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Krebszellen mit dem Immunsystem bekämpfen: Erfolge der Immun- und Kombinationstherapien

30.05.2017 -

Krebszellen mit dem Immunsystem bekämpfen: Endlich scheint eine Waffe im Kampf gegen den Krebs, der eine der größten Geißeln der Menschheit darstellt, gefunden ­worden zu sein. Nicht nur Monate des Überlebens sondern Jahre – oder sogar die Heilung. Dies war das Thema eines Seminars für Wissen­schaftsjournalisten in Zürich.

Am 15. März 2017 luden die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften, die Swiss Clinical Trial Organisation und Interpharma zu einem gemeinsamen Seminar zum Thema Immunonkologie ein. Das Seminar stellte den Nutzen und den aktuellen Forschungsstand der immuntherapeutischen Krebsmedikamente sowie die derzeitigen Grenzen dar.
Mit den neuen Kombinationstherapien überleben die Patienten deutlich länger. Gleichzeitig explodieren aber auch die Kosten. Wie Roger von Moos, Präsident SAKK (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung) der Schweiz, und Chefarzt in Onkologie / Hämatologie im Kantonsspital St. Gallen, betonte, gerät die klinische Krebsforschung in der Schweiz durch die kostentreibenden Therapien, aber auch durch Sparbemühungen im Gesundheitswesen zunehmend unter Druck. Daher sind Kosten-Effizienz-Studien dringend erforderlich. Die SAKK führt klinische Studien durch, um die Behandlung von Krebspatientinnen und Krebspatienten und gleichzeitig die Kosteneffizienz kontinuierlich zu verbessern.

Mit monoklonalen Antikörpern gegen den Krebs
Das Immunsystem stellt ein Verteidigungssystem gegen Erreger wie Parasiten, Bakterien oder Viren dar, die den Organismus attackieren. Aber auch Angriffe aus dem Inneren vermag es abzuwehren: So z. B. erkrankte, überalterte Zellen oder aber Krebszellen, die unsere Gesundheit bedrohen. Da die Tumorzellen eines Individuums sich nicht sehr von normalen Köperzellenunterscheiden und weil die entarteten Zellen verschiedene Strategien entwickeln, um die Immunzellen zurückzudrängen, ist das Abwehrsystem sehr gefordert. Manchmal reagiert es daher nicht auf das Vorhandensein von Krebs oder es ist in seiner Wirksamkeit blockiert.
Der Krebs stellt einen Fremdkörper dar. Bei den herkömmlichen Therapieansätzen richtet sich der Ansatz direkt gegen die Wucherung: Mit chirurgischen Eingriffen, Chemo- und Strahlen­therapie. Die Mediziner versuchen außerdem, das Abwehrsystem zu stärken, insbesondere mit Hilfe von Interleukinen und Interferonen. Aber dieser Ansatz hat die erwarteten Ergebnisse nicht erfüllt.
Hier greift ein neuer Ansatz im Kampf gegen Krebs, bei dem gezielt das Immunsystem aktiviert wird. Er erweist sich als vielversprechend  und basiert auf der Frage warum der Körper den Krebszellen überhaupt die Möglichkeit gibt, zu wachsen. Krebszellen werden nämlich vom Immunsystem erkannt und beseitigt, noch bevor sie Schaden anrichten können. Wie gut allerdings diese Aufräumarbeit funktioniert, ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Mit Hilfe der Therapie soll ganz gezielt das Immunsystem aktiviert werden, damit die Krebszellen sich nicht mehr vermehren können, im besten Fall sogar absterben.

Mit Checkpoint-Inhibitoren die Abwehr gegen den Tumor stärken
PD Dr. von Moos berichtete über einen Ansatz, der in St. Gallen verfolgt wird. Im Gegensatz zu herkömmlichen Therapien, die direkt auf den Tumor abzielen, nutzen die neuen immun­onkologischen Wirkstoffe die natürlichen Fähigkeiten des körpereigenen Immunsystems, um Krebs zu bekämpfen. Die hier vorgestellte Immuntherapie wirkt über Antikörper, die an immunologische Kontrollpunkte, sogenannte Checkpoints, binden, um so die T-Zell-Aktivierung zu verstärken und zu einem effektiven Kampf gegen den Tumor zu stimulieren. Immun-Checkpoints sind Rezeptoren auf der Membran von Abwehrzellen, die deren Immunantwort dämpfen oder steigern können. Sie modulieren also die Immunreaktion, bspw. um körpereigene Zellen vor dem Angriff des Immunsystems zu schützen. Das ist wichtig, damit keine gesunden Zellen vernichtet werden. Doch auch die Krebszellen machen sich das zunutze: Sie maskieren sich so, dass sie den Checkpoint der T-Zellen passieren können und sie werden darum vom Immunsystem nicht zerstört. Hier setzten die neuen Wirkstoffe, sogenannte Checkpoint-Inhibitoren an. Diese blockieren den passenden Checkpoint zu den Krebszellen und steigern auf diese Weise die Immun­antwort. Die Krebszellen werden dadurch zerstört. Diese neuartigen Therapien wirken nachweislich bei verschiedenen Krebsarten, die bisher nur schwer zu behandeln waren. Sie beruhen auf chimären Antigen-Rezeptor (CAR) -Komplexen, die markiert werden, um die sogenannten ­T-Zellen zu aktivieren. Denn Krebszellen können eine Immunreaktion auslösen, wenn sie Oberflächen-Antigene tragen, die sich nicht auf den normalen körpereigenen Zellen befinden. Das Immunsystem erkennt diese Antigene als körperfremd und greift sie in der Folge an. Zytotoxische Abwehrzellen produzieren beispielsweise giftige Substanzen und bewirken so den Tod infizierter oder tumorartiger Zellen.
Die Therapie kann viele Nebeneffekte hervorrufen, aber sie führt bei 50–90 % der Leukämie-Patienten, die die Therapie frei von Krebszellen überstehen, zu kompletter Remission und Heilung! Bei kompakten Tumoren ist die Therapie nicht so erfolgreich. Die in der Immuntherapie verwendeten monoklonalen Antikörper gegen den Checkpoint, das Hemmprotein PD1, stellen eine Umwälzung in der Krebstherapie dar. Die Heilungschancen sind bei einigen Tumoren sehr stark gestiegen.
Verschiedene Antikörper werden gegen unterschiedliche Tumoren eingesetzt. Auch Gehirntumoren, die normalerweise auf Antikörper­therapien nicht ansprechen, sprechen auf die Checkpoint-­Inhibitoren an. Es ist inzwischen erwiesen, dass diese Form der Immuntherapie effektiv und zielgerichtet Krebszellen auch im Gehirn vernichten kann. Bislang ist die neue Antikörper-Immun­therapie für Hirntumoren noch nicht ausgereift. Zwar reduziert sich die Größe der Tumore deutlich, sie werden aber nicht komplett entfernt. Dies könnte daran liegen, dass Immunzellen Schwierigkeiten haben große Tumore zu zerstören.

Mit Zelltherapien gegen den Tumor
Wie Prof. Lana E. Kandalaft, Direktorin am Ludwig Institute für Krebsforschung, Lausanne, betonte, ist ein weiterer Therapieansatz die adop­tive T-Zelltherapie. Oft erkennen T-Zellen den Tumor nicht als Gefahr. Künstlich werden nun dendritische Zellen auf bestimmte Tumorantigene, die nur auf den Tumorzellen existieren, geprägt. Die modifizierten Zellen regen daraufhin die T-Zellen und weitere Mechanismen des Immunsystems zum Angriff auf die entsprechenden Tumorzellen an. Die Mediziner isolieren aus dem Blut des Patienten Zellen, rüsten sie mit speziellen Antigenen aus und vermehren sie im Zelllabor. Hierdurch erhalten die T-Zellen eine neue, gegen den Tumor gerichtete Spezifität durch einen Chimären Antigenrezeptor (CAR). Anschließend werden sie zurück in den Körper geschleust. Dank ihrer Ausstattung können sie Krebszellen besser aufspüren und vernichten. „Diese T-Zellen zirkulieren in unserem Körper und ihre Präsenz in dem Tumor zeigt, dass sie in der Lage sind, Krebszellen zu erkennen Bei der Therapie werden dendritische Zellen in Spione umfunktioniert, die Krebszellen aufspüren. Und T-Lymphozyten in Soldaten, die Krebszellen vernichten.“, erklärte Prof. Kandalaft.
Dass diese Immuntherapien funktionieren, konnten die Forscher mit eindrücklichen Beispielen belegen. Die Referentin nannte Fälle von Patienten, die auch Jahre nach der Behandlung keine Anzeichen einer Krebserkrankung mehr aufweisen. Das Problem ist: Die Therapien wirken nicht bei allen Patienten, und die Experten wissen noch nicht im Detail warum. Aber wenn die Methode wirkt, dann funktioniert sie auch langfristig wunderbar. Ein Problem stellen die teilweise unberechenbaren, z. T. auch schwerwiegenden, Nebenwirkungen dar. Grundsätzlich gibt es bei diesen Immuntherapien jedoch weniger Nebenwirkungen als bei einer Chemotherapie.
Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste Art der Leukämie in der westlichen Welt. Bei dieser Erkrankung sind das Blut und das Knochenmark, also Gewebe in Knochen, in denen Blutzellen hergestellt werden, beeinträchtigt. Die Krankheit, die etwa 50.000 Menschen jährlich betrifft, kann mit Hilfe von Chemotherapien kontrolliert werden und sogar mit einer erfolgreichen Knochenmark-Transplanta­tion vollständig geheilt werden, wenn eine perfekte Übereinstimmung gefunden wird. Eine solche ist die aber in den meisten Fällen nur schwer erreichbar.
Um eine neue, bahnbrechende Behandlung, die chimäre T-Zelltherapie, zu testen, bezogen Wissenschaftler um Carl June, Immuntherapeut an der Perelman School of Medicine, University of Pennsylvania, Blut von drei Patienten, die an einem fortgeschrittenen Stadium dieser Erkrankung litten. Sie machten sich daran, die T-Zellen aus jeder Probe zu extrahieren. Dann verstärkten die Wissenschaftler die extrahierten T-Zellen mit einem Protein namens Chimärer Antigen Rezeptor (CAR) und infundierten das Blut zurück in jeden dieser Patienten. Die Rolle des CAR in den modifizierten Zellen besteht darin, ein Protein namens CD19 in den Leukämie-Tumorzellen heranzuziehen und sie effektiv zu zerstören. CAR unterstützte auch die Vermehrung von neuen modifizierten T-Zellen, die in den Angriff auf die erkrankten Zellen eingebunden waren. Die Wissenschaftler schätzen, dass jede modifizierte T-Zelle für den Tod von mindestens 1.000 Krebszellen pro T-Zelle verantwortlich war: Man bezeichnet sie daher auch als Serial-Killer-T-Zellen. Noch erstaunlicher war, dass bei zwei der drei Patienten die Tumoren in nur drei Wochen vollständig verschwanden und dass sie seit einem Jahr krebsfrei sind! Die Zulassung der Therapie durch die FDA steht unmittelbar bevor.
Auch Lausanne springt auf diesen Zug auf. Mit Frau Prof. Lana Kandalaft ist eine weltweit anerkannte Kapazität auf ihrem Gebiet in Lausanne tätig. Ihr geplantes Zelllabor und damit die Zelltherapien können noch in diesem Jahr starten. Das geplante Zellproduktionslabor für die Immuntherapie in Epalinges / Lausanne, eines der größten in Europa, erwartet die Genehmigung durch Swissmedic. Die ersten Patienten werden voraussichtlich im September davon profitieren.
Nebeneffekte der zellulären Immuntherapie sind selten, aber sie können alle Organe betreffen: Muskeln, Haut, Lunge, Herz und Leber. Sie können lebensbedrohlich sein, ohne dass man solche Effekte vorhersehen kann. Daher wird für die Behandlung eine maximale Toxizitätsdosis, MTD, festgelegt, die. Dabei muss man die künftige Lebensqualität des Patienten im Fokus sehen. Neue Grundsätze der Therapieführung in der Onkologie wurden entwickelt, um das Verhältnis Nutzen-Risiko von zytotoxischen Medikamenten zu bewerten.
Viviane Hess, Leiterin der klinischen Krebsforschung Basel und Vizepräsidentin der SAKK, berichtete über Kombinationsbehandlungen in der klinischen Krebsforschung. Nach einer Chemotherapie können Tumoren wiederkehren. Auch viele Immuntherapien müssen mit anderen Therapieformen kombiniert werden, z. B. mit Chemotherapien, um erfolgreich zu sein. Das Ziel der Studien ist es, effektive Behandlungsformen zu finden und kritische Faktoren zu minimieren. Hess entwarf vor den Zuhörern ein neues Modell zum Design klinischer Studien.
Seit kurzem steht für Kombinationstherapien von zielgerichteten Medikamenten eine Vielzahl an Therapieformen zur Verfügung, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig ergänzen und verstärken. Neue Perspektiven bieten sich für Patientinnen auch durch eine aktuelle Weiterentwicklung, bei der ein Chemotherapeutikum an ein zielgerichtetes Medikament gekoppelt ist, das z. B. an einer Brustkrebszelle angedockt wird. Anschließend wird das Chemotherapeutikum wie ein trojanisches Pferd in die Krebszelle eingeschleust und kann dort seine Wirkung entfalten. Durch diesen Trick sollen gesunde Zellen geschont und Nebenwirkungen der Therapie möglichst vermieden werden.
Die Herausforderung besteht nun darin, für jeden Patienten eine passende Therapie und die optimale Dosierung zu ermitteln – und auch darin, Kombinationen verschiedener Wirkstoffe zu prüfen. Ein Studie von Forschern um Dr. Jedd Wolchok im „New England Journal of Medicine” über Melanome zeigt etwa, dass eine Therapie mit Ipilimumab plus Nivolumab bei gut der Hälfte der Melanom-Patienten anschlug und die Tumorgröße um mindestens 80 % reduzierte. Der Blutgefäss Hemmer Bevacizumab z. B., besser bekannt als Avastin (Roche), verhindert die Bildung neuer Blutgefäße bei metastasiertem Nierenzellkarzinom (mRCC). In einer Studie erwies sich die Immuntherapie-basierte Kombination Atezolizumab, einem Anti-PDL1-Antikörper, der die T-Zell-Aktivität gegen den Tumor erhöht, plus Bevacizumab bei nicht vorbehandelten Patienten mit Metastasen als besonders wirkungsvoll.
In der abschließenden Diskussionsrunde standen die hohen Kosten der neuen Therapien im Fokus. Alle Referenten des Zürcher Anlasses waren sich einig, dass die Kosten der einzelnen Wirkstoffe bei einer Kombinationsanwendung nicht einfach addiert werden können. Die öffentlichen Gesundheitssysteme wären überfordert.
Es erfordere eine Reduktion, wobei sich der Preis gemäss Jens Grueger, Pricing Director bei Roche, nach dem Nutzen des jeweiligen Präparats in der betreffenden Indikation richten soll. In der Schweiz diskutieren Krankenkassen und Pharmahersteller über flexible Preismodelle. Martina Weiss von der Krankenversicherung Helsana z. B., machte sich stark für ein gänzlich neues Preismodell: «Wir müssen wegkommen vom System ‹ein Medikament, ein Preis. Die Komplexität neuer Therapien nimmt stetig zu und es kommen immer mehr Therapien auf den Markt». Beides erhöht die Kosten.

Neue Checkpoint-Inhibitoren, wie die beiden PD-1-AntikörperNivolumab und Pembrolizumab bzw. der CTLA-4-Antikörper Ipilimumab, haben die onkologischen Therapien revolutioniert.

Checkpoint-Inhibitor

Tumor

Anti-PD-1 (Pembrolizumab)

Nierenkrebs

Anti-PD-1 (Nivolumab)

Lungenkrebs

Anti-PD-1 (Nivolumab)

Magenkrebs

Anti-PD-1 (Nivolumab)

 

Kopf & Hals Krebs

Anti-PD-1 (Nivolumab)

multiples Myelom

Anti-PD-1 (Nivolumab)

Hodgkin-Krankheit

Anti-PD-1 (Nivolumab)

Melanom

Anti-PD-1 (Nivolumab)

+ Anti-CTLA4 (Ipilimumab)

Melanom

Anti-CTLA-4 (Ipilimumab)  

Melanom

Anti-PD-1 (Pembrolizumab)

Melanom

Anti-PD-1 (Pembrolizumab) i

Ösophagus-Krebs

Anti-PD-L1 (Atezolizumab)

Blasenkrebs

 

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