Anlagenbau & Prozesstechnik

Alte Dame oder Evergreen? Interview mit Dr. Norbert Kuschnerus, Namur

Zur Bedeutung der Namur – Fragen an den Namur-Vorsitzenden Dr. Norbert Kuschnerus

08.12.2009 -

Als langjähriger Mitarbeiter von Bayer und seit 2002 von Bayer Technology Services verfolgt Dr. Kuschnerus die Entwicklung der Namur nicht erst, seit er ihr Vorsitzender ist. In diesem Jahr begeht die Namur ihren 60. Geburtstag, hat also den einen oder anderen Sturm bereits überstanden. Wie sieht sich die Namur heute - im Vergleich zu gestern?

CHEManager: Herr Dr. Kuschnerus, wie schätzen Sie die heutige Rolle der Namur ein?

Dr. N. Kuschnerus: Die Namur hat eine überragende Bedeutung, wenn es darum geht, den Anforderungen der Anwender von Automatisierungstechnik in der Prozessindustrie Gehör zu verschaffen. Es gibt wenige Verbände auf der Welt, die so „reinrassig" Anwenderinteressen vertreten. Weil sie das tut, ist die Namur inzwischen zu einem anerkannten und begehrten Gesprächspartner für die Hersteller von Automatisierungskomponenten und ihre Verbände geworden. Dass eine solche Rolle weiterhin sehr wichtig ist, sieht man beispielsweise an neuesten Entwicklungen wie den beiden entstehenden Standards zu drahtlosen Sensor-Netzwerken. Es kann nicht im Sinne der Anwender sein, mit zwei nicht kompatiblen, aber im Wesentlichen funktional gleichwertigen Lösungen leben zu müssen. Wettbewerb sollte bei den Geräten und ihren Funktio­nalitäten stattfinden und nicht bei den Kommunikations-Standards.
Es gibt auch Beispiele, bei denen es uns nicht gelungen ist, diese Rolle mit Erfolg wahrzunehmen. Denken Sie nur an den Kampf zwischen den zwei inzwischen am Markt etablierten Feldbus-Lösungen, der oft etwas locker als „Feldbuskrieg" bezeichnet wird. Uns ist es damals nicht gelungen, die Hersteller dazu zu bewegen, sich frühzeitig auf einen Standard zu einigen, anstatt funktional ähnliche, aber inkompatible Lösungen voranzutreiben. Wäre der „Feldbuskrieg" verhindert worden, hätte das die Einführung der Feldbusse in unseren Anlagen sicher sehr gefördert und um viele Jahre beschleunigt. Davon hätten beide, Hersteller und Anwender, profitiert. Diese negative Erfahrung hat uns vor allem gezeigt, wie wichtig die Rolle der Namur ist. Wir haben aus ihr gelernt und werden nun mit Nachdruck uns dafür einsetzen, dass die Protagonisten der ­Wireless-Aktivitäten sich auf einen Standard verständigen.


Haben sich aus Ihrer Sicht im Lauf der Jahre das Selbstverständnis, die Aufgaben oder die Herausforderungen geändert?

Dr. N. Kuschnerus: An der grundlegenden Ausrichtung und dem Selbstverständnis der Namur als Interessenverband hat sich nichts geändert. Allerdings sind 60 Jahre eine lange Zeit, und sie können und dürfen nicht spurlos an einem Verband vorübergehen: Der technologische Fortschritt in dieser Zeit hat völlig neue Betätigungsfelder gebracht und andere obsolet ­werden lassen. Ein großer ­Einschnitt war sicher die Umstrukturierungswelle in der chemischen Industrie vor etwa 10 Jahren. Auch die verstärkten internationalen Aktivitäten unserer Mitgliedsfirmen, besonders im asiatischen Raum, ändern das Umfeld, in dem die Namur sich bewegt. Ein weiterer Aspekt ist die komlexer werdende Technologie und die Reduzierung der hausinternen technischen Ressourcen vieler unserer Mitgliedsfirmen. So können wir heute deutlich weniger als früher technischen Lösungen definieren - wie beispielsweise das 4-20-mA-Signal als Standard -, sondern müssen viel mehr auf unsere eigentlich Rolle als Anwender der Automatisierungstechnik fokussieren und die Anwender-Anforderungen an neuen Technologien pointiert herausstellen. Die Namur hat solche Änderungen immer aktiv aufgegriffen, und sie steht nicht zuletzt deswegen heute selbstbewusster und stärker da als jemals zuvor.

Erwarten Sie Änderungen bei der künftigen Ausrichtung der Namur, beispielsweise durch das derzeitige herausfordernde wirtschaftliche Umfeld?

Dr. N. Kuschnerus: Es wird auch in Zukunft erforderlich sein, die Namur immer wieder neu auszurichten und damit auf das sich wandelnde Umfeld zu rea­gieren und neue Herausforderungen aufzugreifen. Der Bestand und die Bedeutung der Namur sind nicht abhängig von kurzfristigen wirtschaftlichen Entwicklungen, das hat uns die gegenwärtige wirtschaftliche Situation gezeigt. Die Namur ist eine auf Dauer und Nachhaltigkeit ausgerichtete Organisation, und das wird sie auch in Zukunft bleiben. Konsequenterweise verfolgen wir deshalb als Verband mit Nachdruck die Internationalisierung der Namur und werden im November erstmals eine Namur-Tagung in Shanghai durchführen, organisiert von den chinesischen Niederlassungen unserer Mitgliedsfirmen.

Was halten Sie für die wichtigste Errungenschaft der Namur in ihrer bisherigen Geschichte?

Dr. N. Kuschnerus: Die wichtigste Errungenschaft ist die Namur selbst. Ein Anwenderverband mit diesem Fokus - Automatisierung für Produktionsanlagen - und dieser Breite von weit über 100 Mitgliedsfirmen ist einmalig und wird gerade von unseren Partnern, den Herstellerfirmen, sehr geschätzt. Kaum sonst finden Anbieter derart

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