Anlagenbau & Prozesstechnik

Fit für die Prozesstechnik

Echtzeit-Ethernet-Standard Profinet IO

14.02.2011 -

Unter den vielen derzeit auf dem Markt verfügbaren Echtzeit-Ethernet-Lösungen erweist sich Profinet IO als das flexibelste Übertragungsverfahren. Der internationale Standard deckt mit seinen systemischen Eigenschaften vom Anlagen- bis zum Maschinenbau alle Anforderungen der Fabrikautomation ab. Darüber hinaus werden die besonderen Anforderungen des prozessnahen Anlagenbaus erfüllt.

Dass die Ethernet-Technologie Einzug in die Prozesstechnik hält, steht außer Frage. Auf der Leitsystem-Ebene wird das Protokoll bereits seit Langem eingesetzt, wie dies auch in der Fabrikautomation der Fall ist. Vergleicht man die Bedingungen der diskreten und der prozessorientierten Fertigung, so ist schnell ersichtlich, dass Profinet IO in der Prozesstechnik ebenfalls große Rationalisierungspotentiale erschließt.

Flexibler Ein-Bus-Ansatz
Als wichtigste Eigenschaft von Profinet gilt der Ein-Bus-Ansatz. Das bedeutet, dass die komplette Kommunikation von der E/A- bis zur Standard-TCP/IP-Übertragung über ein Kabel erfolgt. Damit entfällt das Planen, Konfigurieren und Betreiben verschiedener Netzwerke. Die Topologie des Profinet-Systems passt sich dabei optimal an die Anlage an, indem Stern-, Linien- oder Baumstrukturen umgesetzt werden können. Sind Strecken von mehr als 100 m zu überbrücken, kann der Anwender Glasfaser-Leitungen nutzen. Mobile, bewegte oder entlegene Funktionseinheiten lassen sich per Funk an das Profinet-Netzwerk anbinden.

Hohe Verfügbarkeit
Eine weitere wichtige Funktion ist die Netzwerk-Redundanz. Zum Aufbau vermaschter Netzwerke definiert Profinet das Rapid Spanning Tree Protocol (RSTP), während Ringe mit dem einfacheren Media Redundancy Protocol (MRP) gelöst werden können. Durch die Standardisierung des Redundanzverfahrens ist der Endanwender durch die Wahl einer Netzwerkredundanz-Funktion nicht mehr an einen Hersteller gebunden.

Priorisierte Datenübertragung
In seiner Ausprägung RT (Real Time) für den Anlagenbau verletzt Profinet IO das Standard-Ethernet-Protokoll nicht, sondern erlaubt vielmehr eine Datenübertragung über die Standard-Infrastruktur. Durch die Verwendung des Ethernet-Priorisierungsverfahrens „Quality of Service (QoS)" werden die Profinet-Telegramme dabei stets bevorzugt weitergeleitet. Auf diese Weise können Web- und FTP-Server, Datenbanken oder PC-basierte Kamera- und Bediensysteme problemlos im gleichen Netzwerk betrieben werden. Aufgrund der uneingeschränkten Offenheit für die TCP/IP-Kommunikation profitiert das Profinet-Netzwerk außerdem von der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Standards im IT-Bereich.

Umfassende Diagnose
Profinet IO zeichnet sich ferner durch ein detailliertes Diagnosekonzept aus. Die Geräte- und Netzwerkdiagnose ist bereits automatisch im System enthalten. Beginnend bei der kanalbezogenen Gerätediagnose, stehen dem Anwender über das Physical Device (pDEV) zahlreiche Diagnoseinformationen für die Netzwerksicht zur Verfügung.
Der aus der Namur-Empfehlung NE107 bekannte Diagnosezustand „Maintenance Alarm" ist für Profinet übernommen worden. Geräte können so beispielsweise eigene Kontrollroutinen beinhalten, die eine Wartung nicht nur gemäß Stundenzähler, sondern nach Belastung auslösen. Da alle Netzwerk- und Gerätestati standardisiert sind, kann ein Diagnose-Werkzeug die komplette Anwendung überwachen.

Integrierte Safety-Kommunikation
In der Prozesstechnik wird die integrierte funktionale Sicherheit immer wichtiger. Profinet bietet deshalb mit Profisafe ein bewährtes Protokoll, das als Profil auf dem Profinet-Protokoll aufsetzt. Mit dem Black-Channel-Prinzip können auch unterlagerte Subsysteme oder Wireless-Strecken mit ­Safety-Protokollen genutzt werden. Der Provider (Sender) des Telegramms und der Consumer (Empfänger) sorgen dabei für die Absicherung der Kommunikation.

Einfache Einbindung unterlagerter Systeme
Die Integration unterlagerter Systeme ist einer der wichtigsten Gründe, weshalb Profinet in der Prozesstechnik eingesetzt wird. Da prozesstechnische Anlagen 25 oder mehr Jahre betrieben werden und die installierte Geräte-Basis während dieser Zeit weiterverwendet werden soll, ist hier ein Proxy-Konzept sinnvoll. Unterlagerte Feldbussysteme wie Foundation Fieldbus sowie Profibus DP oder PA werden über den Proxy durchgängig konfiguriert, adressiert und diagnostiziert. Das Profinet-Netzwerk bildet damit das Kommunikationsrückgrat der Anlage.

Eigensicheres Ethernet
Die Profinet-Technologie erweist sich auch aus einem anderen Grund als besonders geeignet für die Prozessindustrie: Das eigensichere Ethernet ist bereits in ersten Produkten erhältlich, wobei alle diskutierten oder entwickelten Lösungen auf dem Standard-Ethernet-Mechanismen basieren. Da Profinet diesen Standard nicht verletzt, können die Echtzeit-Ethernet-Daten über eigensichere Netzwerke ebenso transportiert werden.

Großes Gerätespektrum
Nur ein herstellerübergreifender internationaler Standard wie Profinet stellt die langfristige Verfügbarkeit der Technologie sowie entsprechender Produkte sicher. Je größer die installierte Basis, desto mehr müssen die Hersteller für eine umfassende Kompatibilität ihrer Geräte sorgen. Die Anwender profitieren bei einem offenen Standard wie Profinet von einer größeren Komponentenauswahl, mehr Wettbewerb zwischen den einzelnen Systemen und damit von einem realistischen Preisniveau. Außerdem können auf der Grundlage der Spezifikation weitere Protokolle und Profile erarbeitet werden, um neue Kommunikationsanforderungen umzusetzen.

Stetige Weiterentwicklung
Profinet IO genügt bereits heute allen Anforderungen der diskreten Fertigung. Prozessnahe kontinuierliche Prozesse, wie sie im Bereich Wasser/Abwasser oder der Verfahrenstechnik vorkommen, stellen ebenfalls ein optimales Einsatzfeld für den aktuellen Standard dar. Allerdings muss sich Profinet noch weiterentwickeln, um sämtliche Rahmenbedingungen der Prozesstechnik erfüllen zu können. Im Jahr 2007 haben sich deshalb mehrere Unternehmen in einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen, in der die besonderen prozesstechnischen Anforderungen erarbeitet worden sind. Die bislang fehlenden Eigenschaften werden derzeit in verschiedenen Arbeitskreisen der Profibus Nutzerorganisation (PNO) ausspezifiziert, um anschließend als Profil in den Profinet-Standard integriert zu werden.

Fazit
Es ist absehbar, dass sich Profinet als Standard für die Echtzeit-Ethernet-Kommunikation etabliert. Da das Standard-Ethernet-Protokoll nicht verletzt wird, zieht Profinet dabei Nutzen aus dessen kontinuierlicher Weiterentwicklung im IT-Bereich. Aufgrund der durchgängigen Integration bestehender Subsysteme wird sich die Ethernet-Kommunikation von der Leit- und Bedienebene immer mehr auf die Remote-I/O-Ebene ausdehnen. Gründe dafür liegen in den flexi­blen Verkabelungsmöglichkeiten sowie der Einbindung der funkbasierten und sicherheitsgerichteten Kommunikation. Sobald die DCS-Erweiterungen (Distributed Control System) in die Profinet-Spezifikation eingeflossen sind, wird dieser Migrationsprozess auch in der Prozesstechnik nicht aufzuhalten sein.

Kontakt

Phoenix Contact GmbH & Co.KG

Flachsmarktstr. 8
32825 Blomberg
Nordrhein-Westfalen, Deutschland

+49 5235 341 713
+49 5235 341 825