Anlagenbau & Prozesstechnik

Rohstoffboom in Afrika

22.12.2012 -

Rohstoffboom in Afrika - Von: Robert Jung, Accenture, Kronberg Wenn heute über die Wachstumsmärkte der Zukunft gesprochen wird, so begrenzt sich der Fokus meist auf Indien und China.

Mit Brasilien und Russland im Bunde werden die so genannten BRIC-Staaten bis 2025 bereits die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der G6 erreichen (USA, Japan, Großbritannien, Deutschland, Italien, Frankreich).

Bis 2040, so die Prognosen, werden diese Länder die G6 bereits überholt haben.

Von dieser dynamischen Wirtschaft ist Afrika noch weit entfernt. Doch spätestens seit China in jüngster Zeit sehr offensiv mit den afrikanischen Staaten zusammenarbeitet, gerät Europa unter Zugzwang.

Der Kontinent ist längst nicht mehr nur als Entwicklungshilfeempfänger zu betrachten. Er rückt als Wirtschaftsraum ins Interesse - aus mehreren Gründen:

Zum einen zeigen die Beispiele Indien und China, dass Märkte rasch an Dynamik gewinnen können.

1990 lag Indiens Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei etwa 270 Mrd. US-$. Heute erwirtschaftet Indien bereits 30 % des deutschen BIP. China - 1990 noch bei 26 % des deutschen BIP - konnte innerhalb dieser Zeitspanne beinahe mit Deutschland gleichziehen (etwa 90 %).

Noch liegt Afrika bei unter 30 % des deutschen BIP. In verschiedenen Ländern und Regionen gewinnt aber auch der schwarze Kontinent an Fahrt und eröffnet trotz zahlreicher Schwierigkeiten ein großes Potential. Mit einem durchschnittlichen relativen Wachstum der nachgewiesenen Ölvorkommen von jährlich 4,1 % (2000 bis 2005) steigt das Rohstoffpotential Afrikas fast so schnell wie das Eurasiens, begrenzt auf Aserbaidschan Kasachstan, Russland.

Das größte Wachstum verzeichnet dabei der Sudan, der heute über 60 % mehr nachgewiesene Reserven ausweist. Die afrikanische Ölproduktion stieg im gleichen Zeitraum um durchschnittlich 4,6 %, wobei Äquatorial-Guinea mit 25 % und der Sudan mit 17 % weltweit das größte Wachstum seit 2000 verzeichnen.

Europa deckt heute etwa 22 % seines Ölbedarfs über afrikanische Lieferanten, für China liegt der Wert bei 28 %.

 


Asien verstärkt Afrika-Offensive

Der China-Afrika Gipfel im vergangenen Jahr war ein weiterer Impuls zu einer umfassenden Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten.

Dabei will sich China in Afrika nicht nur wertvolle Rohstoffreserven sichern, es knüpft gleichzeitig ein enges Wirtschaftsnetz, um schon früh und langfristig die dortigen Absatzmärkte zu besetzen. Die Entwicklungshilfe soll bis 2009 verdoppelt werden.

Ebenso soll sich der Warenaustausch bis 2010 auf 100 Mrd. US-$ verdoppeln. Gleichzeitig wurden am Rande des China-Afrika Gipfels Abkommen in Höhe von 1,9 Mrd. US-$ unterzeichnet.

In nur wenigen Jahren ist China so nach den USA und der EU zum drittwichtigsten Handelspartner für Afrika avanciert, Tendenz weiter steigend. Auch Indien verstärkt seinen Einsatz in Afrika: 2004 wurden 2 Mrd. US-$ in den Kontinent investiert.

Das asiatische Engagement in Kombination mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in der Region wird spürbare Konsequenzen haben: So zeichnet sich ab, dass sich afrikanische Importströme für Kunststoffprodukte mittel- bis langfristig massiv Richtung Asien verschieben - primär zu Lasten Europas. Schon 2010 könnte Afrika doppelt so viel Polystyrol (PS) aus Nordasien importieren als aus Europa und damit die bisherigen Verhältnisse umkehren.

Die Weltbank spricht bereits von einer neuen „Seidenstrasse" zwischen Afrika und Asien.

 


Europa in Zugzwang

In Europa wird das asiatische Engagement in Afrika hinsichtlich der Vorgehensweise und der Durchführung sehr kontrovers diskutiert. Auch hier will man die Chancen nutzen, jedoch unter strengeren Voraussetzungen.

Derzeit erarbeitet die europäische Politik an Kontrollsystemen (EITI Extractive Industry Transparency Initiative), um die milliardenschweren Geschäfte mit Öl und Gas transparenter zu gestalten.

Das Anliegen ist, die Korruption einzuschränken und zu gewährleisten, dass die Geldmittel tatsächlich in den Aufbau der lokalen Infrastruktur fließen. Erst dadurch kann der Grundstein für ein wünschenswertes nachhaltiges Wirtschaftswachstum gelegt werden. Unter diesem Aspekt sind europäische Ingenieurfirmen bereits dabei, umfassende Infrastrukturprojekte in ganz Afrika umzusetzen.

Die europäische Chemiebranche ist jedoch mit Produktionsanlagen in Afrika erst begrenzt vertreten. Internationale Chemieunternehmen finden sich vornehmlich in Südafrika, dem wirtschaftlichen Schwergewicht auf dem Kontinent.

Der Rohstoffboom in den erdölfördernden und rohstoffreichen Ländern Afrikas bietet aber auch Chancen für Petrochemie und Spezialchemikalien. Denn auch hier besteht und wächst mit der kommenden Vertiefung der Wertschöpfungskette ein attraktiver Bedarf an Downstream-Produkten.

Die wachsenden Ölreserven auf dem Kontinent eröffnen aber auch neue Märkte für Oilfield Chemicals. Auch wenn die USA mit 40 % den größten Marktanteil für dieses Segment ausmacht, so gilt Afrika als potentialstarker Wachstumsmarkt.

Die Schweizer Sika, Spezialchemikalienhersteller für den Bereich Bau und Tiefbau, zeigt bereits großes Interesse an Afrika: Mit Produktionsanlagen in Ägypten, Tunesien, Algerien, Marokko und Südafrika ist das Unternehmen auf dem Kontinent im Vergleich mit Chemiekonzernen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz überdurchschnittlich stark vertreten.

Jetzt plant Sika die Bildung eine eigene Managementregion Indien, Mittlerer Osten und Afrika, um die Aktivitäten in der Region weiter voranzutreiben.

 


Afrika als „Markt" neu entdecken

Auch wenn die politische Situation in vielen Regionen Afrikas heute noch sehr instabil ist, darf Europa vor den wirtschaftlichen Veränderungen und neuen Chancen in diesem Kontinent nicht die Augen verschließen.

Noch ist der Markt klein, doch bietet er für die chemische Industrie in verschiedenen Segmenten langfristig großes Wachstumspotential.

Es gilt, sich rechtzeitig Marktpositionen zu sichern, um von Anfang an am Marktwachstum zu partizipieren. Eine detaillierte Analyse über Potentiale und Machbarkeit für einzelne Regionen ist dabei ein wesentlicher Faktor für den zukünftigen Erfolg.

Wenn die europäische Politik zeitnah geeignete Maßnahmen zum wirtschaftlichen Umgang mit Afrika entwickelt, ist dies ein guter Rahmen für verstärktes wirtschaftliches Engagement in der Region. Europa muss Afrika als „Markt" neu entdecken.

 


Kontakt:

Robert Jung
Accenture GmbH, Kronberg
Tel.: 0211/9120-64928
Fax: 06173/9444928
robert.jung@accenture.com

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