Anlagenbau & Prozesstechnik

Zuverlässigkeit ist oberstes Gebot

Prozessleittechnik für den Bau von Erdgaskavernen

12.08.2010 -

Die Nachfrage nach Erdgas schwankt abhängig von verschiedenen Faktoren. Während im Sommer der Verbrauch in der Regel gering ist, steigt der Bedarf in kalten Wintermonaten oft sehr schnell an. Um das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage abzufangen, wird Erdgas in Erdgasspeichern zwischengelagert. Eine Möglichkeit, große Mengen an Erdgas zu speichern, bieten künstliche Hohlräume unter der Erdoberfläche, so genannte Kavernenspeicher. In der ostfriesischen Gemeinde Jemgum entsteht derzeit einer der größten Erdgaskavernenspeicher Deutschlands. Dazu wollen Wingas und EWE bis Projektende 33 Kavernen im Salzstock Jemgum mit einer Speicherkapazität von rund 18 Mio. m3 Erdgas errichten.

Komplexe Projektplanung

Bevor der erste Kubikmeter Gas in eine solche Kaverne eingeleitet werden kann, ist es ein langer Weg. Komplexe Projektplanung, zuverlässige Prozesstechnik und umfangreiches technisches Know-how sind beim Bau solcher Speicher gefragt, um später für einen reibungslosen Betrieb und die Sicherheit zu sorgen.

Die Kavernen selbst ähneln zylinderförmigen Löchern in 1.600 m Tiefe mit einem Durchmesser von ca. 80 m und einer Höhe von 400 m. Der Bau solcher Kavernen (Aussolen des Salzstocks mit Wasser) ist eine komplexe Angelegenheit. Vom ersten Spatenstich bis zur ersten Gaseinleitung vergehen um die drei Jahre.

Allein der Aufbau der Infrastruktur, die fürs Aussolen benötigt wird, ist ein komplexes Projekt. Mit Planung und Realisierung der Prozessleittechnik für die Infrastrukturkomponenten und Anlagenteile, die von Wingas für die Solung selbst genutzt werden, wurden die Automatisierungsexperten von Rösberg Engineering beauftragt. In deren Zuständigkeitsbereich als MAV (Main-Automation-Vendor) fällt das komplette Design der Prozessleittechnik mit Spezifikation der Feld- und Leittechnik, SIL-Betrachtungen und Ausführung der Sicherheitstechnik, Erstellen der Software für die Leittechnik und die Sicherheits-SPSen, der Bau und die Lieferung der benötigten PLS- und Safety-Komponenten sowie Verkabelung und Montage vor Ort für die Anlagenteile Frischwasserversorgung, Soletransportleitung, Soleanlage sowie drei Sammelplätze für Kavernenköpfe, von denen aus sich jeweils sechs Kavernen aussolen lassen.

Prozessleittechnik vom Experten

„Vom Gesamtumfang her entspricht dieses Projekt mit circa 1.600 Messstellen vielen anderen, die wir bereits realisiert haben", berichtet Klaus Kerner, Process Control Technology Project Manager bei Rösberg Engineering. „Dieses Mal ist jedoch das Prozessleitsystem umfangreicher als sonst und wir müssen viele Schaltschränke an verschiedenen Orten des Geländes installieren. Zudem beschaffen wir in diesem Projekt auch aus unserem eigenen Budget die Feldgerätetechnik und koordinieren die MSR-Montagearbeiten. Neben Projektplanung und der Realisierung übernehmen wir für unseren Bereich auch das komplette Controlling über Zeit, Kosten und Qualität."

Der erste Bauabschnitt - die Anlage zur Frischwasserversorgung - ist inzwischen abgeschlossen. Hier wird das Wasser der nahe gelegenen Ems entnommen. Weil das Wasser sehr sedimentbehaftet ist, muss es vor der weiteren Nutzung zuerst gefiltert werden. Danach wird in der Anlage der Wasserdruck auf ca. 5 bar erhöht, um so dann zur Soleanlage weiter geleitet zu werden. Hierfür haben die Automatisierungsexperten nach vorgegebenen Spezifikationen die Prozessleittechnik realisiert, dazu Feldgeräte geliefert, Kabellisten und Kabelpläne erstellt, Schaltschränke montiert, die Busstruktur bereitgestellt, Software programmiert und Hardware installiert. Zum Planen der Anlage nach R&I-Vorgaben setzen sie auf das CAE-System Prodok, das einen integrierten Planungsprozess nach einheitlichen Regeln ermöglicht und mit dem sich Anlageninformationen während des gesamten Prozesses konsequent dokumentieren lassen. Nach Abschluss der Bauarbeiten folgten Loop-Checks und Funktionsprüfung sowie Schulung des vor Ort arbeitenden Bedienpersonals, sodass dieser Anlagenteil nun vom Betreiber genutzt werden kann.

Der Bauabschnitt 2 - die Sole-Transportleitung - ist ebenfalls bereits fertig gestellt. „Hier überwacht ein voll ins Leitsystem integriertes Leckageüberwachungssystem die Pipeline" berichtet Kerner. „Das System stellt nicht nur fest, ob Sole verloren geht, sondern auch wo genau, damit bei einer Havarie sofort und zielgerichtet an der betroffenen Stelle eingegriffen werden kann." In den Bauabschnitten 3 bis 5 schließlich wird die Solanlage erstellt, die den nötigen Betriebsdruck von ca. 90 bar des Frischwassers zum Solen bereitstellt und den Soleabtransport sichert. Ebenso entsteht hier jeweils ein Sammelplatz für Kavernenköpfe, von denen aus je 6 Kavernen gesolt werden können. Am 1. Dezember 2010 soll das Aussolen der ersten Kaverne starten.

Zuverlässigkeit ist oberstes Gebot

Im laufenden Solbetrieb soll die Anlage zur Frischwasserversorgung allen Betreibern jederzeit die benötigten Mengen Frischwasser zur Verfügung stellen. Das Leitsystem erhält hierzu von jedem Nutzer die von ihm benötigten Mengen und regelt abhängig vom tatsächlichen Bedarf die Förderleistung der kompletten Frischwasseranlage mit mehreren Pumpen. „Hier ist ein ausfallsicherer Betrieb zwingend gefordert", berichtet Kerner. „Wird die Wasserzuführung im laufenden Ansolbetrieb unterbrochen, wird schlimmstenfalls die komplette Kaverne unbrauchbar. Bis eine Kaverne ihr endgültiges Volumen erreicht, vergehen fast zwei Jahre. Der finanzielle Schaden, der durch einen solchen Ausfall entstünde, ist also enorm hoch."

Um die Wahrscheinlichkeit eines Systemausfalls zu minimieren, setzt man auf Redundanz: Sollte ein Controller des Systems ausfallen, schaltet das System automatisch auf den redundanten Controller um. Messstellen für analoge Messungen, die zum Abschalten der Anlage führen könnten, sind fehlersicher ausgelegt und haben zudem Voralarme, die den Anlagen-Bediener vorab auf kritische Zustände hinweisen. So kann man eingreifen, bevor wirklich Probleme auftreten. Zyklisch vorgegebene Wartungen tragen ebenfalls wesentlich zur Anlagensicherheit bei. Sollte einmal der Rat der Automatisierungsexperten gefragt und diese gerade nicht vor sein Ort, kann aus dem Stammhaus via Remote auf die Anlage zugegriffen werden. Wird es vom Kunden gewünscht, bieten die Automatisierungsexperten auch über eine zentrale Rufnummer eine Bereitschaft rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr.

 

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