Anlagenbau & Prozesstechnik

Online-Spektroskopie in der Labor-Prozessentwicklung

27.09.2011 -

CITplus - Mit faseroptischen spektroskopischen Messtechniken stehen leistungsfähige Methoden bereit, die die Verfahrensentwicklung beispielsweise für thermische Trennprozesse erheblich beschleunigen können. Neben der etablierten NIR-Technik und der MIR-Spektroskopie ist vor allem die verwandte Raman-Spektroskopie ein vielversprechender Kandidat für den Einsatz in komplexen Stoffsystemen, sofern eine effiziente Datenanalyse eingesetzt werden kann. Dabei bieten insbesondere Analysemethoden wie Indirect Hard Modeling (IHM) neue Chancen zur Reduktion des Kalibrieraufwandes.

Komplexe online-Messtechniken wie die Spektroskopie erfordern Lösungen aus einem Guss, um alle Potentiale zur Kosteneinsparung und für höhere Prozesssicherheit auszuschöpfen. Dazu gehört eine Betreuung durch Experten, die ein Messgerät, eine Analysesoftware und die Datenverarbeitung zu einer Komplettlösung kombinieren. Im Idealfall kann die Spektroskopie schon zur Verfahrensentwicklung eingesetzt werden und später in der Produktionsanlage online gehen. Für den Anwender verläuft dies am effizientesten, wenn er von der Geräteauswahl bis zur Implementierung nur einen einzigen externen Ansprechpartner benötigt und der Fokus auf das eigene Kerngeschäft gerichtet bleiben kann.

Warum online-Spektroskopie?
Automatisierbare online-Analytik ist aus dem Betrieb von Produktionsprozessen nicht mehr wegzudenken. Nicht erst die vielzitierte PAT-Initiative der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA hat in den vergangenen Jahren die Aufmerksamkeit für die Prozessverfolgung und Steuerung in Echtzeit massiv erhöht. Auch der vielfältige Effizienzdruck, der auf den Prozessindustrien lastet, motiviert Anwender, Prozesse noch besser zu verstehen und zu überwachen. Trotzdem beschränken sich online-Messungen meist noch auf physikalische Parameter wie Druck und Temperatur, während stoffspezifische Parameter wie Konzentrationen vernachlässigt werden.
Daher wächst die Bedeutung spektroskopischer Verfahren auch jenseits der bereits gut etablierten Nahinfrarot(NIR)-Spektroskopie, weil in der Regel ohne Probenahme in Bypass-Strömungen oder mit Tauchsonden direkt im Prozess gemessen werden kann. Dem Messsignal (Spektrum) können häufig mehrere stoffspezifische Informationen entnommen werden, insbesondere Konzentrationen. Dies geschieht dabei mit deutlich kürzerer zeitlicher Verzögerung als in der Prozess-Chromatographie und qualifiziert die Spektroskopie zur online-fähigen Methode.
Vor allem für die Mittelinfrarot(MIR)- und Raman-Spektroskopie wurden in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte für den online-Einsatz erzielt. Mittlerweile sind mobile online-MIR-Systeme (z. B. ATR-Tauchsonden von Bruker Optik, Fibre Photonics/ABB, MettlerToledo) und robuste Prozess-Raman-Systeme von namhaften Herstellern erhältlich.

Robuste Datenanalyse erforderlich!
Allen spektroskopischen Methoden ist gemeinsam, dass sie ein zunächst komplexes Signal liefern, das im Anschluss einer Datenanalyse unterworfen werden muss. Die Möglichkeiten reichen dabei klassischerweise vom Auslesen der Intensität einer einzelnen Wellenlänge (univariat) über die Berechnung der Fläche eines Spektrenabschnitts (Bandenintegration) bis hin zur multivariaten Statistik (PLS), die auch die nicht direkt erschließbaren Informationen zugänglich macht.
Für die robuste Vorhersage realer stofflicher Eigenschaften ist die Kalibrierung mit bekannten Materialproben erforderlich. Dazu müssen insbesondere die statistischen Methoden meist mit umfangreichen Referenzdaten erstellt werden, die sämtliche Variationen der Prozessbedingungen abdecken. Die vollständige Kalibrierung einer robusten PLS-Methode für eine NIR-Prozessüberwachung kann so leicht einige hundert Referenzproben erfordern und ist mit entsprechend hohen Kosten für Referenzmaterial und Laborkapazitäten verbunden.

Neue Lösungen für die multivariate Datenanalyse
S•Pact setzt für seine Analytik-Lösungen auf innovative Hard Modeling-Methoden wie das Indirect Hard Modeling (IHM, siehe Infokasten A). IHM beruht auf einer automatisierten Nachbildung der unbekannten Spektren mit den enthaltenen Einzelbanden, bei der automatisch Bandenüberlappungen, Peakverschiebungen oder Verformungen berücksichtigt werden. Aus der Spektrennachbildung wird für jede Komponente eine Gesamtfläche berechnet, die oft schon mit einigen wenigen binären Referenzproben kalibriert werden kann. Dank dieser kostensparenden und zugleich robusten Kalibrierung ist IHM prädestiniert für die Prozessanalytik. Indirect Hard Modeling und die etablierten Analysemethoden sind in der Software Peaxact vereint und können auf diese Weise leicht verglichen werden (siehe Infokasten).

Anwendungsbeispiel:
Auslegung einer Rektifikation
Die Rektifikation ist eine der wichtigsten Methoden der thermischen Stofftrennung und erfreut sich aufgrund der vielfältigen Wege zur technischen Umsetzung großer Beliebtheit. Die online-Prozessverfolgung von Kolonnen beschränkt sich jedoch meist auf Messungen von Druck und Temperatur, während Konzentrationsmessungen nur offline gaschromatographisch durchgeführt werden. Der Einsatz von online-Spektroskopie vermeidet die Störung des Stoffgleichgewichtes in der Kolonne durch die Probenahme und verbessert die zeitliche Auflösung der Konzentrationsbestimmung erheblich: anstelle von Probenahme und Analyse im Intervall von sechs Stunden und mehr ist eine zyklische Messung (z. B. mit vier Messpunkten) nun mit einer Schleifendauer von unter zwei Minuten möglich.
Setup
Für ein Projekt am Karl-Winnacker-Institut der Dechema betreut S•Pact die online-Mittelinfrarot-Spektroskopie an einer Labor-Destillationskolonne, wie sie zur Verfahrensentwicklung schon in einem frühen Stadium eingesetzt werden kann. Die Installation des MIR-Spektrometers und der faseroptischen Tauchsonden, die Konfiguration der automatisierten Messungen sowie die nachträgliche Auswertung der Messdaten erfolgten als Komplettlösung durch S•Pact .
Stoffsystem
Als Modellstoffsystem wurde eine Sechs-Komponenten-Mischung organischer Lösungsmittel eingesetzt (MTBE, 1,3-Dioxolan, Cyclohexan, Dimethylcarbonat, Toluol und n-Butylacetat), deren Siedepunkte sich zwischen 55 und 125 °C bewegen. Das Gemisch ist unter Prozessbedingungen in weiten Bereichen der stofflichen Zusammensetzung mischbar.
Kalibrierung: Eine klassische Bandenintegration scheidet aufgrund der erheblichen Überlappung der MIR-Spektren der Gemischkomponenten aus. Für statistische Methoden wie PLS lassen Peak-Verschiebungen bei Änderung der Zusammensetzung einen erheblichen Kalibrieraufwand erwarten. Für IHM erfolgte die Kalibrierung hingegen auf Basis eines überschaubaren Datensatzes vorwiegend binärer und ternärer Mischungen, die ausschließlich bei Raumtemperatur vermessen wurden. Die Validierung mit Prozessproben, die gaschromatographisch analysiert wurden, zeigt jedoch die hervorragende Extrapolierbarkeit und Übertragbarkeit auf Prozessbedingungen.
Analyse
Stationäre Betriebszustände, Fraktionswechsel und die Auswirkungen eines Wechsels des Zulaufstromes können zeitnah erkannt werden, ohne dass zeitliche Verzögerungen wie bei klassischer offline-Analytik entstehen. Daher werden der zeitliche Aufwand für das Screening von Betriebsparametern erheblich verkürzt und die Kosten für die Verfahrensentwicklung deutlich gesenkt.
Im Rahmen der Achema 2012 präsentiert S•Pact die Fallstudie anhand eines voll funktionsfähigen Exponates am Stand des Karl-Winnacker-Institutes.

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Datenanalysesoftware Peaxact
Die Datenanalysesoftware Peaxact (von Peak und Exact) vereint die verfügbaren Analysemethoden inklusive des Indirect Hard Modeling (IHM) unter einem Dach. Damit ist auf einfache Weise eine Entscheidung für die am besten geeignete Methode möglich, ohne dass verschiedene Softwareprodukte nebeneinander verwendet werden müssen.

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Indirect Hard Modeling (IHM)
IHM ist eine Methode zur Analyse von Spektren und Chromatogrammen, die die Messdaten automatisch aus einzelnen Gauss/Lorentz-Peaks nachbildet. In der Methodenerstellung werden diese Banden für jeden Reinstoff zu einem spektrenförmigen Modell (Hard Model) kombiniert, das bei der Analyse eines unbekannten Gemischspektrums an dieses angepasst wird. Das Hard Model kann dabei Bandenverschiebungen und -verformungen auf dem Wege einfacher Parameteranpassung automatisch kompensieren, ohne dass mit umfangreichen Referenzdaten kalibriert werden muss. Anders als statistische Methoden kann IHM zudem in nichtkalibrierte Bereiche extrapolieren, wodurch sich der Kalibrieraufwand weiter reduziert. IHM ist ausschließlich in der Analysesoftware Peaxact enthalten.

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