Personal & Karriere

Frauenquote – für Viele ist die sie der falsche Weg, doch sie zeigt Wirkung

02.03.2015 -

Im Jahr 2001 verpflichtete sich die deutsche Wirtschaft, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Doch auch 13 Jahre später kommt die Gleichstellung in den Führungsetagen der Unternehmen nur langsam voran. Nun droht die Bundesregierung mit Konsequenzen.

Mitte Dezember 2014 beschloss das Bundeskabinett den Entwurf des „Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst". Es sieht eine Frauenquote von 30% ab 2016 für die Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern sowie bei Europäischen Aktiengesellschaften vor. Betroffen davon sind derzeit etwa 100 Unternehmen.

In der chemischen Industrie erfüllen derzeit lediglich Henkel, Merck und Biotest die Quote (vgl. Tabelle), die Ende März 2015 per Gesetz verabschiedet werden soll.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer kritisieren Quote

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisieren in einer gemeinsamen Erklärung den Gesetzesentwurf. Die Regierung verfolge das richtige Ziel auf dem falschen Weg heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme. Die angestrebte Quote von 30% spiegele keineswegs den Frauenanteil in der gesamten deutschen Wirtschaft wider, der in vielen Branchen deutlich unter 20% läge. Auch ignoriere die Regelung die höchst unterschiedlichen Rahmenbedingungen in verschiedenen Branchen.

Auch der deutsche Führungskräfteverband ULA steht dem neuen Gesetzesentwurf - der eine Gesamterfüllung der Quote für Aufsichtsratsmitglieder von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite vorsieht - kritisch gegenüber. Der Verband begrüßt jedoch die Ausweitung auf Europäische Gesellschaften (SE), ohne die mitbestimmte Unternehmen der Quote durch eine Umfirmierung zur SE ausweichen könnten.

Zahl der Frauen in Aufsichtsräten steigt

Bereits im Jahr 2013 schlug das Europäische Parlament eine EU-weite einheitliche 40%-Quote für Frauen in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen vor; die Mitgliedstaaten konnten sich bislang jedoch nicht auf eine gemeinsame Richtlinie einigen. Dennoch bewirkten allein die Diskussionen um die Quote auf nationaler und europäischer Ebene einen Anstieg des Frauenanteils in den Aufsichtsräten der DAX-30-Unternehmen im vergangenen Jahr um knapp 3% auf 24,7%. 2008 lag der Anteil noch bei 13,1%.

Eine deutlich geringere Wirkung als die drohende gesetzliche Quote zeigte dagegen die freiwillige „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft" aus dem Jahr 2001. „Die Entwicklungen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Die Vorstände großer Unternehmen bleiben männliche Monokulturen", sagt Dr. Elke Holst, Forschungsdirektorin Gender Studies beim DIW Berlin. In den Vorständen großer Unternehmen passiere so gut wie nichts: So stieg der Frauenanteil in den Vorständen der 200 größten Unternehmen Deutschlands nur geringfügig von 1,2% im Jahr 2006 auf 5,4% im Jahr 2014 an. Bei den 100 größten Unternehmen war er im Jahr 2014 sogar rückläufig.

Zwar schafften es 17 Frauen innerhalb von drei Jahren in den Vorstand eines deutschen DAX-Unternehmens, allerdings stiegen acht davon nicht einmal nach der Hälfte ihrer Vorstandsperiode wieder aus. Statistiker führen die hohe Fluktuation darauf zurück, dass Frauen häufiger quer einsteigen und das Personalressort verantworten; eine Kombination, die statistisch mit niedrigeren Verweildauern verbunden ist. Personalexperte Thomas Sattelberger sieht darin „ein mit Einzelfällen nicht erklärbares Muster". Er fordert „eine faire Personalpolitik mit Blick auf die Geschlechter entlang der gesamten Talentpyramide und einen konstruktiven Umgang mit der flexiblen Quote für den Vorstand und für die zwei Ebenen darunter."

Gesetz fordert verbindliche Ziele

Genau hier setzt der neue Gesetzesentwurf der Bundesregierung an. Unternehmen die börsennotiert oder mitbestimmt sind, werden verpflichtet, Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat, Vorstand und der obersten Managementebene inkl. eines verbindlichen Zeitplans festzulegen und über dessen Einhaltung zu berichten. Etwa 3.500 Unternehmen werden dieser Verpflichtung nachkommen müssen.

Auch hier wirkt das Gesetz bereits bevor es in Kraft tritt. „Der Zielsetzungsprozess steht derzeit wieder ganz klar auf der Agenda der DAX-Konzerne", beobachtet Carolin Griese-Michels, Leiterin Global Practice Diversity und Inclusion bei Roland Berger Strategy Consultants. „Zwar haben viele Konzerne bereits vor einigen Jahren im Zuge der Selbstverpflichtung Ziele zum Frauenanteil in Führungspositionen formuliert, doch diese wurden oft nicht durchgerechnet und mit den Geschäftsverantwortlichen abgestimmt, wie es bei finanziellen Zielen der Fall ist."

Die Beobachtung einer mangelnden Verankerung der Ziele im Unternehmen wird auch gestützt durch die Ergebnisse einer Umfrage des Führungskräfteverbands Chemie VAA vom Dezember 2014, bei der 2.500 Mitglieder befragt wurden. Dabei antworteten 62% der Befragten, dass ihnen aus ihrem Unternehmen keine Selbstverpflichtungserklärung oder andere gezielte Maßnahmen für eine Erhöhung des Frauenanteiles in Führungspositionen bekannt seien.

38% alle Befragten stammten dagegen aus Unternehmen, die bereits Maßnahmen etabliert hatten. Am häufigsten genannt wurden Förder- und Personalentwicklungsmaßnahmen (48%), Zielmarken für oberste Führungskräfte (33%) und Zielmarken für mittlere Führungskräfte (29%). Nur in 16% bzw. 14% der Chemieunternehmen existieren bereits Zielmarken für den Frauenanteil im Aufsichtsrat oder Vorstand.

Chemiebranche überdurchschnittlich

Und dennoch liegt der Anteil der Frauen an der Spitze der Chemieunternehmen bereits geringfügig über dem deutschen Durchschnitt: Insgesamt 106 Vorstandsmitglieder zählten die 20 umsatzstärksten deutschen Chemieunternehmen im Januar 2015. In sieben der Unternehmen ist eine Frau im Vorstand bzw. der Geschäftsleitung vertreten, das entspricht einem Anteil von 6,6%. Erweitert man die Statistik um die zehn umsatzstärksten deutschen Tochterunternehmen ausländischer Chemiekonzerne kommen sieben weitere Top-Managerinnen hinzu und der Frauenanteil in den Vorständen und der Geschäftsführung der Chemie steigt auf 9,9%.

Im Mittelstand der deutschen Chemieindustrie ist der Frauenanteil in der Chefetage nochmal höher. Bei einer Erhebung der Commerzbank aus dem Jahr 2011 lag der Anteil der Frauen an der Unternehmensspitze bei 16%.

„Damit der Anteil an Frauen in Führungspositionen weiter steigt, bedarf es keiner Quote. Vielmehr müssen sich Unternehmen verbindliche und zugleich realistische Ziele setzen und diese mit den Geschäftsverantwortlichen abstimmen. HR-Prozesse müssen angepasst und transparent gestaltet werden, so dass es letztlich nicht zu einer ‚positiven' Diskriminierung von Frauen kommt", sagt Griese-Michels.

In der Tat erwartet ein erheblicher Anteil der männlichen Führungskräfte in der Chemieindustrie einen negativen Einfluss von Frauenfördermaßnahmen auf die persönliche Karriere: Bei der VAA-Befragung vom Dezember ging ein Drittel der befragten Männer aus Unternehmen mit Frauenfördermaßnahmen für die Zukunft von einer leicht negativen Wirkung aus, ein Viertel sogar von einer sehr negativen Wirkung. Umgekehrt erwarten für die Zukunft 34% der Frauen in der Chemie eine leicht positive, weitere 8% eine stark positive Wirkung. „Der Vergleich zur letzten Umfrage zeigt, dass die Wirkung der ergriffenen Maßnahmen langsam, aber zunehmend spürbar wird. Viele Frauen sehen allerdings auch für die Zukunft keinen positiven Einfluss der Frauenförderprogramme auf die eigene Karriere", kommentiert VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch die Ergebnisse.

Frauenförderung alleine wird das Problem nicht lösen, sagt auch Sattelberger: „Arbeitszeitregime und Karrierekulturen müssen sich verändern. Nur wenn Unternehmen Arbeitszeiten souveräner, Führungskulturen fairer und Karrieremuster jenseits der schnellen Jungmännerkarrieren denken, können wir es schaffen."