Anlagenbau & Prozesstechnik

Single-use-Systeme in biopharmazeutischen Prozessen

Hohe Wachstumserwartungen für Disposables dank technischer Weiterentwicklungen und neuer Einsatzfelder

09.06.2015 -

Single-use-Systeme werden heute bei der Mehrheit der biopharmazeutischen Prozesse mit tierischen Zellkulturen eingesetzt. Am häufigsten werden Single-use-Filter, -Mischer und -Bioreaktoren im Upstream Processing (USP) präklinischer und klinischer Musterproduktionen sowie Single-use-Kunststoffbeutel für Lagerzwecke verwendet. Doch auch für das Downstream Processing (DSP) sowie  die Formulierung und Abfüllung setzt die biopharmazeutische Industrie zunehmend auf Single-use-Systeme (SUS). Im Fokus aktueller Entwicklungen sind u.a. gerührte Single-use-Bioreaktoren für Mikroorgansimen. Bedarf besteht außerdem an Single-use-Equipment für die Prozessierung von Stamm- und T-Zellen.

Single-use (disposable)-Systeme sind nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt. Die Teile, die mit dem Produkt in Kontakt kommen, bestehen aus von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassenen Kunststoffen wie zum Beispiel Polyethylen oder Polycarbonat. SUS sind in der Regel bereits durch den Hersteller beta- oder gammasterilisiert, weshalb sie sofort eingesetzt werden können (ready-to-use).

Vorteile von Single-use-Systemen

Die Akzeptanz solcher SUS in der biopharmazeutischen Produktion hat in den vergangenen 15 Jahren stark zugenommen. Das betrifft vor allem Prozesse mit tierischen Zellkulturen, wo klein- und mittelvolumige Produkte wie therapeutische Antikörper, Hormone, Enzyme oder Impfstoffe schnell entwickelt und effizient hergestellt werden sollen. So wird aktuell davon ausgegangen, dass in zwei Drittel solcher Prozesse bei Neu-Etablierungen SUS bevorzugt werden.

Erklärt wird dieser Trend mit den gestiegenen Produkttitern (und damit verbundenen Reduktionen der Produktionsbioreaktorgröße auf 1 m3 oder 2 m3) sowie den Vorteilen, die aus der Anwendung von SUS im Vergleich mit wiederverwendbarem Equipment aus Glas oder Stahl resultieren. Neben kürzeren Produktionszeiten (Sterilisations- und Reinigungsprozeduren entfallen) wird die höhere Flexibilität (Produktwechsel können schneller vollzogen werden) und Sicherheit (minimiertes Risiko von Produktkreuzkontaminationen) genannt. Außerdem lässt sich durch SUS das Anfangsinvestment für eine Produktionsanlage um ca. 40% reduzieren; Realisierung und Inbetriebnahme lassen sich deutlich beschleunigen.

Single-use-Equipment ist bei der Herstellung präklinischer- und klinischer Muster omnipräsent, während in kommerziellen biopharmazeutischen Produktionen weniger Gebrauch von ihm gemacht wird. Als Ursache dafür werden die noch existierenden Limitationen der auf dem Markt verfügbaren SUS angegeben.

Leachables und Extractables sind Schwachstellen

Unter Leachables und Extractables (L&E) versteht man chemische Substanzen, die unter Prozessbedingungen bzw. einem Worst-case-Szenario aus dem Kunststoff migrieren und das Produkt schädigen. Zurzeit sind fehlende Regularien für standardisierte Tests zum Nachweis von L&E bzw. entsprechende Analysenprotokolle die größte Schwachstelle von SUS.

Single-use-Systeme für alle Prozessschritte

Trotz der aufgeführten Schwachstellen von SUS überwiegen ihre Vorteile, vorausgesetzt sie werden richtig ausgewählt und verwendet. SUS gibt es inzwischen für alle Prozessschritte des USP und DSP. Sogar für die Formulierung und Abfüllung ist geeignetes Single-use-Equipment (Mischer, Transfersysteme, Dosiersysteme, Abfüllnadeln etc.) verfügbar. Komplette Single-use-Produktionsstätten wie die von Wuxi PharmaTech in Schanghai, China, sind gegenwärtig aber trotzdem noch die Ausnahme. (ca. 10%). Mit ca. 75% dominieren hybride Produktionsstätten, in welchen Single-use-Filter, -Mischer und -Bioreaktoren sowie Kunststoffbeutel für Lagerzwecke zusammen mit Equipment aus Edelstahl verwendet werden. Dabei haben sich von den Marktleadern für SUS (GE Healthcare, Pall Life Sciences, Merck Millipore, Sartorius Stedim Biotech, ThermoScientific) konzipierte Prozessplattformen (z.B. für die Medienherstellung, die Fermentation, die Biomasseabtrennung, die Virusabtrennung- und -inaktivierung, die Formulierung und Abfüllung) durchgesetzt.

Die Tatsache, dass dieser Bereich trotz der Fortschritte im Single-use-DSP immer noch ein Flaschenhals für Volumina größer 500 L ist (Limitation durch Single-use-Zentrifugation, Single-use-Protein A-Chromatographie, fehlende Sensortechnik), erklärt den aktuellen Trend zu Produktionsstätten mit komplett auf SUS basierendem USP. Ein prominentes Beispiel für eine solche Produktionsstätte ist die 2000-L-Anlage von Shire in Lexington, Massachusetts, USA. Mit der durch die European Medicines Agency (EMA) und FDA zur Behandlung der Gaucherkrankheit zugelassenen Velaglucerase Alfa wird sogar erstmals ein kommerzielles Biotherapeutikum in einer Produktionsstätte mit kompletter Single-use-USP-Linie hergestellt. Doch ohne die skalierbare Single-use-Bioreaktortechnologie und entsprechendes peripheres Equipment würden solche Produktionsstätten nicht existieren.

Neue Generation von Single-use-Bioreaktoren

Die Bioreaktoren der verschiedenen Anbieter unterscheiden sich im Energieeintragsprinzip, der Größe sowie dem Material des Kultivierungscontainers, den Sensoren und der Kontrolleinheit. Sie werden sowohl für die Kultivierung in Suspension wachsender Zellen als auch adhärenter Zellen genutzt. Für Suspensionszellen sind mechanisch oder pneumatisch angetriebene Single-use-Bioreaktoren einsetzbar. Adhärente Zellen werden dagegen entweder in denselben Single-use-Bioreaktoren auf Microcarriern oder in mechanisch angetriebenen, rotierenden Bettbioreaktoren bzw. hydraulisch angetriebenen Single-use-Hohlfaserbioreaktoren, Parallelplattenbioreaktoren und Festbettbioreaktoren kultiviert.

Die Anwender greifen mehrheitlich auf mechanisch angetriebene, gerührte sowie wellendurchmischte Single-use-Bioreaktoren zurück. Während wellendurchmischte Bioreaktoren (mit wenigen Ausnahmen) vornehmlich für Zellexpansionen verwendet werden, werden die Bioreaktionen in der Regel in gerührten Bioreaktoren durchgeführt. In den letzten drei Jahren wurde das Design verschiedener wellendurchmischter und gerührter Single-use-Bioreaktoren modifiziert, um ihr Handling zu vereinfachen sowie die tierische Zellkultur überschreitende Anwendungen abzudecken. Auffallend ist hier die Entwicklung von gerührten Single-use-Bioreaktoren für mikrobielle Prozesse.

Die Sensortechnik wurde ebenso wie die Controller sowie die Überwachungs- und Steuerungssoftware der Single-use-Bioreaktoren überarbeitet und erweitert. Das garantiert eine verbesserte Datenaufzeichnung und Prozessüberwachung. Als Folge der Weiterentwicklung der Single-use-Bioreaktoren, aber auch durch Firmenfusionen (wie z.B. der von Xcellerex/GE Healthcare, Eppendorf/New Brunswick/DASGIP sowie ATMI/Pall Life Sciences) wurden Bioreaktornamen teilweise geändert.

Um die Raum-Zeit-Ausbeute der mit tierischen Zellkulturen betriebenen Single-use-Bioreaktoren zu erhöhen bzw. deren beschränkte Skalierbarkeit aufzuheben, setzen zahlreiche Prozessentwickler und Contract Manufacturing Organizations (CMO) auf die Tangentialflowfiltration (TFF). Sie kombinieren gerührte und wellendurchmischte Single-use-Bioreaktoren mit externen Crossflow-Mikrofiltrationssystemen oder Single-use-Hohlfasermodulsystemen. Dadurch werden kontinuierliche Perfusions-, Repeated Fed Batch-, konzentrierte Fed Batch- und konzentrierte Perfusionsprozesse möglich, deren Umsetzung durch neues peripheres Single-use-Equipment in Form von Konnektoren, Membranventilen und Pumpen unterstützt wird.

Neue Konzepte für das Downstream Processing

Mit den generierten Hochzelldichten (um 108 Zellen/ml) und mit den bis um den Faktor 10 höheren Produkttitern gehen neue Anforderungen an das DSP einher. Gleichzeitig ergibt sich eine Chance für innovative Konzepte im DSP, die eine Prozesskostenoptimierung erlauben. So wurde gezeigt, dass alternativ zur Single-use-Zentrifugation Single-use-Body-Feed-Filtrationsmodule von Sartorius Stedim Biotech (Kieselgurfiltration) oder Filtrox für eine effiziente Klärung der Kulturbrühe im Produktionsmaßstab gebraucht werden können. 3M setzt mit der Entwicklung eines multifunktionellen Single-use Purifier ebenfalls bei den Klärungsschritten an, um die nachfolgenden teuren chromatographischen Aufreinigungsschritte zu entlasten.

Einige Anwender realisieren bereits kontinuierliche DSP-Prozesse, für die ASI kürzlich einen Single-use-Wärmetauscher präsentierte. Die Hauptlieferanten von SUS bieten neben vollautomatisierten TFF-Modulen solche für Dia- und Virenfiltrationen sowie Single-use-Chromatographiesysteme und Membranadsorber in unterschiedlichen Größen an. Verschiedene Biopharmazeutika-Produzenten und CMOs bevorzugen aber disposable Chromatographiesysteme, die mehrfach einsetzbar und vorgepackt sind.

Zusammenfassung und Ausblick

SUS sind in allen Bereichen biopharmazeutischer Prozesse mit tierischen Zellkulturen akzeptiert. An der Lösung der noch bestehenden Limitierungen (Standardisierung, Weiterentwicklung der Sensortechnik und Verbesserung der Automatisierungslösungen sowie Single-use-Chromatographie im großen Maßstab) wird mit Hochdruck gearbeitet. Marktanalysen gehen deshalb für SUS von einem andauernden Wachstum von mindestens 15% pro Jahr aus. Dabei wird ihre Zunahme auch für kommerzielle Produktionen und mikrobielle Prozesse prognostiziert. Neben neu zu errichtenden, flexiblen, modularen Produktionsstätten für Biotherapeutika und Biosimilars wird wiederverwendbares Equipment bestehender Produktionsanlagen gegen SUS ausgetauscht werden.

Schließlich ist mit den zunehmenden Erfolgen zell-, gen- und immunotherapeutischer Ansätze zukünftig Single-use-Equipment für die Prozessierung (Zellexpansion, -differenzierung, -ernte sowie -reinigung) von Stamm- und T-Zellen verstärkt gefragt. Besonders für die induzierten pluripotenten Stammzellen, die sich durch eine sehr hohe Scherstress-Sensitivität auszeichnen, stellt sich die Frage, ob das für permanente Zelllinien entwickelte Single-use-Equipment überhaupt genutzt werden kann. (mr)

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