Anlagenbau & Prozesstechnik

Energieeffizienter Zytostatika-Isolator

Prozesssicher toxische Stoffe verwiegen

22.02.2014 -

Laut Prognose vom Robert-Koch-Institut wird für das Jahr 2012 bei 258.000 Männern und 228.000 Frauen eine Neuerkrankung an Krebs erwartet. Da es derzeit immer noch Krebsarten gibt, bei denen die bisher zugelassenen Medikamente keine Wirkung zeigen, forscht die Pharmaindustrie mit Hochdruck nach neuen Zytostatika. In den Pharmalaboren werden immer mehr autark betriebene Zytostatika-Isolatoren eingesetzt, die durch den Einsatz spezieller Luftführung und Handling über Handschuhports eine strikte Trennung zwischen der arbeitenden Person und dem Arbeitsstoff bieten.

Für die Anmischung patientenspezifischer Medikamente investieren Krankenhausapotheken ebenfalls zunehmend in die Anschaffung von Zytostatika-Isolatoren. Im Rahmen des „ZIM"-Projekts („Zentrales Innovationsprogram Mittelstand") wurde unter dem Thema „Entwicklung eines energieeffizienten Zytostatika Isolators zur prozesssicheren, gravimetrischen Verwiegung toxischer Stoffe" ein Isolator entwickelt, der zum einen im Unterdruck als Zytostatika-Isolator und zum anderen im Überdruck als Isolator für andere Substanzen, welche höchsten Produktschutz benötigen, eingesetzt werden kann.

Im folgenden wird erst auf die Funktionsweise des Zytostatika-Isolators eingegangen und im Anschluss auf die des Isolators für andere Substanzen. Die aktuelle DIN-Norm 12980 „Laboreinrichtungen - Sicherheitswerkbänke für Zytostatika" bietet bereits einiges an Hilfestellung für die Konstruktion und Auslegung von Zytostatika- Werkbänken. Zytostatika sind natürliche oder synthetische Substanzen, die zur Therapie von Krebs- und Tumorerkrankungen eingesetzt werden.

Ihre Wirkung liegt in der Hemmung der Zellteilung und des Zellwachstums, indem sie die Stoffwechselvorgänge der Zellen unterbrechen, hemmen oder verändern. Da es sich bei Zytostatika um Zellgifte handelt, die unter keinerlei Umständen in den Umgebungsbereich des Isolators gelangen dürfen, da sie als hochaktive Substanzen mit Gefährdung für den Arbeiter eingestuft werden, wird der Zytostatika-Isolator ausschließlich im Unterdruck betrieben und bietet nur über Handschuhports, die in eine Trennscheibe integriert sind, Eingriffsmöglichkeiten. Standardmäßig ist er mit zwei eigenständig belüfteten Materialschleusen mit gegeneinander verriegelten Türen zur Beund Entladung und einer Arbeitskammer zum sicheren Handling von hochaktiven Substanzen und Zytostatika ausgestattet.

Funktionsweise

Um Kreuzkontaminationen oder Produktverwechselungen zu vermeiden, wird je eine Schleuse zum Ein- oder Ausschleusen von Material genutzt. Der Zytostatika-Isolator ist mit einer speziellen Steuerung ausgestattet, um durch verschiedene Anwahltasten unterschiedliche Drücke und Betriebsmodi anzusteuern. Zum Einschleusen von Produkt wird an der Einbringschleuse die Türanwahltaste betätigt. Hierdurch wird in der Schleuse der Umluftbetrieb aktiviert, bis sich der Druck innerhalb der Schleuse dem Umgebungsdruck des Isolators angepasst hat.

Nach Erreichen dieses Umgebungsdrucks wird von einer verbauten SPS (Speicherprogrammierbare Steuerung) die Freigabe für die Schleusentür erteilt und diese kann manuell geöffnet werden. Nach Einbringung des Materials über eine Materialrutsche zur einfacheren Übergabe wird diese verschlossen, verriegelt und die sogenannte Recovery Time, in der das Material luftgespült wird, beginnt. Nach Ablauf dieser Spülzeit kann, sobald der Arbeitsbereich, der sich während allen Betriebsmodi im Unterdruck (-50 Pa bis -120 Pa) befindet, für die Einbringung des Materials bereit ist, mittels Fußtüranwahltaste der Druckausgleich zwischen Schleuse und Arbeitsbereich gestartet werden. Nun wird die Schleuse mittels Volumenstromregler in einen Unterdruck von etwa 0 Pa bis -50 Pa gebracht. Durch diese Druckkaskade ist das Ausdringen und Verschleppen von Zytostatika aus dem Arbeitsbereich unterbunden.

Wenn der Unterdruck erreicht ist, wird die Tür zwischen Schleuse und Arbeitsbereich entriegelt und das Material kann in den Arbeitsraum eingebracht werden. Dies geschieht über Handschuhports, deren Positionen während vorangegangenen Mock-Up-Studien festgelegt werden. Zur Ausbringung von fertigem Material, erfolgt der Druckauf- und -abbau in umgekehrter Weise. Durch dieses Verfahren wird sichergestellt, dass, wie von DIN 12980 gefordert, keine Beeinträchtigung der Zytostatika-Zubereitungen durch schädliche Umgebungseinflüsse stattfinden kann.

Beide Materialschleusen, wie auch der Arbeitsraum sind mit Safe-Change Filterboxen ausgestattet, welche durch Bag-In-Bag-Out-Technik einen Filterwechsel ohne Kontaminationsrisiko ermöglichen. Innerhalb des Arbeitsraums wird mit turbulenzarmer Verdrängungsströmung im Umluftbetrieb mit zusätzlich einstellbarer Teilabluft gearbeitet. Wie bei den meisten reinraumtechnischen Anlagen verläuft die Zuluft vertikal, gesteuert durch einen überwachten Volumenstromregler. Der Arbeitsraum ist weiter ausgestattet mit einem automatischen Zyklus zur Drucküberwachung. Hierbei wird, in einer vom Betreiber selbst festzulegenden Periode, überprüft, ob der Isolator einen aufgegebenen Prüfdruck eine bestimmte Zeit halten kann. Durch das Bestehen des Druckhaltetests kann die Dichtheit des Isolators bestätigt werden. Zur Dekontamination des Zytostatika-Isolators ist dieser zusätzlich mit Anschlüssen zur H2O2- Dekontamination ausstattbar.

Handschuhdichtigkeitsprüfung

Um „das Bedienpersonal (...) vor schädlichen Einflüssen durch im Inneren freigesetzte Aerosole von zytotoxischen und anderen hochwirksamen Substanzen" [DIN EN 12980] zu schützen, unterliegt es außerdem der Sorgfaltspflicht des Betreibers, vor jedem Nutzen des Zytostatika-Isolators diesen auf seine grundliegende Funktionsfähigkeit zu testen. Die schwächste Stelle geschlossener Systeme stellen immer noch die Handschuhe selbst dar. Deshalb ist es unabdingbar die Handschuhe vor jedem Einsatz einem Handschuhdichtigkeitstest zu unterziehen. Hierzu gibt es spezielle Handschuhprüfgeräte, die die Handschuhe vor Ort und ohne Entnahme prüfen können. Die Dichtigkeit wird durch Druckaufgabe und -haltung überprüft; hierbei darf sich der Prüfdruck in einem vorgegebenen Zeitraum nicht essentiell verringern.

Produkt- oder Personenschutz - Unterdruck- oder Überdruckbetrieb?

Die Besonderheit des hier beschriebenen Isolators liegt in der Möglichkeit der Betriebsweise. Zum einen kann der Isolator wie bereits eingehend beschrieben als Zytostatika-Isolator im reinen Unterdruck betrieben werden. Da es im Falle von Krankenhausapotheken und Systemen im Laborstatus jedoch häufig vorkommt, dass innerhalb kurzer Zeit verschiedenste Substanzen verarbeitet werden müssen, jedoch das Budget für die Anschaffung von zwei einzelnen Systemen fehlt, ist dieser Isolator in der Lage, zwischen Unterdruckbetrieb für optimalen Personenschutz und Überdruckbetrieb für optimalen Produktschutz umzuschalten.

Mittels vieler Tests und Versuche wurde während des „ZIM"-Projektes ein System ausgearbeitet, das genau diese Funktion besitzt. Sollen nach dem Handling mit zytotoxischen Substanzen nun Stoffe verarbeitet werden, die für das Personal keine große Gefahr darstellen, jedoch absolut rein bleiben müssen, kann der Isolator in Überdruck geschaltet werden. Hierzu muss der Isolator erst vollständig dekontaminiert werden. Dies geschieht mittels H2O2-Dekontamination. Hierbei wird gasförmiges H2O2 in den Isolator gesprüht und dieser durch Luftumwälzungen gesamt gereinigt.

Nach einer vorher festgelegten Zeit, in der das Aerosol einwirkt, ist der Isolator dann vollständig dekontaminiert und zum Einsatz für neue Substanzen bereit. Mit diesem energieeffizienten Isolator wird es kleineren Betrieben und Apotheken nun ermöglicht, schnell und flexibel an verschiedensten Produkten zu arbeiten. Durch den unkomplizierten Wechsel der Betriebsmodi von Unterdruck auf Überdruck ist gewährleistet, dass jeweils voller Produktschutz und/oder voller Personenschutz vom Isolator ausgeht.

 

 

Kontakt Gloria Marini
Reinraumtechnik Ulm GmbH, Ulm

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