Anlagenbau & Prozesstechnik

Sensorpositionierung im Rohrleitungssystem Teil II

Wirkzusammenhänge begreifen

25.04.2018 -

An einer Beispielrohrleitung wird gezeigt, welchen Einfluss Durchmesser- und/oder Materialwechsel der Leitung auf die Schwingungssituation im Rohrleitungssystem haben.

Das Ziel, einen hinsichtlich Qualität und Ressourceneinsatz optimalen Anlagenbetrieb zu erreichen, macht es notwendig, mit der Prozesssteuerung rechtzeitig auf Veränderungen reagieren zu können. In diesem Kontext sind Druckschwingungen im Rohrleitungssystem für die Prozessführung immer eine unerwünschte Störgröße. Ganz besonders natürlich, wenn es im Resonanzfall durch hohe Druckamplituden zu Bauteilbeschädigungen und somit zum Ausfall der Anlage kommt.
Aber selbst wenn die Pulsationsamplituden im Resonanzfall noch auf einem „akzeptablen“ Niveau liegen, kann sich die Pulsation nachteilig auf die Prozessführung auswirken. Damit die Prozesssteuerung im Bedarfsfall die richtigen Messwerte erhält, darf die Positionierung der Drucksensoren nicht dem Zufall überlassen werden, sondern muss anlagenspezifisch erfolgen. Die simulative Druckschwingungsanalyse ist hier ein geeignetes Werkzeug, um den Projekteur bei der richtigen Positionierung der Sensoren zu unterstützen.

Das Problem
Druckschwingungen werden primär durch die Volumenstrompulsation von Verdrängerpumpen verursacht. Einen umfassenden Überblick der verschiedenen Wirkmechanismen gibt G. Vetter in seinem 2006 im Vulkan-Verlag erschienen Beitrag „Rotierende Verdrängerpumpen für die Prozesstechnik“. Druckschwingungen führen immer dann zu einem Druckschwingungsproblem, wenn eine Anregungsfrequenz mit einer Resonanzfrequenz des Rohrleitungssystems zusammenfällt. Sind, wie im ersten Teil dieses Beitrags (s. CITplus 12/2017, S. 14 ff) beschrieben, die Pumpendrehzahlen konstant, dann sind die Anregungsfrequenzen bekannt und das Rohrleitungssystem kann so gestaltet werden, dass im stationären Betrieb keine Pumpenfrequenz eine Resonanzfrequenz des Rohrleitungssystems „trifft“.
Komplizierter gestaltet sich die Auslegung des Rohrleitungssystems, wenn die Anlage mit drehzahlveränderlichen Verdrängerpumpen ausgestattet ist. Wird die Drehzahl, z. B. zur Fördermengenregelung, kontinuierlich geändert, so ändert sich zwangsläufig auch die Anregungsfrequenz. Mit drehzahlveränderlichen Pumpen steigt also das Risiko deutlich an, eine Resonanzfrequenz des Leitungssystems anzuregen.
Auch hydrodynamische Pumpen, sei es mit konstanter oder variabler Drehzahl, können Druckschwingungen anregen. I. Karassik et al. beschreiben in der 4. Ausgabe des Pump Handbook (McGraw-Hill) einige hierfür in Frage kommende Ursachen. Defekte bzw. verschlissene hydrodynamische Pumpen regen darüber hinaus Frequenzen an, die im Neuzustand der Anlage nicht messbar waren. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Anregungsfrequenzen einer hydrodynamischen Pumpe nicht ausschließlich an die Pumpendrehzahl gekoppelt sind, sondern wie W. M. Jungowski bereits 1994 beim International Gas Turbine and Aero­engine Congress and Exposition aufzeigte, auch mit dem Pumpenbetriebspunkt variiert.
Aber selbst eine intermittierende Prozessführung, wie z. B. bei großen Abfüllanlagen oder Dosiersystemen, bei denen Regel-/Stell­elemente bezogen auf die Eigenfrequenzen des Rohrleitungssystems schnell öffnen und schließen, verursacht bereits Druckschwingungen.
Um seitens der Prozessführung steuernd eingreifen zu können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss die Pulsation mess­technisch erfasst werden. Das klingt zunächst einmal trivial, aber es liegt auf der Hand, dass an einer verfahrenstechnischen Anlage aus Kostengründen nur eine begrenzte Zahl von Sensoren verbaut werden kann. Es muss also sichergestellt sein, dass die verfügbaren Sensoren die kritischen Pulsationen auch messen! Zum anderen sollte bekannt sein, wie die gemessene Druckpulsation anschließend zu interpretieren ist. Handelt es sich lediglich um prozessbedingte Druckschwingungen oder sind die Druckschwingungen Teil einer entstehenden Resonanzschwingung?

Resonanzen im Rohrleitungssystem
Hier schlägt die Stunde der numerischen Druckschwingungsanalyse, denn beide Voraussetzungen lassen sich heutzutage durch eine Simulation des Druckschwingungsproblems ermitteln. Die typische Vorgehensweise bei dieser Art der Analyse wird nachfolgend anhand einer Beispielrohrleitung vorgestellt. Die Leitung besteht aus drei Stahlleitungssegmenten und zwei Gewebeschlauchleitungen und hat eine Gesamtlänge von 8,1 m. Es wird angenommen, dass im System ein Pumpenanlauf die Drehzahl der Pumpe linear erhöht, sodass das Leitungssystem in einem sehr breiten Frequenzbereich angeregt wird.
Kommt es im Rohrleitungssystem jetzt zu Resonanzen, so stehen an der realen Anlage nur die Signale der beiden Drucksensoren für die Untersuchung der Schwingungssituation zur Verfügung. In den Zeitsignalen der Drücke (Abb. 2, oberer Bildteil) lassen sich die Resonanzen der Druckschwingung auch bereits erkennen. Da Drucksensoren aber immer nur die Summe der Pulsation an der Messstelle erfassen, ist ein vertieftes Verständnis der Schwingungssituation alleine durch die Analyse der Zeitsignale nicht zu erreichen.
Aus den Drucksignalen können mittels FFT allerdings die Zahlenwerte der kritischen Systemresonanzen berechnet werden, hierbei bleibt jedoch nach wie vor unklar, durch welche Pumpenordnung diese Resonanzen angeregt werden und welche Teile des Leitungssystems in die Schwingung involviert sind. Für die Beispielrohrleitung zeigt das FFT-Spektrum jedenfalls deutliche Resonanzen bei den Frequenzen 65 Hz, 157 Hz und 330 Hz. Einem erfahrenen Projekteur würde an dieser Stelle auffallen, dass es sich bei den Zahlenwerten um eine ungewöhnliche Abfolge von Resonanzfrequenzen handelt und er würde weitere Untersuchungen anstoßen.

Druckschwingungsanalyse des ­Rohrleitungssystems
Wird das Rohrleitungssystem simulativ untersucht, so stehen ergänzende Informationen für die Schwingungsanalyse zur Verfügung. Durch die Visualisierung der Druckschwingung im sogenannten „Druckvektorplot“ erhält man eine Übersicht über die räumliche Verteilung der Druckpulsation entlang der Mittellinie des Leitungssystems. Die Anregungsfrequenz bildet die x-Achse und die Leitungslänge die y-Achse. Positionen hoher Pulsation (Druckbauch) und niedriger Pulsation (Druckknoten) können sehr einfach durch die farbliche Markierung abgelesen werden.
Aus dem Druckvektorplot wird deutlich, dass es im System eine Resonanz bei 205 Hz gibt, die durch die unglückliche Positionierung der beiden Drucksensoren in Druckknoten dieser Schwingungsordnung fast gar nicht in den Zeitsignalen sichtbar ist. Würde diese Resonanzfrequenz durch einen verschobenen Pumpenarbeitspunkt angeregt, dann fehlen der Prozesssteuerung die notwendigen Messwerte, um die Druckpulsation zu erfassen und um geeignet gegenzusteuern.
Die weitere Analyse der Schwingungssituation konzentriert sich auf die Suche nach λ /2- und λ /4-Resonanzen, um die Randbedingungen der Schwingungssituation eingrenzen zu können.
Eine λ /2-Resonanz vom Typ „geschlossen – geschlossen“ ergibt sich im Leitungssystem, wenn eine Leitung an beiden Enden einen geschlossenen Abschluss hat, wobei Verdrängerpumpen generell und Stellelemente im geschlossen Betriebszustand als geschlossener Abschluss zu betrachten sind. Sind Stell­elemente hingegen ganz oder teilweise offen, dann kann durch die Linearisierung der Durchflusskennline auch auf deren Einfluss auf das Resonanzverhalten des Systems geschlossen werden. In der simulativen Druckschwingungsanalyse erfolgt dies automatisch während der Berechnung. Eine λ /2-Resonanz vom Typ „offen – offen“ ist z. B. gegeben, wenn eine Leitung zwei große Behälter miteinander verbindet. Die Positionen von Druckbauch und -knoten sind hier spiegelbildlich zu denen des Typs „geschlossen – geschlossen“.
Eine λ/ 4-Resonanz stellt sich immer dann ein, wenn das Leitungssystem nur einseitig verschlossen ist, und das andere Ende in ein großes Volumen oder eine Leitung mit deutlich größerem Durchmesser endet. Dies kann z. B. eine Leitung sein, die an einem Tank startet oder von einer Hauptleitung abzweigt und die dann an einem geschlossenen Stellelement endet.

Die Schwingungssituation zusammen­gesetzter Rohrleitungen
Nach der Theorie aus Abb. 4 sollte bei einer Schallgeschwindigkeit von 1.320 m/s die λ /2-Resonanz für die 8,1 m lange, beidseitig geschlossene Beispielrohrleitung bei ca. 80 Hz liegen, mit der 2. und 3. Schwingungsordnung bei 160 Hz und 240 Hz. Sichtbar ist eine λ /2-Resonanz in Abb. 5 aber bereits bei 65 Hz.
Theoretisch müssten die höheren Ordnungen dieser Schwingung jetzt bei jeweils ganzzahligen Vielfachen der Grundfrequenz erkennbar sein, also bei 130 Hz und 195 Hz. Im Druckvektorplot ist jedoch zu erkennen, dass die 2. und 3. Schwingungsordnung bei 157 Hz bzw. 205 Hz liegen. Die Ursache dieser Verschiebung in der Abfolge der Resonanzfrequenzen ist die Unterteilung der Leitung in Stahlrohr- und Schlauchsegmente. Selbst bei gleichen Durchmessern der Segmente bewirkt der Materialwechsel eine Änderung der Druckwellenausbreitungsgeschwindigkeit im jeweiligen Segment. Ähnliche Verschiebungseffekte der Systemresonanzen ergeben sich auch, wenn das Leitungssystem aus Segmenten unterschiedlichen Durchmessers oder aus parallelen Leitungssträngen aufgebaut ist.
Eine Berechnung der Resonanzfrequenzen des Rohrleitungssystems ist spätesten jetzt mit einfachen Überschlagsformeln nicht mehr durchführbar. Die umfassende Analyse der Schwingungssituation ist nur noch mittels der gezeigten simulativen Vorgehensweise möglich. Als Ergebnis sind anschließend die kritischen Frequenzen und die Positionen hoher und niedriger Druckpulsationen innerhalb des Rohrleitungssystems bekannt. Der Projekteur ist hierdurch in der Lage, die Anzahl der Drucksensoren und deren richtige Positionierung so zu optimieren, dass alle kritischen Resonanzfrequenzen messtechnisch erfasst werden. Die Voraussetzungen dafür, dass die Prozesssteuerung rechtzeitig auf Veränderungen der Druckpulsationssituation der Anlage reagieren kann, sind somit erfüllt.

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