Anlagenbau & Prozesstechnik

Der Trend von morgen

20.05.2013 -

Der Trend von morgen – Verbesserung der Produktion durch detailliertes Prozesswissen – Die erste Europäische Konferenz zum Thema Prozessanalytik und Prozesssteuerung, die Europact 2008, fand vom 22. bis 25. April 2008 in Frankfurt statt.

Sie bot 300 Wissenschaftlern, Anlagenbetreibern und Herstellern vier Tage lang die Gelegenheit, sich über aktuelle Trends und Themen intensiv auszutauschen.

Veranstalter waren der gemeinsame Arbeitskreis Prozessanalytik der Dechema und der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh). „Ohne detailliertes Wissen über den Prozess ist keine Verbesserung des Produktionsablaufes möglich" lautete der Tenor der Veranstaltung.

Seit geraumer Zeit wird in der chemischen Industrie und andere Prozessindustrien wie Pharma- oder Lebensmittelindustrie die Prozessanalysentechnik und Prozesskontrolle eingesetzt, jedoch wird ihre Weiterentwicklung künftig noch essentieller für den Produktionsablauf und die Qualität der Produkte sein.

Die regulatorischen Forderungen der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA nach preisgünstigeren und sichereren Medikamenten fordern die Wissenschaftler und Ingenieure noch stärker zur Weiterentwicklung dieser Werkzeuge heraus.

Trotz des bereits hohen Niveaus sind aber noch längst nicht alle Potentiale, beispielsweise hinsichtlich Energie- und Ressourceneffizienz, ausgeschöpft. Zur Weiterentwicklung eines wissenschaftlich-technischen Feldes gehört dabei in erheblichem Umfang auch die Kommunikation zwischen Forschung, Geräteindustrie und Anwendern.

Hier weist Europa ein deutliches Defizit gegenüber den USA auf, wo seit langem jährlich eine Prozessanalytik-Konferenz mit mehr als 500 Teilnehmern stattfindet. Ziel der Europact ist es, diese Lücke in Europa zu schließen.

 


Visionen für die Produktion 2020

Roger S. Benson eröffnete das Vortragsprogramm mit einem Plenarvortrag. Der Ehrenpräsident des britischen „Centre for Process Analytics and Control Technology" (CPACT) erläuterte in einem visionären Vortrag wie eine chemische Produktionsanlage im Jahre 2020 aussehen könnte.

Dabei widmete er sich der Fragestellung wie Europa auf steigende Kosten durch hohe Rohstoffpreise, restriktive Regulierung und niedrige Arbeitskosten in Asien bei gleichzeitig sinkenden Erlösen für die Endprodukte reagieren könne.

Benson sieht die Antwort in einer Verbesserung der Produktion durch optimierte Prozesssteuerung und Prozessanalysentechnik. Kundenspezifische Fertigung vor Ort biete insbesondere der Prozessanalysentechnik (PAT) neue Chancen durch eine größere Verbreitung in vielen kleinen Fertigungseinheiten.

Heutige Technologien seien für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) aber häufig noch zu teuer und zu komplex. Gerade für diese Unternehmen sei die bessere Steuerung und Überwachung aber essentiell, um nachhaltiger, flexibler und kostengünstiger zu fertigen.

Eine Antwort darauf könnten seiner Meinung nach einfache und kostengünstige Analysensysteme sein, die sich ähnlich den heutigen PCs kundenspezifisch aus vorgefertigten Modulen aufbauen lassen.

 


Prozessanalytik in KMU

Der Inhalt des Vortrages von Rudolf W. Kessler von der Hochschule Reutlingen ging in ähnliche Richtung. Er demonstrierte den Einsatz von Prozessanalysentechnik in kleinen und mittleren Unternehmen am Beispiel der Fertigung von Produkten aus Naturstoffen.

Der Einsatz von Naturprodukten macht momentan die Steuerung von Anlagen sehr schwierig, da sich die Ausgangsprodukte ständig ändern. In Kesslers Beispiel konnte die Fertigungsqualität durch den Einsatz eines UV/VIS Reflexionsspektrometers deutlich verbessert werden.

Er wies auf Probleme für den Einsatz von PAT in KMU hin und beschrieb die notwendigen Schritte zur breiteren Einführung. Aus seiner Sicht sei dazu auch die stärkere Berücksichtigung in Lehre und Forschung notwendig.

Daneben würden zusätzliche gesetzliche Vorgaben in der Pharmaindustrie und Produktion von Nahrungsmitteln die Unternehmen zu einer stärkeren Nutzung der PAT zwingen. Dazu sei aber eine längerfristige Veränderung der Kultur in den Betrieben notwendig.

KISS - Keep it simple and stupid

Einen ähnlichen Schwerpunkt aus Anwendersicht setzte Martin Hajduk von der Evonik Degussa. Sein Schlagwort für Prozessanalysentechnik in Chemieanlagen war KISS, „keep it simple and stupid". Hajduks Anforderungen an die Analysentechnik lauteten: Ein zwar einfaches Messprinzip, dabei aber hochselektiv und hochempfindlich arbeitet. Es sollte möglichst zur Inline Messung einsetzbar und fehlertolerant sein.

Die wenigen Wartungsarbeiten sollten von Technikern vor Ort durchgeführt werden können. Obwohl die heutigen Analysensysteme diese Anforderungen noch nicht alle erfüllen, lohne sich seiner Meinung nach der Einsatz von PAT bereits jetzt.

Nach Hajduks Einschätzung erfolge bei mehr als 75 % der installierten Analysensysteme der Return of Investment (ROI) innerhalb von zwei Jahren.

 


Konsortien mit unabhängiger Führung

Der Vortragende Alvaro Diez-Lazaro von Dow Chemical sah bei Entwicklungskooperationen ein Dilemma: Hochschulen, Gerätehersteller und Anwender hätten bei der Umsetzung einer gemeinsamen Kooperation sehr unterschiedliche Interessen.

Konfliktträchtig seien im Allgemeinen Patentrechte und die langen Entwicklungszeiten. Die Anwender würden den Aufwand für ein langwieriges Entwicklungsprojekt mit unsicherem Ausgang scheuen und die Hersteller konzentrierten sich nur auf Vermarktung von Standardtechnik.

An den Hochschulen gäbe es deshalb oft viel versprechende Forschungsprojekte, die häufig nicht in der Praxis umgesetzt werden würden. Nach Ansicht von Diez-Lazaro ist die Bildung von Konsortien unter Führung unabhängiger Organisationen ein möglicher Ausweg.

Als Beispiel führte er die Entwicklung eines Tunable Diode Laser Systems zur Messung bei hohem Druck und hohen Temperaturen an.

Dort sei es gelungen mit Dow Chemical (Anwender), der Rice University (Hochschule) und Analytical Specialties (Hersteller) unter Mitarbeit des US Department of Energy ein entsprechendes System erfolgreich von der Idee bis zur Marktreife zu entwickeln.

 


Stand der Technik von heute

Neben visionären Beiträgen rundeten mehrere Übersichtsvorträge und Beispiele aus der Praxis das Programm ab. Anna de Juan von der Hochschule Barcelona gab einen umfassenden Überblick über den Stand der Datenanalyse in der Prozessanalysentechnik.

Peter Tummers vom DSM Resolve aus den Niederlanden erläuterte an praktischen Beispielen den Zusammenhang zwischen Analytik und Prozesssteuerung. Üblicherweise steht dabei die Genauigkeit der Messung im Vordergrund.

Tummers wies aber darauf hin, dass häufig der Einfluss von Tot- und Ansprechzeit auf die Prozessregelung unterschätzt werde. Weitere Vorträge der Tagung widmeten sich der spektroskopischen Kalibrierung, der Entwicklung des Chemical Imaging zu einer Routinemethode und dem Einsatz von PAT bei biotechnischen Produkten. Untermauert wurden die Vorträge von Beispielen aus der laufenden Forschung und Entwicklung.

So stellte z. B. das Fraunhofer Institut ein micro-NIR Fotometer zur qualitativen und schnellen Identifizierung von Polymeren vor. Clemens Minnich von der Hochschule Aachen demonstrierte in seinem Vortrag einen miniaturisierten ATR-Infrarot Sensor zur Messung in Microreaktoren.

Des Weiteren wurde die erfolgreiche Nutzung anspruchsvoller Messtechnik in der Fertigung vorgestellt. Hier zeigte unter anderem Ametek den Einsatz seiner Massenspektrometer bei der Trocknung von Tabletten in der Pharmaindustrie.

 


Siemens-Prozessanalytik-Preis

Während der Tagung wurde von Siemens der Prozessanalytik-Preis für Nachwuchswissenschaftler verliehen. Diese Auszeichnung ging an Rosalynne Watt von der Universität Cambridge (UK) für eine Publikation zu Glasfaseroptiken in der Spektroskopie.

Ihre Arbeit ermöglicht es, mit einem optischen Spektrometer die Reaktionen in einer Brennstoffzelle direkt zu verfolgen. Damit leistet Watt einen wichtigen Beitrag zur Forschung bezüglich der Energieversorgung in der Zukunft.

Die Prozessanalysentechnik wird als Basis für eine verbesserte Prozesskontrolle die Qualität der erzeugten Produkte noch weiter steigern. Während der Nutzer von besserer Qualität und Produktsicherheit profitiert, geht es dem Betreiber von Produktionsanlagen um Prozessund Anlagensicherheit und um eine wirtschaftliche und nachhaltige Produktionsweise.

Interessant ist dabei zu sehen, welche der heutigen Visionen und neuen Messverfahren bei der nächsten Europact 2011 in Glasgow bereits schärfere Konturen angenommen haben werden.

 


Kontakt:
Dr. Berthold Andres

Consulting für Emissions- und Prozessmesstechnik,
Biebergemünd
Tel.: 06050/9098626
Fax: 06050/909836
Berthold.Andres@euro-analytics.de

 

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