muss die Sicherheitskennwerte untersuchen und überprüfen ob eine Zusammenschaltung der einzelnen Komponenten möglich ist. Durch die ausgeprägte Modularität der Temperatur-Transmitter kann die Betrachtung Ex-technischer Abhängigkeiten sogar in zwei Richtungen notwendig werden. Erstens, vom Transmitter aus betrachtet in Richtung Sensor und zweitens vom Transmitter aus betrachtet in Richtung Prozessleitsystem. Dabei ist zu beachten, dass die Eigenerwärmung an der Fühler- bzw. Schutzrohrspitze vom Sensortyp (TC/RTD), dem Fühlerdurchmesser, der Bauart des Schutzrohres und der im Fehlerfall zugeführten Leistung des Temperatur-Transmitters abhängt. Die Praxis zeigt, dass im Fehlerfall Thermoelemente eine deutlich geringere Eigenerwärmung erzeugen als Widerstandsthermometer.
Das Vergleichsbeispiel in Abb. 2 zeigt eine entsprechende Betrachtung. Im Beispiel wäre die Zusammenschaltung von Sensor, Temperatur-Transmitter und Speisegerät zulässig. Allerdings müssten durch den Betreiber die Werte für die Induktivität und die Kapazität der elektrischen Anschlussleitungen noch berücksichtigt werden.

Funktionale Sicherheit (SIL)
Eine weitere Herausforderung bei der Auswahl des „richtigen" Transmitters gilt es bei sicherheitskritischen Applikationen gemäß der internationalen Norm IEC 61508/61511 zu meistern. Sicherheitskritische Applikation bedeutet, dass im Falle eines technischen Versagens des Gerätes bzw. des gesamten Sicherheitskreises ein Störfall eintreten kann, der wiederum zu einem Schaden an Einrichtungen und/oder Personen führen kann. SIL ist also eine klassische Risikobetrachtung. Durch die Sicherheitsberechnung wird das Gesamtrisiko der Anlage bzw. des Sicherheitskreises deutlich bzw. quantifizierbar und führt anschließend bei Verwendung der richtigen Komponenten zu einer hinreichenden Risikoreduzierung. SIL-Anforderungen schränken die Auswahl an potentiellen Temperatur-Transmittern stark ein. Für die Prozesstechnik gilt: Derzeit werden ausschließlich 4 ... 20 mA/Hart-Transmitter nach SIL zertifiziert. Dabei gilt zusätzlich, dass die SIL-Betrachtung ausschließlich das 4 ... 20 mA Signal berücksichtigt, nicht jedoch die Messwertausgabe via Hart-Protokoll. Rein digitale Transmitter sind mit SIL-Klassifizierung derzeit nicht erhältlich.
Nachdem der Planer der Anlage eine Risikobetrachtung durchgeführt und eine SIL-Klassifizierung vorgenommen hat, benötigt er nun genau für diesen SIL die entsprechenden Temperatur-Transmitter. In den meisten Fällen wird i. d. R. ein SIL2-Level erreicht werden. Es sind folgende Fragen zu beantworten:

• Ist der Temperatur-Transmitter für SIL-Applikationen geeignet?
• Für welchen SIL-Level maximal?
• Sind redundante Systeme mit dem Temperatur-Transmitter möglich?
• Welche PFD-Werte / SFF-Werte bietet der Transmitter mit welchem Sensor/Sensoranschluss?
• (SFF: Safe Failure Fraction, beschreibt den Anteil an ungefährlichen Fehlern. Dieser Wert sollte sehr hoch sein.
• PFD: Probability of Failures on Demand, beschreibt die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers beim Eintreten einer Sicherheitsfunktion. Dieser Wert sollte sehr gering sein.)
• Welche TProof-Intervall-Werte werden angegeben?
• (TProof-Intervall: Beschreibt die wiederkehrende Funktionsüberprüfung)

SIL im Detail bedeutet, dass der komplette Sicherheitskreis, also Sensor/Transmitter, Logikeinheit und Aktor als ein sicherheitsgerichtetes System zu betrachten ist, der SIL-Level also in der Summe aller Einzelkomponenten erreicht werden muss. Für die SIL-Berechnung wird gewöhnlich eine Gewichtung angesetzt von 35% für Sensor/Transmitter, 15% für die Logikeinheit und 50% für den Aktor.
Bei der SIL-Berechnung werden die PFD-Werte als auch die SFF-Werte aller im Sicherheitskreis verwendeten Komponenten addiert. Dazu benötigt der Planer die entsprechende FMEDA sowie die SIL-Konformitätsbescheinigung des Temperatur-Transmitter-Herstellers. Das Rechenergebnis ist mit dem zuvor gewählten SIL-Level und den Normwerten aus der IEC61511 zu vergleichen.
Werden die für den SIL-Level notwendigen Zahlen nicht erreicht, muss der Planer entweder zusätzliche bauliche Maßnahmen umsetzen, seine Systeme redundant auslegen oder andere geeignete Maßnahmen ergreifen, um sein Anlagenrisiko weiter zu reduzieren.

Ausgangssignale und Kommunikationsprotokolle
Der nächste Entscheidungsfaktor für die Auswahl geeigneter Temperatur-Transmitter betrifft die Festlegung des Ausgangssignals oder digitalen Protokolls, sofern nicht durch SIL-Vorgaben bereits Einschränkungen bestanden.
Klarer Fall - der Anwender wird natürlich nur solche Protokolle verwenden, welche auch in den Anlagen bereits verwendet werden, bzw. geplant wurden. In der Prozesstechnik haben sich hier 4 ... 20 mA, Hart, Foundation Fieldbus und Profibus PA etabliert. Für alle gängigen Ausgangssignale und Protokolle sind Temperatur-Transmitter in großer Auswahl auf dem Markt verfügbar.
Entscheidend für den Planer bzw. Anwender ist, dass der verwendete Temperatur-Transmitter, egal welches Ausgangssignal er anbietet, eine für ihn geeignete Einbindungs-Technologie zur Verfügung stellt. Und dies in zweierlei Hinsicht:
1. Einbindung in Prozessleitsysteme, um den Prozesswert auswerten zu können: Für die Einbindung der Profibus PA Geräte müssen die entsprechenden GSD-Dateien, für das Einbinden der Foundation Fieldbus Geräte cff-Dateien im Prozessleitsystem implementiert werden. Für das 4 ... 20 mA Signal eines Hart Transmitters sind keine besonderen Einbindungs-Dateien notwendig.
2. Einbindung um die Temperatur-Transmitter konfigurieren zu können:
Für das Einbinden der digitalen Protokolle Hart, Profibus PA und Foundation Fieldbus in Asset Management Systeme existieren zwei konkurrierende Technologien. Die EDD-, und die FDT-Technologie (EDD - Electrical Device Description, FDT - Field Device Type). Leider unterstützen einige Asset Management Systeme ausschließlich EDD-Technologie, andere wiederum nur FDT-Technologie. An der Zusammenfassung beider Technologien wird gearbeitet, aber eine tatsächliche Lösung ist noch nicht sichtbar.
Der Planer bzw. der Anwender muss also einen Temperatur-Transmitter wählen, der alle Vorgaben seines Systems unterstützt. Von Vorteil ist es natürlich, wenn Temperatur-Transmitter beide Systeme unterstützen (EDD- bzw. FDT-Technologie).

Einfaches Handling, übersichtliche Bedienung
Ein abschließendes Kriterium bei der Auswahl ist das einfache Handling beim Einbau und Anschließen der Geräte. Es versteht sich von selbst, dass die Abmessungen der Temperatur-Transmitter sowohl der DIN 43735 als auch der DIN EN 50446 genügen sollten, damit sie auch in Komponenten wie Anschlusskopf, Messeinsatz usw. verbaut werden können. Sie sollten so beschaffen sein, dass alle Anschlussdrähte so komfortabel wie möglich angeschlossen werden können. Trotz aller Bemühungen der Federklemmenhersteller ist die Schraubklemme mit unverlierbaren Schrauben immer noch die erste Wahl beim Drahtanschluss. Dies ist leicht erklärbar, da in der Praxis ausschließlich flexible Leiter mit äußerst kleinen Litzendurchmessern geklemmt werden.
Im Service und Wartungsfall, aber auch bei der Kalibrierung, muss der Techniker leicht an die Anschlussdrähte bzw. Klemmen gelangen, um das entsprechende Diagnosetool verbinden zu können. Bisher verwendete man dazu Krokodilklemmen bzw. Federzugklemmen, mit dem Nachteil, dass diese Klemmen schwer kontaktiert werden konnten und leicht wieder „abgesprungen" sind.
Mit einem neuen patentierten Schnellkontakt können nun Temperatur-Transmitter und weitere Prozessgeräte an den Schraubklemmen mittels Magnetkraft schnell und sicher kontaktiert werden. Mühevolles Klemmenkontakt-Suchen bzw. lästige Stromunterbrechungen werden dadurch vermieden.

Fazit
Die Erfüllung aller, durchaus konkurrierender Ansprüche an den geeigneten Temperatur-Transmitter erfordert in der Praxis meist einen gelungenen Kompromiss. Generell ist jedem Planer bzw. Anwender anzuraten, bei Unklarheiten den gewünschten Lieferanten frühzeitig in die Planung mit einzubinden. Langzeitnutzen bzw. Langzeitstabilität einer kompletten Messkette ist immer ein Zusammenspiel aus den Erfahrungswerten der Planer und Anwender, passender Beratung durch den Gerätehersteller sowie qualitativ hochwertigen Messgeräten.

Kontakt

Wika Alexander Wiegand SE & Co. KG

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