Anlagenbau & Prozesstechnik

Extremrisiko für Unternehmen

11.07.2013 -

Extremrisiko für Unternehmen – Wie können Unternehmen hohe Krankheitsstände durch Pandemien vermeiden.

Tausende von Kilometern trennen Vietnam, China oder Indonesien von Westeuropa. Insofern haben auch die jüngsten Meldungen über neue Fälle von Vogelgrippe die Verantwortlichen hier zu Lande kaum berührt.

Allerdings könnte es sich als gefährlich erweisen, die Warnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zuletzt vom März diesen Jahres, zu ignorieren: Das Virus hat sich in Asien fest etabliert und droht eine Pandemie auszulösen. Wenn die Medien über die ersten Grippeopfer in Südostasien berichten, ist das Virus längst im Flugzeug nach Deutschland gelangt und verbreitet sich rasant.

Ein Impfstoff gegen den unbekannten Erreger stünde frühestens nach vier Monaten zur Verfügung. Inzwischen erkrankten zwischen 15 und 50 % der Bevölkerung.

In Unternehmen betrüge der Anteil der betroffen Mitarbeiter 25 - 50 %, so die aktuelle Expertise des Robert-Koch-Instituts zum Risiko einer Pandemie.

Aber schon aus Angst vor einer Infektion bleiben viele Arbeitnehmer zu Hause. Die Folge sind unter anderem Engpässe in der Fertigung. Da meistens Just-in-Time produziert wird, unterbrechen Lieferausfälle die Wertschöpfungskette, was einige Firmen sofort in eine ihre Existenz bedrohende Lage bringt.

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO liegt die Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs einer Pandemie in den nächsten zehn Jahren zwischen 30 und 40 %.

 


Prävention mangelhaft

Bei vielen Unternehmen stoßen die Experten aber scheinbar auf taube Ohren. Nur rund 20 % sind überhaupt für ein solches Ereignis gerüstet. Selbst das verarbeitende Gewerbe, das vom Ausbruch einer Pandemie besonders betroffen wäre, verfügt laut einer vom Institut für Management- und Wirtschaftsforschung erstellten Studie nur zu einem Drittel über Notfall- Pläne. Von den unvorbereiteten Unternehmen sind nur 11 % Großbetriebe, aber 89 % Mittelständler; davon wollen sich 22 % erst nach 2010 mit dem Thema beschäftigen und 27 % überhaupt keine Maßnahmen ergreifen. Für die meisten ist die Pandemie mangels Erfahrung ein abstraktes Risiko. Sie sagen: „Bei SARS vor ein paar Jahren wurde unnötig Angst verbreitet und nichts ist passiert."

Warum sollte es diesmal anders sein? Auf der anderen Seite erliegen Manager einer übertriebenen Panikmache. „Viele sind der irrigen Annahme, bei einer Vogelgrippe-Pandemie breche der Markt völlig zusammen, dann müsse man auch nichts mehr produzieren", so Professor Dr. Dr. Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle.

Man halte es für überflüssig, sich auf den Ernstfall vorzubereiten. Die Wahrheit dürfte dazwischen liegen. Kekulé, der auch Pandemieberater des Bundesinnenministeriums ist, geht als Basisszenario von einer Erkrankung von 30 % der Mitarbeiter aus.

Dabei bleibe die unternehmerische Funktionsfähigkeit erhalten. Erst ab 50 % müssten die Produktionen in je nach Branche unterschiedlichen Umfängen heruntergesetzt werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würden auch bei einer Vogelgrippe die globalen ökonomischen Strukturen weiter funktionieren.

Die Geschäfte könnten - wenn auch mit deutlich reduzierten Ressourcen - weitergeführt werden. Kekulé: „Wer für diese Situation gut gerüstet ist, hat sogar einen echten Wettbewerbsvorteil."

Hilfen für das Krisenmanagement Zu den wichtigsten Herausforderungen gehören Cash-Flow- Probleme, der Krankenstand der Mitarbeiter, Quarantänevorschriften, Reiserestriktionen, Behinderungen im Imund Export und Treibstoffknappheit.

Die Beratungsfirma für Risikomanagement Marsh hat einen elektronischen Fragebogen entwickelt, mit dem Unternehmen ihren Vorbereitungsstand analysieren können (www.marshriskconsulting. com).

Danach muss zum Beispiel kontrolliert werden, ob die IT-Infrastruktur ausreicht oder ob es Strategien gibt, Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre gleichzeitig zu informieren. 3M hat eine Planungssoftware entwickelt, mit der sich Unternehmen für den Ernstfall wappnen können.

Diese errechnet auf Basis der Kennzahlen von WHO, Robert- Koch-Institut und Berufsgenossenschaften sowie aktueller Erkrankungsraten den Bedarf an Schutzausrüstungen. Dabei handelt es sich keineswegs um „freiwillige" Maßnahmen.

„Gesundheitsrisiken, etwa durch eine drohende Grippe- Pandemie, zählen zu den laut KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) zu beobachtenden Risiken eines Unternehmens bzw. den zu treffenden Vorsorgemaßnahmen", so die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG.

Dr. Dirk Thiel, Mitglied der Geschäftsführung der Creditreform Rating AG, Neuss, weist darauf hin, dass US-Analysten Unternehmen inzwischen auch nach der Qualität ihrer Pandemiepläne beurteilen.

Als vordringlichste Maßnahme im Krisenfall seien sofort die Kontakte unter den Mitarbeitern auf ein Mindestmaß zur verringern, forderten Risikomanager großer Firmen auf einer Veranstaltung des Arbeitskreises Sicherheit für die Wirtschaft.

Für jede Unternehmenseinheit müsse es einen detaillierten Plan geben, wer im Ernstfall zu Hause bleibe beziehungsweise nicht zwingend zur Aufrechterhaltung der Produktion gebraucht werde.

 


Beispiel Chemie- und Pharmabranche

Allerdings sind Pläne nichts wert, die in Schubladen verstauben. Der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) hat auf seiner jüngsten Tagung in Saabrücken den Unternehmen empfohlen, Pandemiekoordinatoren und Krisenmanagement-Teams zu bestimmen sowie regelmäßig Übungen durchzuführen.

„In diesen Teams sollten unbedingt auch Betriebsärzte integriert sein", so VDBW-Präsident Dr. Wolfgang Panter.

Die Organisation bietet auf ihrer Website (www.vdbw.de) eine kostenlose Pandemie-Checkliste und umfangreiches Informationsmaterial an. Zu den positiven Beispielen zählt die Wacker Chemie AG.

Auf Beschluss des Vorstands im Juni 2005 wurde im Rahmen eines interdisziplinär besetzten Projekts unter Federführung des Werksärztlichen Dienstes ein Pandemie-Vorsorgeplan für den Konzern entwickelt.

Im Krisenfall sollen die gesundheitlichen Risiken für die Mitarbeiter minimiert und mögliche Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse reduziert werden. An allen deutschen Standorten hält Wacker antivirale Medikamente für die Behandlung von ca. 30 % der Belegschaft bereit.

Dies entspricht einem mittleren Erkrankungsszenario nach WHO-Maßstab. Darüber hinaus sind auch Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel griffbereit.

„Eine Risikoabschätzung von Pandemien ist immer sehr schwierig, da niemand im Voraus weiß, wann eine Pandemie ausbricht und wie schnell Impfstoffe und prophylaktische Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit vorliegen", unterstreicht das Unternehmen die Notwendigkeit von Standby-Maßnahmen.

 


Antivirale Medikamente

Bei der Bayer AG ist die Pandemie- Prävention selbstverständlicher Bestandteil der Business-Continuity-Pläne. Es erfolgt eine ganzheitliche Betrachtung der gesamten Liefer- und Produktionskette unter Einbeziehung auch von Lieferanten.

„Eine Pandemie ist ein vernetztes Risiko; eine isolierte Betrachtung einzelner Unternehmen deshalb nicht sinnvoll", so der Tenor. Ex gibt regelmäßige Treffen eines im Rahmen der Pandemie-Pläne aufgestellten Teams. Dort werden neue Entwicklungen bewertet und bestehende Pläne gegebenenfalls angepasst.

Auch der Leverkusener Konzern verfügt über Arzneimittel- Depots, ebenso übrigens die BASF, Henkel und Dow Wolff. Die Bevorratung antiviraler Medikamente wie Tamiflu ist inzwischen ein wichtiger Bestandteil der betrieblichen Pandemieplanung.

Sie können die Krankheitsdauer um bis zu drei Tage verkürzen oder aber eine Ansteckung verhindern. Für einige Sparten der Chemie- und Pharmabranche brächte der Ausbruch einer Grippe-Pandemie sogar eine „Sonderkonjunktur", hat das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung ermittelt.

Dazu gehörten in erster Linie Hersteller von Medikamenten sowie von Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln. Ob und inwieweit allerdings Unternehmen von der Situation tatsächlich profitieren, hängt von der Qualität ihrer eigenen Präventionsmaßnahmen ab. Grundsätzlich ließe sich das Pandemierisiko auch versichern. Doch nur wenige deutsche Firmen verfügen über entsprechende Policen.

Die Assekuranz scheut das wirtschaftliche Risiko und bietet einen entsprechenden Schutz vorsichtshalber erst gar nicht aktiv an.

„Das Ganze stößt aufgrund des Schadenpotentials an die Grenzen des Möglichen", so der Großfirmenbetreuer eines großen Industrieversicherers. Man müsse schon guter Kunde und bereit sein, Prämienaufschläge von 25 % und mehr in Kauf zu nehmen.

 


Kontakt:
Manfred Godek PR, Düsseldorf

Tel.: 0211/9708-100
Fax: 0211/9708-202

 

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