Anlagenbau & Prozesstechnik

Die Biofabrik der Zukunft

Warum Single-Use-Technologie die Produktion von Biopharmazeutika revolutioniert

26.09.2012 -

Bei der Herstellung biopharmazeutischer Wirkstoffe ist die Single-Use-Technologie weiter auf dem Vormarsch. Hauptvorteile gegenüber den klassischen Verfahren sind eine schnellere Produktion sowie deutlich weniger Betriebskosten. Die Anlagen der neuesten Generation zeichnen sich vor allem durch innovative Raumkonzepte aus.

Bei der Entwicklung und Produktion von kleinen und mittelgroßen Mengen proteinbasierter Biotherapeutika haben Single-Use-Systeme in den vergangenen Jahren einen wahren Siegeszug angetreten. Dabei handelt es sich um ein Herstellungsverfahren, bei dem die eingesetzten Materialien zum Teil oder ganz aus Kunststoff bestehen und für den einmaligen Gebrauch bestimmt sind. Die Palette reicht inzwischen von flexiblen Plastikbeuteln über Einwegbioreaktoren bis hin zu kompletten Single-Use-Prozesslösungen.

Die heute gebräuchlichen Produktionsanlagen bieten zahlreiche Vorteile gegenüber den klassischen Multi-Use-Anlagen vergleichbarer Größe, bei denen die Komponenten vornehmlich aus Edelstahl und Glas bestehen. Neben den geringeren Investitionskosten sind Erstere platzsparender, flexibler einsetzbar und vor allem preiswerter in der Anschaffung.

Lediglich in Bezug auf die Dimension sind der Einwegtechnologie derzeit noch Grenzen gesetzt. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus den eingesetzten Kunststoffen, die nur über eine begrenzte Stabilität verfügen und sich nicht für jedes Handling eignen. So sind derzeit hauptsächlich Anlagen bis zu einer Größe von 2.000 l im Einsatz.

Flexibles Anlagenkonzept

Heute verwendet nahezu jeder Biotherapeutikaproduzent Single-Use-Technologie. Im deutschsprachigen Raum sind das vor allem die großen Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim, Roche, Merck Serono und Novartis. Ein Mittelständler, der sich hier ebenfalls einen Namen gemacht hat, ist das Unternehmen Rentschler Biotechnologie. Der Full-Service Lohnhersteller besitzt mehr als 35 Jahre Erfahrung in der Entwicklung, Produktion und Zulassung biopharmazeutischer Wirkstoffe.

Anfang des Jahres hat Rentschler an seinem Hauptstandort in Laupheim nahe Ulm eine neue Produktionsanlage in Betrieb genommen, die komplett auf der neuen Technologie basiert. Sie verfügt über eine jährliche Kapazität von 20 bis 24 Läufen, mit einem Produktionsvolumen von je 1000 l. In der Anlage können also 10-12 verschiedene Projekte mit jeweils zwei Läufen durchgeführt werden. Mit ihrem modularen Ansatz zeigt die hochmoderne Anlage, wie die Fabrik der Zukunft für die Herstellung biopharmazeutischer Wirkstoffe aussehen kann. Verantwortlich für die Planung und Realisierung sowie die Inbetriebnahme der Produktionsanlage war die PhC PharmaConsult, eine auf die Pharmabranche spezialisierte Tochter der I+O Industrieplanung + Organisation.

Wesentliches Merkmal der neuen Biotech-Produktion ist das flexible Raumkonzept. Es umfasst vier unabhängige Allzweck-Reinräume für den Betrieb der mobilen Einweg-Produktionsausrüstung für Upstream- und Downstream-Processing. Um maximale Flexibilität zu gewährleisten, sind sämtliche Reinraum-Suiten an ein Messdatenerfassungs-System angeschlossen, das eigens für das „Plug and Play" der mobilen Produktionsausstattung vorkonfiguriert wurde. Durch die flexible und modularisierte Raumgestaltung lassen sich mehrere Produkte gleichzeitig und unabhängig voneinander herstellen.

Schneller und günstiger

Ein zentraler Vorteil bei der Handhabung von Single-Use-Technologie gegenüber klassischen Systemen ist, dass die Reinigung entfällt. Dazu gehören vor allem das Spülen der Anlage mit Natronlauge und die aufwendige Sterilisation von Edelstahlbehältern und weiteren Komponenten mit Reinstwasser und -dampf. Der Wegfall des Reinigungsprozesses macht es möglich, dass die neue Rentschler-Anlage unterschiedliche Produkte bis zu einer Größe von 1.000 l schnell nacheinander verarbeiten kann.

Dazu ist es erforderlich, während der Herstellung eines Produkts, bereits den Prozess für das nächste Produkt vorzubereiten und zu beginnen. Single-Use-Technologie beschleunigt also Produktwechsel und Rüstzeiten deutlich, sodass eine enge Verschachtelung der Projekte möglich wird.

Vor allem bei einer Produktion, die aus ein oder zwei Läufen besteht, fallen diese Vorteile ins Gewicht. Neben verkürzten Rüst- und Produktwechselzeiten sind erhebliche Kosteneinsparungen ein wesentlicher Faktor für den Einsatz der Einwegtechnologie. So betrugen die Investitionskosten für die neue Produktionsanlage von Rentschler rund ein Drittel weniger als für eine konventionelle Multi-Use-Anlage vergleichbarer Größe. Zudem liegen die Fixkosten deutlich niedriger, was u.a. auf die höhere Kapazität und den geringeren Wartungsaufwand zurückzuführen ist. Nicht zuletzt dadurch konnte das Unternehmen die Herstellungskosten von pharmazeutischen Präparaten und Wirkstoffen deutlich senken.

Für sein flexibles Anlagenkonzept erhielt Rentschler im Mai den Facility of the Year Award 2012 (FOYA) in der Kategorie „Equipment Innovation". Die weltweit anerkannte Auszeichnung wird jährlich von der International Society for Pharmaceutical Engineering (ISPE) verliehen. Die Jury prämiert Projekte, bei denen hochmoderne und innovative Technologien zum Einsatz kommen, um die Kosten zur Herstellung von Medikamenten zu senken und die Qualität der Wirkstoffe zu verbessern.

Herausforderungen meistern

Die Single-Use-Technologie bietet jedoch nicht nur Vorteile, sondern auch Herausforderungen. Diese liegen vor allem in der sicheren Handhabung der Systeme und der Entsorgung der Materialien im Anschluss an den Prozess. Gerade bei Transportschäden und Handhabungsfehlern der Einwegsysteme kann es zu Sicherheitslücken kommen, die eine ernste Gefahr für die Zellkulturen darstellen. Im schlimmsten Fall führt dies zu Kontamination und damit zur nicht Verwendbarkeit des Produkts.

Bei der Entsorgung der umweltbelastenden Einwegprodukte ist zudem eine aufwendige und kostenintensive Logistik notwendig - nicht zuletzt auch aufgrund des hohen Abfallvolumens. Aus diesem Grund ist es wichtig, mit qualifizierten Lieferanten zusammenzuarbeiten, welche die genauen Anforderungen an den Prozess mitbringen.

Eine weitere Herausforderung ist das Thema „Leachables". Dabei handelt es sich um chemische Verbindungen wie Monomere oder Weichmacher, die von den Einwegmaterialien freigesetzt werden können. Hier gilt es den Nachweis zu erbringen, dass diese nicht in das Endprodukt gelangen.
Obwohl die neue Technologie im Vergleich zu den klassischen Herstellungsverfahren für therapeutische Proteine noch immer relativ jung ist, führt kein Weg an ihr vorbei.

Dies gilt umso mehr in einer Zeit, wo Kosten- und Zeitdruck bei der Entwicklung und Produktion von Biopharmaka stetig zunehmen. Gerade für junge Unternehmen könnte durch die Vorteile der Single-Use-Technologie die Eintrittsschwelle deutlich niedriger werden. Doch Vorsicht: Die komplexe Infrastruktur mit ihren Reinraumbedingungen, der hohen Qualitätssicherung und der aufwendigen Logistik muss nach wie vor implementiert werden. Und nicht zuletzt wird auch für den Betrieb der Single-Use-Anlagen erfahrenes Personal benötigt.

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