Anlagenbau & Prozesstechnik

Effizienter Betrieb von Wirbelschicht-Trocknern

Siemens: Prozesse optimieren mit Advanced Process Control

12.12.2013 -

Trockner wie zum Beispiel Wirbelschichttrockner oder Sprühtrockner gelten in der verfahrenstechnischen Industrie generell als energieintensive „Unit Operations". Daher sind sie lohnende Anwendungsfälle für gehobene Regelungsverfahren und Maßnahmen zur Optimierung der Prozessführung. Durch eine Mehrgrößenregelung per Model Predictive Control (MPC) und eine dynamische Störgrößenaufschaltung lässt sich die Regelgüte erhöhen und der Prozess näher an kritischen Nebenbedingungen („Constraints") betreiben. Damit kann der Energieverbrauch signifikant gesenkt werden.

Trockner entziehen in einem thermischen Trennverfahren Stoffen per Verdampfung oder Verdunstung einen Teil der enthaltenen Flüssigkeit. Bei den zahlreichen verschiedenen Arten von Trocknern wird generell unterschieden zwischen Kontakttrocknern, bei denen das Feuchtgut durch direkten Kontakt mit einer Heizfläche erwärmt wird, und Konvektionstrocknern, bei denen das Trockengut mit heißer Luft erwärmt wird. Alternativ oder zusätzlich kann auch noch Strahlungsenergie über elektromagnetische Wellen zugeführt werden. Bei manchen Kontakttrocknern wird die Feuchtigkeit im Vakuum über einen Kondensator abgeführt. Als Bauformen für Kontakttrockner kommen beispielsweise Trommeltrockner, Tellertrockner und Schneckentrockner in Frage. Sehr weit verbreitet sind Konvektionstrockner in Form von Wirbelschicht- oder Sprühtrocknern. Bei einem Wirbelschichttrockner wird das Trockengut von unten durchströmt, in Schwebe gehalten und durchmischt. Durch die turbulente Vermischung werden hohe Wärme- und Stoffübergangskoeffizienten erreicht. Die Teilchen, die bereits trocken genug sind, werden mit der Luft ausgetragen. Teilweise werden auch mehrstufige Trockner eingesetzt, mit mehreren Zonen unterschiedlicher Temperatur in einem Apparat, oder auch als Serienschaltung von Sprühtrockner und Wirbelschichttrockner beispielsweise für Milchpulver.
Nach der Fahrweise wird unterschieden in kontinuierliche und chargenweise Trocknung. Dieser Beitrag fokussiert sich auf die Automatisierung und Regelung kontinuierlicher Trockner.

Qualität und Wirtschaftlichkeit im Fokus
Eine genaue Regelung der Produktfeuchte ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Bei ungenügender Trocknung drohen Schwierigkeiten in nachgelagerten Prozessstufen, bei der Lagerung oder Endanwendung (z. B. Verklumpungen, Fäulnis, Schimmel etc.). Durch eine Übertrocknung dagegen wird Energie verschwendet und das Gewicht des Produkts reduziert, was sich ggf. negativ auf den Verkaufserlös (nach Gewicht) auswirkt. Es gilt also der Grundsatz: so trocken wie nötig, nicht so trocken wie möglich! Beim Trocknungsvorgang muss die Erhaltung der Produktqualität gewährleistet werden, was der thermischen Beanspruchung des Trockenguts, d. h. den Temperaturen klare Grenzen setzt.
Der thermische Trocknungsprozess besteht aus drei Teilprozessen: der Wärmeübertragung von der Umgebung zum Feuchtgut hin, der Phasenumwandlung des Lösungsmittels und dem Abtransport des Lösungsmitteldampfes.
Der Mindest-Energiebedarf für einen Trocknungsvorgang ist abhängig von der Verdampfungsenthalpie (z. B. Wasser: hVapor = 2500 kJ/kg) und der Differenz aus Eintritts- und Austrittsfeuchte. Neben Wärmeverlusten an die Umgebung geht der Energiebedarf zur Erwärmung des Trockenguts zusätzlich signifikant in die Bilanz ein.
Bei einem Konvektionstrockner wird der gesamte Energiebedarf durch das Trocknungsgas bereitgestellt, das Wärme abgibt und Feuchte aufnimmt.

Benchmarking-Modell Wirbelschicht-Trockner
Als Grundlage für eine explizite Vergleichsrechnung wurde ein einstufiger Wirbelschicht-Trockner für High Density Poly-Ethylen-Pulver (HDPE) herangezogen. Das Edukt (Feuchtgut) wird über eine Zellenradschleuse von oben zugeführt. Frischluft wird mit einem Kompressor angesaugt und in einem Wärmetauscher mit Heizdampf erhitzt.
Für die Regelung vorausgesetzt wird eine Möglichkeit zur Messung der Produktfeuchte. Dafür stehen verschiedene Messverfahren zur Verfügung, wobei für kontinuierliche Messungen meist indirekte Verfahren eingesetzt werden, wie z. B. kapazitive Messverfahren, Leitfähigkeitsmessverfahren, Mikrowellen-Messverfahren oder Infrarot-Reflexions-/Absorp-tionsverfahren.
Neben der Produktfeuchte spielt auch die Produkttemperatur eine wichtige Rolle. Sie muss im Hinblick auf die Erhaltung der Produkteigenschaften innerhalb bestimmter Grenzen gehalten werden und ist im Allgemeinen leicht messbar. Als Stelleingriffe stehen bei einem Konvektionstrockner sowohl die Temperatur als auch der Massenstrom der Zuluft zur Verfügung. Diese können durch unterlagerte PID-Regelkreise problemlos eingestellt werden, z. B. durch Stelleingriffe an der Heizdampf-Zufuhr und dem Luft-Verdichter.
Je nach Fahrweise kann die Edukt-Zufuhr (Massenstrom, Durchsatz) als messbare Störgröße oder sogar als aktive beeinflussbare Stellgröße für ein Regelungskonzept betrachtet werden. Aufgrund physikalischer Effekte ist offensichtlich, dass eine Änderung des Heißluft-Massenstroms sowohl die Produktfeuchte als auch die Produkttemperatur beeinflusst; dasselbe gilt auch für die Temperatur der zugeführten Heißluft. Es ergibt sich also ein Mehrgrößen-Regelungsproblem mit den zwei Regelgrößen Produktfeuchte und Produkttemperatur sowie zwei bis drei Stellgrößen für den Volumenstrom der Zuluft, die Luft-Temperatur und die Edukt-Zufuhr. Die simultane Regelung von Produktfeuchte und -temperatur wird als Qualitätsregelung bezeichnet.

PID versus MPC
Für den Betrieb des Wirbelschicht-Trockners wird ein dezentrales Regelungskonzept mit einzelnen PID-Reglern verglichen mit einem zentralen modell-prädiktiven Mehrgrößenregler (MPC). Zum Vergleich werden zwei identische Trockner-Units als Simulationsmodelle aufgebaut, die sich nur im Hinblick auf die überlagerte Qualitätsregelung unterscheiden. Die erste Unit ist mit einem MPC zur Qualitätsregelung ausgestattet. Über Sollwert-Vorfilter wird ein nahezu überschwingfreies Führungsverhalten erreicht. Die zweite Unit wird mit zwei konventionellen PID-Reglern für Produktfeuchte und Produkttemperatur gefahren. Beide Regler sind mit dem Simatic PCS 7 PID-Tuner als PI-Regler eingestellt.
Ein Sollwertsprung der Produktfeuchte wird von beiden Modellen problemlos geregelt, wobei der MPC etwas schneller anspricht. Beim Sollwertsprung der Produkttemperatur zeigt der MPC deutliche Vorteile: Er ist in der Lage, die Produktfeuchte während des Übergangsvorgangs weitgehend konstant zu halten, während die Produktfeuchte bei konventioneller PID-Regelung drastisch einbricht.

Benchmarking-Ergebnisse
Falls das Feuchtgut aus einem vorgelagerten Batch-Prozess stammt, hat es typischerweise am Eingang des kontinuierlich betriebenen Wirbelschichttrockners chargenweise einen etwas anderen Wassergehalt, was zu Beginn einer neuen Charge einen kleinen Sprung in der Edukt-Feuchte bedeutet. Der führt bei PID-Regelung zu erheblichen Schwankungen der Produktfeuchte und der Produkttemperatur, während der MPC diese Störungen sehr viel besser kompensieren kann. So beträgt die Amplitude der Produktfeuchte-Schwankungen bei PID-Regelung etwa 1 % und ist beim MPC um den Faktor 18 geringer. Die Standardabweichung der Temperatur ist mit dem MPC ist um den Faktor 5 kleiner als bei den PID-Reglern. Die Entkopplung und dynamische Störgrößenaufschaltung sind dabei entscheidend für die bessere Regelgüte.
Ein Wechsel des Arbeitspunktes von einem Durchsatz zu einem anderen wird vom MPC dank modellbasierter Kompensation deutlich besser geregelt als von den beiden PID-Reglern. Ohne MPC wird bei einer Änderung des Durchsatzes von 30 auf 31 t/h vorübergehend Ausschuss produziert: die Temperatur bricht ein und das Produkt verlässt den Trockner in einem viel zu feuchten Zustand.
Das Benchmarking anhand verschiedener Szenarien zum Führungs- und Störverhalten zeigt deutlich die entscheidende Bedeutung einer dynamischen Störgrößenaufschaltung für die Regelgüte. Durch eine höhere Regelgüte lässt sich der Prozess näher an kritischen Nebenbedingungen („Constraints") betreiben und damit der Energieverbrauch signifikant senken.
Ein besonders großer wirtschaftlicher Nutzen lässt sich mit der in den MPC integrierten Optimierung des stationären Arbeitspunktes erzielen. Diese findet in findet innerhalb eines definierten Toleranzbereichs denjenigen Arbeitspunkt, der ein wirtschaftliches Gütekriterium maximiert, z.B. den wirtschaftlichen Ertrag des Anlagenbetriebs pro Zeiteinheit [€/h] unter Berücksichtigung von Rohstoff- und Energiekosten.

Fazit
Seit moderne Prozessleitsysteme wie z. B. Simatic PCS 7 integrierte Funktionen für Advanced Process Control günstig zur Verfügung stellen, steht einem breiten Einsatz gehobener Regelungsverfahren bei energieintensiven oder aus anderen Gründen für den Gesamtprozess besonders bedeutsamen „Unit Operations" in verfahrenstechnischen Anlagen nichts mehr im Wege. Beispielsweise bietet ein MPC mit integrierter Störgrößenaufschaltung und Arbeitspunktoptimierung bei Wirbelschichttrocknern ein erhebliches wirtschaftliches Nutzenpotential. Eine in den MPC integrierte Optimierung des stationären Arbeitspunktes findet in jeder Situation automatisch die wirtschaftlich optimale Kombination von Luftmassenstrom und Lufttemperatur, um die Trocknungsaufgabe zu lösen.

Eine ausführliche Fassung dieses Artikels ist im VDI-Bericht 2209 (Automation 2013) erschienen (VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik, ISBN 978-3-18-092209-6).

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