Anlagenbau & Prozesstechnik

Einsatzfelder für funkbasierte Feldgeräte

Ist Wireless eine Alternative?

25.11.2010 -

Die funkbasierte Gerätekommunikation ist eine seit langem bekannte Technologie - und es ist eigentlich eher überraschend, dass deren Einsatz in Prozessanlagen erst jetzt breitflächig angegangen wird, wenn man von den bislang eher vereinzelten Anwendungen absieht. Seit kurzem hat sich die Zahl der Feldgeräte für Prozessanwendungen, die mittels Datenfunk drahtlos (wireless) mit den Leitsystemen kommunizieren, stark vergrößert. Deshalb stellt sich jetzt verstärkt die Frage, wo liegt der Nutzen für die Betreiber von Prozessanlagen? Welche Nachteile oder Einschränkungen bestehen für die zahlreich denkbaren Anwendungen? Dieser Frage wird hier nachgegangen, an einem Einsatzbeispiel konkret gezeigt und der derzeit geplante weitere Einsatz bei BP in Gelsenirchen angerissen.

Wireless-Technologien an sich sind verhältnismäßig alt, Radio und Fernsehen etwa, neuere Vertreter sind z.B. Router für die Kommunikation in das Internet oder noch einfacher Temperaturfühler für die Anzeige der Außentemperatur. In der Automatisierungsindustrie werden funkbasierte Kommunikationstechniken zum Teil seit vielen Jahren angewendet, z.B. für die Steuerung von elektrischen Loks im Rangierbetrieb zur automatischen Verladung von Gütern, auch Kräne und ähnliche Anwendungen werden damit gesteuert. Vereinzelt wurden auch schon Messdaten von entfernten Tanks übertragen oder Lagereinrichtungen mit drahtlosen Datenübertragungen instrumentiert.

Motivation - warum Wireless?

Woher kommt jetzt die Motivation, den Weg der drahtlosen Feldgerätekommunikation weiter zu beschreiten und auszubauen, und zwar weit über die bislang bekannten Anwendungen hinaus? Und dies vor dem Hintergrund, dass wir uns jetzt gerade stark mit der Bustechnologie in unseren Prozessanlagen beschäftigen?
Zunächst einmal muss man festhalten, dass es drei Kommunikationswege in automatisierten Prozessanlagen gibt:

  • festverdrahtete Instrumentierung,
  • Bustechnologie und
  • drahtlose bzw. Wireless-Technologie.

Diese drei Kommunkationstechniken werden nach meiner Einschätzung auch in Zukunft ihre Berechtigung haben. Für die festverdrahtete Instrumentierung spricht, dass bestehende Anlagen damit ausgerüstet sind und es keinen wirtschaftlich Grund gibt, diese Geräte und Kabelverbindungen auszutauschen und dass wir diese Verbindungen auch für unsere Sicherheitssysteme weiter nutzen werden. Die Bustechnologie wird weiterhin für den Neubau oder der größeren Erweiterung von bestehenden Prozessanlagen vorbehalten sein. Bei BP Gelsenkirchen nutzen wir dafür den Foundation Fieldbus und haben damit auch schon zwei Prozessanlagen instrumentiert.

Warum die Wireless-Option nutzen?

Das Interesse an der Wireless-Gerätetechnik beruht auf der schlichten Tatsache, dass unsere Produktionsanlagen vor einigen Jahren bis Jahrzehnten gebaut wurden und die vorhandenen Reserven für zusätzliche (additive) Instrumentierungen so gut wie aufgebraucht sind. Wir stehen aber vor der Herausforderung, diese Anlagen weiter zu optimieren. Unter dem Begriff der Anlagenoptimierung verstehe ich in diesem Zusammenhang vor allem zusätzliche Messungen an den Anlagen, die der Betriebsführung und der Instandhaltung ein Werkzeug an die Hand geben, damit das Unternehmen besser und kostengünstiger produzieren kann.
In der Produktion wird es z.B. durch zusätzliche Messungen an Wärmetauschern und einem Auswerteprogramm möglich sein, Fouling in dem Apparat früh zu erkennen und durch Additive oder geplante Reinigungen Produktionsverluste zu vermeiden oder abzuschwächen. In der Instandhaltung können z.B. durch zusätzliche Messungen an Pumpen/Verdichtern Schäden an diesen Ausrüstungen früh erkannt werden und uns so den Weg für eine wirkliche vorausschauende Instandhaltung (predictive maintenance) ermöglichen (siehe Abb.). Aus meiner Sicht müssen solche Maßnahmen aber nicht nur gerätetechnisch umgesetzt werden, sondern in eine entsprechende Instandhaltungsstrategie eingebettet sein, die wiederum an festgelegten Key Performance Indikatoren (KPI´s) gemessen werden muss, damit man die erforderliche Nachhaltigkeit erreichen kann. Wenn ein Unternehmen nun an diesem Punkt angekommen ist, werden die Vorteile einer Wireless LAN-Technologie nutzbar: mit diesen zusätzlichen Motes genannten Feldgeräten (Messumformer + Sende/Empfangsgerät) für Druck/Temperaturmessungen können wir unsere Aufgabe - die Optimierung unserer Produktionsprozesse - kostengünstig lösen.

Anwendungsbeispiel und erste Erfahrungen

Aufgrund unserer Anlagenstruktur bei BP Gelsenkirchen sind wir in einer guten Ausgangsposition: wir verfügen über eine zentrale Messwarte und über prozessnahe Schalträume (die über das Werksgelände verteilt sind), die dann über Lichtwellenleiter (LWL) zum Leitsystem (Invensys, Typ IA System) verbunden sind. In der ersten Planungsphase haben wir uns für fünf Empfangsstationen in nicht Ex-Bereich entschieden um damit eine Abdeckung für die Motes (Messumformer + Sende/Empfangsgerät) zu erreichen. Aber schon nach den ersten Installationen der Motes im Feld wurden die vorher geplanten Sendeleistungen von 70 m weit übertroffen und liegen im Mittel bei ca. 200 m. Dadurch konnte eine dieser Stationen (Emerson Empfangsstation Typ 1420) eingespart werden. Nach unproblematischen Test der Verbindung der Empfangsstation und dem Leitsystem wurde die von allen Beteiligten als an der einfachsten zu konfigurierende Verbindung mittels Modbus gewählt, wobei hier auch andere Optionen möglich sind.

Bislang wurden an dieser Stelle nur die Vorteile der Wireless-Technologie beschrieben, es gibt aber auch Einschränkungen:

  • Die erste Grenze ist, dass die Lebensdauer der Batterien für die Feldgeräte von der gewählten Übertragungsrate abhängt. Aus diesem Grund haben wir uns für die Zykluszeit von 60 Sekunden entschieden, da dies auch für die weitere Datenübertragung die Begrenzung ist. Weil dieses System aber erst seit wenigen Monaten in Betrieb ist, können an dieser Stelle noch keine Angaben über die versprochene Batterielaufzeit von ca. fünf Jahren gemacht werden.
  • Wenn bei der Wahl der Messaufgabe diese Begrenzungen bekannt sind, dann kann diese Zykluszeit eigentlich keine wesentliche Einschränkung sein, da ja auch eine schnellere Scanrate eingestellt werden kann, die dann aber zu einer kürzeren Batterielebensdauer führt. In unserem Fall, bei BP, werden solche Messungen in erster Linie für die vorrausschauende Instandhaltung genutzt und dies bedeutet, dass wir gut mit diesen Grenzen leben können.

Planung von Wireless-Messtechnik

Bei den ersten Planungen mit Wireless-Geräten hatten wir wie erwähnt mit einer kürzeren Übertragungsstrecke gerechnet und wurden dann positiv von der Sendeleistung in der Realität - im Mittel ca. 200 m - überrascht. Da nicht alle Einflussgrößen darauf vorher bekannt sind, sollten vor dem Planungsbeginn die örtlichen Randbedingungen durch einen Versuch ermittelt werden, um dann die genaue Position der Empfangsantenne zu bestimmen. Die anderen Elemente einer Planung von PLT-Instrumenten verlief nach dem bekannten Muster und unterschied sich nur darin, dass wir für den MSR-Stellenplan keine Verdrahtungszeichnung gemacht hatten, sondern nur eine vereinfachte Darstellung, um die Dokumentation zu vervollständigen. In den R&I-Fließbildern haben wir auch auf eine besondere Kennzeichnung der Messstelle verzichtet, da bei Änderungen in bestehenden Anlagen immer eine Management of Change-Prozedur vorgeschaltet ist, die die Begrenzungen darlegt, so dass diese Messstelle nicht für andere, ungeeignete Aufgaben herangezogen wird.

Zusammenfassung

Wireless stellt für uns eine wirkliche Alternative zu den bestehenden Kommunikationsverbindungen in Prozessanlagen dar, wenn auch mit den beschriebenen Einschränkungen. Allerdings muss man sagen, dass die Investitionskosten der Wireless-Messstelle im Vergleich zu einer nachträglichen Festverdrahtung oder zur Bustechnik sehr günstig sind. Die Einsatzpotentiale, die sich dadurch eröffnen, sind derzeit erst angerissen. Bei BP wird es daher in den nächsten Monaten zu weiteren Anwendungen kommen, die z.B. auch in wichtigen temporären Messungen für die Produktion enden werden. Wünschenswert ist aus Sicht der Anwender natürlich, dass sich die Hersteller von Wireless-Geräten auf möglichst einen gemeinsamen Standard einigen, so dass wir als Betreiber/Anwender nur eine Empfangsstation benötigen. Und natürlich liegt uns daran, dass wir im Prozessfeld die verschiedenartigsten Messgeräte einsetzen können. Diese Punkte werden derzeit auch in dem entsprechenden Namur-Arbeitskreis 4.15 „Wireless Automation" diskutiert.

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