Anlagenbau & Prozesstechnik

Mit dem Zweiten prüft man besser

21.05.2013 -

Mit dem Zweiten prüft man besser – Moderne Produkt- und Prozessentwicklung in der Pharmaindustrie.

Sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittel - ein Muss für jeden Verbraucher. Doch wie sicher sind die Prüfungsvorgänge, wie verlässlich sind die Ergebnisse? Bevor Arzneimittelchargen in den Verkehr gebracht werden dürfen, müssen diese von einer „qualified person" freigegeben werden.

Voraussetzung für die Freigabe ist eine einwandfreie Produktqualität. Diese lässt sich zwar mit Hilfe von zwei Verfahren belegen - aber nur eines der beiden erreicht das Ziel. In der Regel wird der Nachweis der Produktqualität über eine exzessive Prüfung des hergestellten Arzneimittels geführt.

Dieses Vorgehen ist teuer, zeitaufwendig und besitzt einen wesentlichen Schwachpunkt: Es wird nur eine Stichprobe untersucht. Eine sichere Aussage über die Qualität der gesamten Charge könnte aber nur mittels der Prüfung aller hergestellten Einheiten getroffen werden.

Jedoch erweist sich eine solche 100% -Prüfung als betriebswirtschaftlich unsinnig, da zahlreiche Untersuchungen mit einer Zerstörung des Arzneimittels verbunden sind. Diese Schwachstelle lässt sich mit Hilfe eines zweiten möglichen Weges umgehen.

Hierbei wird auf der Basis umfangreicher Produkt- und Prozesskenntnisse eine Validierung der kritischen Parameter des Herstellungsprozesses durchgeführt. Im Ergebnis solcher Untersuchungen wird die zulässige Toleranz der Parameter ermittelt.

Bewegt sich der Prozess innerhalb der Toleranz, kann man davon ausgehen, dass die gewünschte Qualität erzeugt wurde. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass Qualität produziert und nicht in ein Arzneimittel hineingeprüft wird.

Damit wird eine Forderung der amerikanischen Arzneibehörde FDA erfüllt, die diese in ihrem Leitfaden für die Industrie „Quality Systems Approach to Pharmaceutical CGMP Regulations" im September 2006 aufstellte: „Quality should be built into the product, and testing alone cannot be relied on to ensure product quality." Das beschriebene Vorgehen ist unter der Bezeichnung Process Analytical Technology (PAT) bekannt geworden.

 

Inhalte von PAT

PAT ist nicht neu. Unter der Bezeichnung „Parametrische Freigabe" wird in den USA bereits seit 1985 ein ganz ähnliches Verfahren bei der Hitzesterilisation von Arzneimitteln im verschlossenen Endbehältnis praktiziert.

Ein Verzicht auf die Sterilprüfung ist dann zulässig, wenn erfolgreich nachgewiesen werden kann, dass zuvor festgelegte, validierte Sterilisationsbedingungen erfüllt sind. Europa zog 2002 mit dem GMP-Anhang 17 nach, der sich ebenfalls mit der parametrischen Freigabe von Arzneimitteln nach Sterilisation im Endbehältnis beschäftigt.

Die Anwendung von PAT ist bisher nicht verbindlich vorgeschrieben. Allerdings wird die Bedeutung dieses Vorgehens aus unterschiedlichen Gründen zunehmen, zum einen da das moderne Qualitätsmanagement auf kontinuierliche Verbesserungen wartet.

Bei PAT handelt es sich ganz eindeutig um eine solche, wird doch anstatt der bisher üblichen Qualitätskontrolle die viel umfassendere Idee der Qualitätssicherung in den Mittelpunkt gestellt.

Somit passt PAT auch sehr gut zu der von der FDA propagierten GMP-Initiative für das 21. Jahrhundert. In deren Zentrum stehen unter anderem die Unterstützung neuer Technologien und eine integrierte Qualitätssicherungsausrichtung.

Das von der europäischen Arzneimittelbehörde Emea im Jahr 2006 veröffentlichte Reflection Paper mit dem Titel „Chemical, pharmaceutical and biological information to be included in dossiers when PAT is employed" beantwortet die Frage, ob PAT auch diesseits des Atlantiks implementiert werden soll, mit einem klaren Ja.

Darüber hinaus enthält auch der von der International Conference on Harmonisation (ICH) herausgegebene Leitfaden „Pharmaceutical Development", der auch unter der Bezeichnung ICH Q8 bekannt ist, die Forderung nach genauer Kenntnis der Herstellungs- und Kontrollprozesse.

Da neben der Europäischen Union und den USA auch Japan zu den an der ICH teilhabenden Regionen gehört, erwarten die weltweit wichtigsten Zulassungsbehörden in jedem Fall ein Einbringen von Innovationen in den Herstellungsprozess.

 


Umsetzung von PAT

Hat sich ein Unternehmen zur Einführung von PAT entschlossen, ist zunächst ein geeignetes Projekt auszuwählen. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt sollte der Hersteller die erforderliche Qualität des Produktes kennen und festlegen. Als nächster Schritt ist ein Herstellungsverfahren zu entwickeln, mit dem das Arzneimittel in der geforderten Qualität hergestellt werden kann.

Spätestens bei Beantragung der Zulassung ist darzulegen, warum der Prozess so und nicht anders entwickelt und aus welchen Gründen die einzelnen Kontrollpunkte ausgewählt wurden. Dies setzt eine umfassende Prozesskenntnis voraus und ist nur möglich, wenn der Hersteller alle kritischen Verfahrensschritte und deren mögliche Auswirkungen kennt. Wichtige Werkzeuge hierfür sind Risikoanalyse und Prozessvalidierung.

Der Prozess ist schließlich so auszulegen, dass Variabilitäten beherrscht werden und ein spezifikationskonformes Produkt hergestellt werden kann. In diesem Zusammenhang sei der Begriff „Design Space" erwähnt, der als Schlüssel für das Verständnis von Produkt und Prozess gilt.

Unter Design Space werden die Kombinationen von Inputvariablen und Prozessparametern verstanden, für die das Entstehen eines qualitativ einwandfreien Produktes nachgewiesen wurde.

Wertvolle Unterstützung bei der Umsetzung von PAT geben das bereits erwähnte Reflection Paper der Emea sowie der von der FDA herausgegebene PATLeitfaden „PAT - A Framework for Innovative Pharmaceutical Development, Manufacturing, and Quality Assurance".

 


Vorteile von PAT

Zunächst ergibt sich die Möglichkeit, spezifikationsbezogene Kontrolluntersuchungen wegzulassen. Diese wurde durch das bereits beschriebene Verfahren der „parametrischen Freigabe" auch gewährleistet, jedoch war sie in den USA und Europa auf den einen genannten Herstellungsschritt beschränkt.

Nur die Prüfung auf Sterilität durfte entfallen - und das auch nur, wenn das Arzneimittel im Endbehältnis sterilisiert wurde. Alle anderen Prüfungen, auch die Sterilprüfung bei aseptisch hergestellten sterilen Arzneimitteln, mussten durchgeführt werden.

Erst mit PAT hat sich der Anwendungsbereich der parametrischen Freigabe vergrößert. Durch die Erteilung einer PATbezogenen Zulassung, können auch andere Prüfungen an weiteren Arzneimitteln weggelassen werden. Der Wegfall von Kontrollprüfungen bedeutet einen erheblichen Zeitgewinn.

Hergestellte Arzneimittel dürfen bei Einhaltung der festgelegten Prozessparameter unmittelbar freigegeben und in den Verkehr gebracht werden. Eine Quarantänelagerung entfällt. Darüber hinaus lässt die Überwachung der Schlüsselparameter ein unmittelbares Erkennen von Abweichungen zu.

Treten nicht erlaubte Abweichungen auf, kann sofort korrigierend eingegriffen werden. Somit werden Arzneimittel hergestellt, die der geforderten Qualität entsprechen. Böse Überraschungen während der Qualitätskontrolle sind ausgeschlossen.

 


Kontakt:
Rico Schulze
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