Anlagenbau & Prozesstechnik

Elektrostatisches Verhalten bei Reinraumbekleidung

20.06.2011 -

Bei meinen Forschungen „Was ist Elektrostatik" bin ich auf eine interessante Anmerkung gestoßen. Die erste uns bekannte Beschreibung davon stammt aus Griechenland und zwar vom Naturphilosophen Thales von Milet (600 v. Chr.). Von ihm stammt die Bezeichnung Elektrostatik - (ruhende Elektrizität). Bereits damals wusste man, dass Bernstein (ein Harz) durch Reibung eine Aufladung hervorrufen kann. Wahrscheinlich war diese Entdeckung auch den übrigen antiken Welten bekannt. Jedoch erst ab dem Mittelalter wurden diese Phänomene systematisch untersucht.

Auch wir machen im täglichen Leben immer wieder diese Erfahrung, so z. B.:

  • Wer hat schon einmal an einer Türklinke einen elektrischen Schlag bekommen, nachdem er über einen Teppichboden gelaufen ist?
  • Warum knistern Haare beim Kämmen?
  • Warum entsteht ein elektrischer Schlag beim Aussteigen aus einem Auto?
  • Wer kennt nicht die geisterhafte Funkenbildung beim Ausziehen eines Pullovers im Dunkeln?

Es sind kleine Blitze, verursacht von derselben Kraft, die auch am sommerlichen Himmel Blitze zucken lässt. Man spricht hierbei von der Elektrostatik. Immer wenn zwei Materialien aneinander gerieben werden, ist es wahrscheinlich, dass ein Material zusätzliche Elektronen bekommt, während das andere Material Elektronen abgibt. Dieses Phänomen nennt man Reibungselektrizität.
Teilweise kann man diese bekannte Form der Elektrizität für die Technik nutzbar machen. So z. B. überträgt beim Fotokopieren die Elektrostatik den Toner auf das Papier.
Ganz anders verhält es sich mit der Elektrostatik in der Mikroelektronik, wo aufgrund der Empfindlichkeit der Halbleiter bereits geringe elektrostatische Entladungen große Schäden verursachen können. Dies kann hervorgerufen werden durch die Aufladung von Textilien (Reinraumbekleidung), die sich im Gebrauch elektrostatisch auflädt. Im ungünstigsten Fall ist die Aufladung so groß, dass es zur Funkenbildung kommt.

Doch was ist Elektrostatik, wie entsteht sie?
Durch Aufladung
Durch das Vorhandensein von positiver und negativer Ladung im Überschuss als Folge von Reibung bei Isolatoren oder elektrisch isoliertem Körper.
Influenz
Bei der Influenz wird z. B. im Körper des Menschen, der über einen positiven geladenen Fußboden schreitet, eine entsprechend hohe gegensätzliche, d. h. negative Ladung gebildet, die beim Berühren von geerdeten Teilen (Computer) oft zu Funkenentladungen führen kann.
Ionisation
Mindestens ein Elektron aus einem neutralen Atom oder Molekül wurde abgetrennt oder hinzugefügt. Fehlt eins, ist das Ion positiv, beim Hinzufügen hingegen negativ geladen. Einfacher gesagt wir haben ein Ungleichgewicht.

Protonen ● diese sind elektrisch positiv (+) geladen
Es sind die Kernteilchen, welche die Elektronen an das Atom binden.
Neutronen ● sie sind wie der Name bereits vermuten lässt (n), neutral
Es sind die Kernteilchen, welche die Protonen aneinander binden. Sozusagen der „Klebstoff" für die Protonen.
Elektronen ● Elektronen sind negativ (-) geladen 
Es sind die Teilchen der Atomhülle, welche den Atomkern umkreisen.

Alles zusammen ist ein Atom. Der Atomkern ist wesentlich kleiner als das Atom. Die Elektronen sausen in einem weit größeren Abstand um den Atomkern herum.
Einige Atome können relativ leicht Elektronen aufnehmen und andere leicht Elektronen abgeben. Treffen solche Atome aufeinander, so passiert es, dass ein Elektron vollständig von einem Atom auf das andere Atom übergeht. Die beiden Atome werden damit zu Ionen. Ion ist die Bezeichnung für elektrisch geladene Atome.

Gleichnamige Ladungen stoßen einander ab, ungleichnamige ziehen sich an.
●  +  ● stoßen sich ab
●  +  ● stoßen sich ab
●  +  ● ziehen sich an
(Magneteffekt) wie die Fernsehbildröhre, die magisch den Staub anzieht. So wird sich die Reinraumbekleidung verhalten bei Reibungselektrizität und defekten leitfähigen Garnen.

Elektrostatische Aufladungen erzeugen Spannungen von einigen hundert bis einigen tausend Volt! Diese können bei Potentialausgleich zu kurzfristigen hohen Strömen führen, welche empfindliche elektronische Bauteile beschädigen oder zerstören können. Bei sehr hohen Ladungen (1-80 k Volt) tritt schon bei Annäherung eine Funkenentladung ein. Auch der Blitz beim Gewitter ist ein elektrisches Phänomen. Spätestens hier wird deutlich, welche Kraft in der Elektrostatik ruhen kann. In der Fachsprache werden elektrische Entladungen auch ESD (Elektrostatic Discharge) genannt.
Zur Vermeidung bzw. Minimierung der Entladungen spielt die Luftfeuchtigkeit eine wesentliche Rolle. Im Winter wird durch sehr trockene Luft und Reibung eine sehr hohe elektrische Ladung erzeugt. Was zur Folge hat, dass Entladungen stattfinden, sobald man geerdete Teile berührt. Abhilfe: Luftfeuchtigkeit erhöhen auf 45 % oder mehr, dadurch wird weniger Reibungselektrizität erzeugt. Bei der Reinraumbekleidung wird durch die Verwendung von Schuhen mit speziellen antistatischen Sohlen, sowie bei der Verwendung von Stoffen aus Polyesterfasern mit Ableitgarnen (z. B. Carbon) die Ladung extrem minimiert. Durch die Erdung des gesamten Inventars im Reinraum sowie des Personals (evtl. durch Personenerdungssets für Handgelenke oder Monotoringsysteme) ist ein Arbeiten ohne Probleme möglich.
Elektrostatisch aufgeladene Flächen in Reinräumen wirken auf Partikel anziehend, was zu unerwünschten und mit der Reinstluftströmung allein nicht zu kontrollierenden Ablagerungen von Verunreinigungen auf Oberflächen führt. Besonders in der Mikroelektronik werden hochintegrierte Halbleiterprodukte durch elektrostatische Aufladungen in zweierlei Hinsicht gefährdet:

  • Anziehen von Partikel
  • Zerstörung von Halbleiterübergängen durch hohe Spannungen infolge unkontrollierter Entladungen über das Produkt

Bei der Halbleiterfertigung werden die Produktionsverluste von integrierten Schaltungen durch elektrostatische Aufladungen auf über 50 % geschätzt.

Antistatische Stoffe
Leitfähige Garne stellen bei Reinraumbekleidung heutzutage den Stand der Technik dar. Leitfähige Garne werden entweder gitterförmig oder netzförmig im Reinraumgewebe eingearbeitet. Dabei liegen die Abstände bei gitterförmiger Anordnung zwischen benachbarten leitfähigen Garnen bei ca. 5-20 mm, bei netzförmiger Anordnung bei ca. 5-8 mm in beiden Richtungen. Bei der Einarbeitung von leitfähigen Carbonfasern zur Vermeidung der tribolektrischen Aufladung (Bewegungsaufladung erzielt durch die Bewegungsmotorik) unterscheiden wir zwischen der gitterförmigen Anordnung der leitfähigen Garne, d. h. in Kett- oder Schussrichtung. Sowie der netzförmigen Anordnung der leitfähigen Garne, d. h. in Kett- und Schussrichtung.
Die statische Aufladung fördert auch die reibungsinduzierte Penetration von Fasern durch das Gewebe (Fasermigration). Eine verringerte statische Aufladung wird z. B. wie bereits o.g. durch leitfähige Garne erreicht. Verschiedene Typen antistatischer Fasern haben einen leitfähigen Mantel, der im Vergleich zu den Fasern spröder, scheueranfälliger und weniger pflegebeständig ist. Die Waschmechanik und die Quellvorgänge reduzieren zusätzlich die Haltbarkeit, dabei splittern bzw. brechen Teile des leitfähigen Materials ab und gelangen in den Reinraum.
Alternative: Antistatische Ausrüstungsmittel wie z. B. Phosphorsäureester (als alternative zu leitfähigen Fasern) müssen jedoch nach jeder Wäsche erneuert werden, da sie nicht waschbeständig sind.

Kontakt

ReinRaumTechnik Jochem

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